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Markus Braun, damaliger Vorstandsvorsitzender bei Wirecard.

© Lino Mirgeler/dpa

Wirecard-Ausschuss im Bundestag: Packt Konzernchef Markus Braun jetzt aus?

Er ist einer der spannendsten Figuren im Wirecard-Skandal: Markus Braun muss am Donnerstag Rede und Antwort stehen. Dagegen hatte er sich zunächst gewehrt.

Es wird spannend im Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestags. Sechs Wochen nach der offiziellen Einsetzung beginnen an diesem Donnerstag die Zeugenbefragungen.

Im Mittelpunkt wird gleich eine, wenn nicht die Hauptfigur in dem Betrugs- und Pleiteskandal um den Zahlungsdienstleister und Dax-Börsenstar stehen: Markus Braun, der Vorstandsvorsitzende der Firma mit Sitz in Aschheim in Bayern, ist geladen. Und wird auch erscheinen. Seine Klage gegen die Präsenzbefragung in Berlin wurde vom Bundesgerichtshof zurückgewiesen.

Der Ausschuss will mit Braun und anderen früheren Führungskräften von Wirecard in die Aufklärung einsteigen, weil diese zum einen die Quelle der Querelen sind, die sich ja bis in die Bundesregierung hineinziehen, zum anderen aber, weil einige aus diesem Kreis demnächst möglicherweise noch weniger auskunftsfreudig sein werden als man ohnehin vermuten darf.

Zwar geht die SPD-Abgeordnete Cansel Kiziltepe mit einem forschen Anspruch in die Sitzung: „Alle uns bekannten Indizien deuten auf umfangreiche kriminelle Machenschaften im Management hin. Diesen Vorwürfen müssen sich am Donnerstag die ehemaligen Führungskräfte von Wirecard stellen.“

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Aber Braun und zwei weitere Wirecard-Manager – Oliver Bellenhaus und Stephan Freiherr von Erffa – sitzen in Untersuchungshaft. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet auf gewerbsmäßigen Bandenbetrug, indem über Scheingeschäfte höhere Umsätze und Gewinne dargestellt wurden und so auch Kredite erschwindelt werden konnten. Werden Braun & Co. also auf Fragen reagieren? Oder sich auf ihr Aussageverweigerungsrecht berufen?

Angst um die Sicherheit der Zeugen

Gegen das Auftreten im Ausschuss hatte sich eine interessante Allianz zusammengefunden: Sowohl die Anwälte der Untersuchungshäftlinge waren gegen die übliche Präsenzbefragung als auch die Staatsanwaltschaft München, die die drei Manager hinter Gitter gebracht hat.

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Die Begründungen klangen ähnlich. Zum einen wurde ein erhöhtes Corona-Infektionsrisiko geltend gemacht. Zum anderen fürchtete man um die Sicherheit der Zeugen: Sie könnten angegriffen werden, etwa von enttäuschten Anlegern, gab die Staatsanwaltschaft zu bedenken und verwies darauf, dass der flüchtige Wirecard-Manager Jan Marsalek über Geheimdienstkontakte verfüge.

Nur per Video?

Außerdem galt als Risiko, dass die beschuldigten Manager die Situation nutzen könnten, um sich direkt abzusprechen. Und daher sollte es nur eine Videovernehmung geben. Der Anwalt von Bellenhausen hatte gar beantragt, seinen Mandanten auszuladen, weil er offenbar vom Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen will und daher ein „ungeeignetes Beweismittel“ sei, wie einem Schreiben der Ausschussmitglieder von FDP, Linken und Grünen zu entnehmen war.

Finanzminister Olaf Scholz (SPD) steht mit im Focus des Untersuchungsausschusses.
Finanzminister Olaf Scholz (SPD) steht mit im Focus des Untersuchungsausschusses.

© REUTERS

Doch im Bundestag hielt man dagegen und pochte auf Präsenz. Der Linken-Abgeordnete Fabio De Masi sagte: „Ich würde Herrn Braun auch im Pyjama vorführen lassen. Es ist wichtig für die Öffentlichkeit, dass der größte Finanz- und Bilanzskandal der jüngeren deutschen Nachkriegsgeschichte öffentlich verhandelt wird.“

Der Grünen-Politiker Danyal Bayaz sah es auch so: „Eine Befragung light von Markus Braun kommt für mich nicht in Frage. Er ist mutmaßlich Hauptverantwortlicher im Wirecard-Skandal.“ Im Bundestag gebe es Corona-Schnelltests, um Sicherheit zu gewährleisten.

