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Das große Vorbild: Die Harry-Potter-Filmserie. Das Bild zeigt Daniel Radcliffe in „Harry Potter und die Kammer des Schreckens“.

© picture-alliance/ dpa

Wird das der neue Spielehype?: Erst Pokemon, jetzt Harry Potter

Das Handyspiel „Harry Potter: Wizards Unite“ will an die Erfolgsserie der Filme anknüpfen. Jetzt ist es auch in Deutschland gestartet.

Die magische Welt von Harry Potter hat längst die hohen Mauern der Zaubererschule Hogwarts hinter sich gelassen und in den letzten 20 Jahren nahezu alle Ecken der modernen Popkultur erobert: Seit der Veröffentlichung des ersten Romans erzählten dutzende Bücher, Filme und Videospiele die fantasievollen Geschichten der Zauberer Harry Potter, Hermine Granger und Ron Weasly, die neue Freundschaften schließen, böse Magier bekämpfen und phantasievolle Kreaturen kennenlernen.

Das Augmented-Reality-Game „Harry Potter: Wizards Unite“ soll dieses Jahr nun ein ganz neues Kapitel dieses popkulturellen Siegeszugs aufschlagen: Hier werden die Spieler selbst zu magiebegabten Hexern und Zauberern, die mit dem Blick auf ihr Smartphone durch die Straßen ziehen, Monster besiegen und wertvolle Gegenstände sammeln, die über die Handykamera in die reale Welt projiziert werden. Mittels Wischbewegungen auf dem Display können Zaubersprüche gewirkt und Gegenstände gesammelt werden, bekannte Figuren wie Harry, Hermine, Ron & Co. stehen dem Spieler dabei als Mentor zur Seite.

Die Technik kam bereits bei Pokemon zum Einsatz

Die Technik hinter dieser Spielidee ist bereits bewährt: 2016 veröffentlichte Niantic in Zusammenarbeit mit The Pokémon Company das AR-Spiel Pokémon GO, das schon kurz nach Veröffentlichung Millionen Spieler begeisterte und monatelang auf der ganzen Welt Menschen durch Städte, Dörfer und Wälder lotste. Trotzdem zweifeln Experten der Tech- und Spielebranche gegenüber dem Tagesspiegel, dass das Entwicklerteam Niantic mit „Harry Potter: Wizards Unite“ an diesen Erfolg nahtlos anknüpfen kann.

Die langjährige Spielejournalistin Petra Fröhlich, die das Branchenmagazin „Gameswirtschaft“ leitet, stellt seit der Ankündigung von „Harry Potter: Wizards Unite“ im vergangenen Jahr ein nur sehr überschaubares Interesse der Spielewelt fest. Es fehle der Hype um das Spiel – und das aus einem ganz bestimmten Grund: „Im Unterschied zu Pokémon Go damals wissen die meisten Nutzer bereits, wie das Produkt grundsätzlich funktioniert. Die Das-muss-ich-dringend-ausprobieren-Neugier wird also zwangsläufig geringer ausfallen.“

Entscheidend ist: Wie viele spielen mit?

Trotzdem betont Fröhlich, dass fehlender Hype nicht unbedingt auch ein Scheitern des AR-Games bedeuten muss. Denn „Harry Potter: Wizards Unite“ vereine alle wichtigen Faktoren, die ein Spiel braucht, um zumindest theoretisch an den Erfolg von Pokémon GO anknüpfen zu können: Eine starke, beliebte und bekannte Marke, globales Marketing, eine als fair empfundene Monetarisierung und vor allem eine technische Infrastruktur, die mit dem Ansturm zurecht komme, wie Fröhlich weiter ausführt: „Insbesondere braucht es eine kritische Masse mit Blick auf die Verbreitung, um genügend Mitspieler im Umfeld hervorzubringen und einen viralen Effekt auf Schulhöfen, an Unis und auf Marktplätzen auszulösen.“ Nur wenige Franchises erfüllen all diese Herausforderungen – der wohl wichtigste Grund, warum seit Pokémon GO vor rund vier Jahren kein zweites AR-Spiel derart erfolgreich war.

Der Radiojournalist Christian Schiffer schließt sich der Einschätzung Fröhlichs an, dass der Neugier-Faktor keine große Rolle mehr spiele. Trotzdem hält er es durchaus für möglich, dass Niantic an den Erfolg von Pokémon GO anknüpfen kann: „Harry Potter als AR-Spiel macht einfach Sinn und viele Kinder werden ihre Eltern dazu drängen, das mit ihnen zu spielen. Die Bücher vermischen ja ohnehin Realität und Fantasie und dazu passt Augmented Reality gut, die die analoge Welt mit digitalen Elementen anreichert.“

Experten sind skeptisch

Der Medienjournalist Robin Schweiger zweifelt allerdings an der Übertragbarkeit der Welt von Harry Potter auf ein Augmented-Reality-Spiel: Während lange Streifzüge auf der Suche nach wilden Pokémon ein wesentlicher Bestandteil der Taschenmonster-Welt ist, spielen ein Großteil der Harry Potter-Geschichten in und um die Zaubererschule Hogwarts. Und das könnte laut Schweiger für das Entwicklerteam zum Stolperstein werden: „Die klassische Harry-Potter-Fantasie ist es, in Hogwarts zu leben und dort in einem magischen Universum Zauberei zu erlernen. Diese Fantasie versucht Wizards Unite gar nicht erst einzufangen, sondern zwängt das Harry-Potter-Universum in ein Pokemon-Go-Korsett.“

Diese Zweifel ergänzt Lisa Fleischer, leitende Redakteurin von „Giga Games“, um einen weiteren, wichtigen Aspekt. Denn anders als noch vor vier Jahren gebe es heute starke Konkurrenz für „Harry Potter: Wizards Unite“ – und die habe sich ausgerechnet das Entwicklerteam mit Pokémon GO selbst geschaffen: „Wenn es einfach schon eine nach heutigem Stand nahezu perfekte Version der AR-Spiele auf dem Markt ist, warum sollte ich dann zur Konkurrenz wechseln – selbst wenn sie in diesem Fall aus dem selben Hause kommt?“ Laut Fleischer müsse „Harry Potter: Wizards Unite“ mit den ständigen Erweiterungen, Updates und Events eines Pokémon GO mindestens mithalten, das seine Spieler wöchentlich mit neuen Herausforderungen motiviert: „Bis das jemand toppen kann – und das wird wirklich eine Mammut-Aufgabe – wird es meiner Meinung nach auch kein ähnlich erfolgreiches AR-Spiel wie Pokémon GO geben.“

Auch in Deutschland können Fans schon spielen

Am Freitag erschien „Harry Potter: Wizards Unite“ in England und Amerika. In Deutschland ging das Spiel überraschend bereits am Wochenende an den Start. Es dauert also wohl noch, bis deutsche Spieler selbst das Spiel ausprobieren dürfen, doch deuten erste Tests und Einschätzungen der Fans, die bereits loslegen durften, einen holprigen Start an: Das Tech-Magazin „Mashable“ kritisiert überladene Menübildschirme und langatmige Animationen, die das Spielerlebnis unnötig verlangsamen und viel Akkuspeicher verbrauchen. Die Tester bemängeln außerdem zu simple und daher wenig befriedigende Spielmechaniken, wie das Wischen auf dem Smartphone-Display, um Zaubersprüche zu erwirken. Die ersten Spielermeinungen teilen diese Einschätzungen: Auf der Diskussionsplattform Reddit häufen sich irritierte Nachfragen und Kritik, die sich um Spielmechaniken und Design der App drehen.

Die nächsten Wochen werden zeigen, wie schnell die Entwickler das Feedback der Community umsetzen können, um das Spiel für die Veröffentlichungen in den übrigen Ländern vorzubereiten. Der Hype um das Spiel mag fehlen und sich auch erste Startschwierigkeiten abzeichnen. Völlig abschreiben sollten Spieler und Kritiker dieses neue Augmented-Reality-Game allerdings noch nicht, denn die Strahlkraft des beliebten Franchises ist weiterhin stark, wie Medienjournalist Robin Schweiger sich erinnert: „Die Möglichkeit, eine neue Geschichte mit einem erwachsenen Harry Potter abseits diverser Theater-Bühnen zu erleben, sollte man nicht unter Wert verkaufen.“

Dominik Schott

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