Persönlicher Eindruck zählt im Ausschuss

In dem Entgegnungsschreiben der drei Oppositionsfraktionen zu den Anträgen der Anwälte lautete die Argumentation für ein persönliches Auftreten der Zeugen: „Die Vernehmung ist auf diese Weise authentischer und das Bild, das sich der Ausschuss von den Zeugen machen kann, ist umfassend.“ Man wolle nicht „auf den persönlichen Eindruck verzichten“, sagte auch der CDU-Abgeordnete Matthias Hauer.   

Was die Auskunftsfreudigkeit der geladenen Zeugen betrifft, machen sich die Ausschussmitglieder zwar keine Illusionen. Aber eine komplette Verweigerungshaltung wollen sie nicht akzeptieren. „Braun wird nicht auf alle Fragen die Antwort verweigern können“, sagt Bayaz.

Braun muss kommen

Das Ergebnis der Auseinandersetzung: Braun wird direkt angehört, Bellenhaus und von Erffa werden per Video zugeschaltet. Möglicherweise spielt dabei eine Rolle, dass diese Beschuldigten stärker mit den Ermittlern kooperieren. Aber für den Ausschuss sind sie auch nicht ganz so wichtig wie Braun. Denn vor allem dieser hatte den Kontakt zur Politik gesucht. Und dazu soll es Fragen und auch Antworten geben. "Dazu ist er auch verpflichtet. Meines Erachtens hat er da keine Wahl", sagt Florian Toncar von der FDP.

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Im Bundestagsausschuss geht es weniger um die möglichen betrieblichen Taten der Wirecard-Manager innerhalb der mutmaßlichen Machenschaften des Konzerns. Das Ziel ist ein anderes, de Masi formuliert es so: „Aufgabe des Ausschusses ist es, politische Verantwortung zu klären und das Aufsichtsversagen in Deutschland aufzuarbeiten, damit sich so ein Fall nicht wiederholt.“

Nachhaken bei der Kontrolle

Und da gehen die Interessen der Fraktionen auseinander. Zwar nennen alle Beteiligten die Sachaufklärung an erster Stelle. Toncar etwa gibt zu Protokoll: „Wir wollen herausfinden, welche Kontrollmechanismen aus welchen Gründen nicht gewirkt haben.“

Hier steht nicht zuletzt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) im Mittelpunkt. Mit ihr aber auch die Bilanzprüfer, im Falle Wirecard das Unternehmen EY – Verantwortliche der Firma sind für den 26. November in den Ausschuss geladen und wurden dafür auch vom Wirecard-Insolvenzverwalter von der Verschwiegenheitspflicht entbunden.

Aber natürlich geht es mit Blick auf die Bundestagswahl auch um Personen. Die Bundesregierung habe sich „nicht gerade mit Ruhm bekleckert und viele falsche Entscheidungen getroffen“, meint Bayaz. „Trotzdem fühlt sich niemand wirklich verantwortlich.

Dieses Bild der kollektiven Unverantwortlichkeit muss der Untersuchungsausschuss aufarbeiten.“ Toncar assistiert: „Politische Verantwortlichkeiten sind bisher völlig unterbelichtet.“ All das zielt vor allem auf einen: Vizekanzler und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Und auch auf seine Führungscrew im Finanzministerium.

Scholz, Altmaier, Seehofer...

Die Sozialdemokraten gehen daher in die Gegenoffensive und haben schon Gründe ausgemacht, weshalb Peter Altmaier und Horst Seehofer ebenfalls in den Ausschuss geladen werden müssten. Der Wirtschaftsminister ist für die Kontrolle der Kontrolleure wie EY verantwortlich – sollte es da Versäumnisse gegeben haben?

Und der Innenminister muss möglicherweise wegen Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden – wegen der Geheimdienst-Connection von Marsalek – in den Ausschuss. Eventuell auch als Ex-Ministerpräsident von Bayern, um zu klären, ob es auch Behördenversagen dort gegeben haben könnte.

... auch Guttenberg. Und Merkel

Und am Ende wird die Kanzlerin auftreten. Denn bei ihrer Peking-Reise vor gut einem Jahr hat Angela Merkel sich für Wirecards Geschäftsinteressen in China eingesetzt, die wiederum im Zusammenhang stehen könnten mit dem mutmaßlichen Betrugskonstrukt der Firma.

Zur Vorbereitung wird am 17. Dezember der erste Politik-Prominente im Ausschuss erscheinen müssen: Ex-Bundesminister Karl Theodor zu Guttenberg hat Wirecard als Lobbyist seine Kontakte ins Kanzleramt und zu Merkel zur Verfügung gestellt.

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