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In großer Gefahr. Der Bauernverband möchte hierzulande 70 Prozent aller Wildschweine töten.

© dpa

Wildschweine: Zum Abschuss freigegeben

Die Politik will massenhaft Wildschweine töten lassen, um die Schweinepest zu verhindern. Doch das ist gar nicht so leicht.

Deutschland erklärt seinen Wildschweinen den Krieg. Um das Land vor der Afrikanischen Schweinepest zu schützen, macht der Staat mobil. Am Mittwoch beschloss das Bundeskabinett, die Schonzeiten für Wildschweine aufzuheben. Die Tiere dürfen nun ganzjährig gejagt werden. Nur Bachen mit Frischlingen bleiben verschont. Brandenburg will sich gar mit dem Kriegswaffenkontrollgesetz anlegen und Jägern den Einsatz von Nachtzielgeräten und künstlicher Beleuchtung erlauben. Und auch für den Ernstfall hat sich das Land vorbereitet: Saufänger – Fallen – sind bereits angeschafft, Container für Kadaver stehen bereit, und auch der Einsatz von Berufsjägern ist geplant.

Das Virus in der Nachbarschaft

Der Ernstfall ist das, was Bauern und Politiker am meisten fürchten: der erste Fall von Afrikanischer Schweinepest in Deutschland. Noch ist es nicht so weit, aber das Virus, das ursprünglich aus Afrika kommt, rückt näher. In Polen und Tschechien hat es bereits Fälle gegeben, die Epidemie ist nur noch 300 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt.
Dem Menschen kann der Erreger nichts anhaben, für Schweine ist er aber tödlich. Die Ansteckung erfolgt von Schwein zu Schwein, aber nicht nur: Der größte Risikofaktor ist der Mensch. Wurst- oder Mettbrötchen mit infiziertem Fleisch, die an Raststätten oder am Straßenrand weggeworfen werden und von Wildschweinen gefressen werden, können diese krank machen. Von den Wildschweinen kann das Virus auf Hausschweine überspringen.
Für die Schweinehalter wäre das der Alptraum. Sobald ein Schwein infiziert ist, muss der gesamte Bestand getötet und die Kadaver müssen in Tierkörperbeseitigungsanlagen vernichtet werden. Um den betroffenen Betrieb werden Quarantäne- und Beobachtungszonen von drei bis zehn Kilometern gezogen, aus denen weder die Tiere noch deren Fleisch oder Wurst herausgebracht werden darf. Besonders für die Riesenmastbetriebe in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen wäre das Einschleppen der Pest eine wirtschaftliche Katastrophe.

Ganzjährig Schweine Abschießen

Um das zu verhindern, sollen nun möglichst viele Wildschweine zur Strecke gebracht werden. Die „ganzjährige Bejagung“ solle eine „erhebliche Ausdünnung der Schwarzwildpopulation“ ermöglichen, heißt es in der Kabinettsvorlage. Je weniger Schweine, desto geringer die Gefahr der Übertragung. Tierschützer finden das unfair und protestieren, aber ohne Erfolg. An diesem Montag will der einstige Verteidigungspolitiker, Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU), über seine Strategie informieren. Dabei läuft der Kampf bereits auf Hochtouren. Neben der ganzjährigen Jagd sollen Abschuss- oder Auffindprämien die Jäger dazu motivieren, mehr Schweine abzuschießen oder tote Tiere zu bergen. Fast alle Länder planen das, einige zahlen bereits. Die Konditionen sind unterschiedlich, die Prämien reichen von 20 bis 50 Euro pro Tier. Gut 220000 Euro hat Mecklenburg-Vorpommern den Jägern seit Dezember bereits gezahlt, hinzu kommen gut 12200 Euro, mit denen der Einsatz der Jagdhunde entgolten wird, die Schonzeiten sind in dem Küstenland schon lange aufgehoben. Die Maßnahmen scheinen zu wirken. Erste Meldungen hat die Landesregierung für Flächen, die von der Forstverwaltung für die Jagd genutzt werden. Dort hat man seit Jahresanfang eine Steigerung der Abschüsse feststellen können, heißt es im Agrarministerium.

Die meisten Schweine gibt es in Brandenburg

70 Prozent der Wildschweine will der Bauernverband hierzulande töten lassen. Wie viele Tiere in Deutschland leben, hängt von der Jahreszeit ab. Im Herbst sind es 900 000 bis eine Million, nach der Jagdzeit sind es deutlich weniger. Knapp 590 000 Wildschweine sind im abgelaufenen Jagdjahr 2016/2017 deutschlandweit erlegt worden. Mecklenburg-Vorpommern lag mit rund 60 700 getöteten Schweinen auf Platz drei, hinter Hessen und dem absoluten Wildschweinland Nummer eins, Brandenburg. Aus Brandenburg und Hessen gibt es keine aktuellen Jagdzahlen, dafür eine Ansage: „Die Jäger haben sich sehr bemüht“, betont der Sprecher des Brandenburgischen Agrarministeriums, Jens-Uwe Schade.

Die Jäger warten auf Vollmond

Doch trotz der staatlichen Aufforderung zum Töten ziehen sich die Wildschweine bislang noch recht gut aus der Affäre. Dabei helfen ihnen die Natur, ihre Intelligenz und die Fruchtbarkeit. Weil die Bachen nun Frischlinge haben und trotz der Wildschweinpest nicht abgeschossen werden dürfen, sind seit Ende Januar Drückjagden mit Hunden und Treibern verboten. Stattdessen muss der Jäger auf dem Hochsitz warten, bis Beute auftaucht. Aber auch dann darf er nicht einfach schießen, sondern er muss das Schwein „ansprechen“, aus der Jägersprache übersetzt heißt das: „Der Jäger muss sicher sein, welches Geschlecht das Tier hat“, sagt Jagdverbandssprecher Torsten Reinwald auf Anfrage. Das ist in diesen Tagen allerdings nicht so leicht, weil der Mond fehlt. Erst am 2. März ist wieder „Schwarzwildsonne“, wie die Jäger den Vollmond nennen. Bis dahin ist die Jagd schwierig.

Bachen dürfen nicht geschossen werden

Auch der Mutterschutz macht den Jägern zu schaffen. Bachen mit Frischlingen, die nicht älter als vier Monate sind, dürfen nicht getötet werden. „Mit vier Monaten sind die Jungen aber schon geschlechtsreif“, sagt Reinwald. Wildschweine sind fruchtbar, finden fast überall Futter, vermehren sich rasant – und sind schlau. Sobald Mais und Raps in die Höhe schießen, ziehen sich viele der Tiere auf die Felder zurück – unsichtbar für die Jäger, weil die Bauern keine Jagdschneisen in ihre Felder schlagen. Auch Auen und Schilfwälder sind beliebte Verstecke für die Schwarzkittel, in vielen Naturschutzgebiete ist die Jagd verboten. „Wir werden der Lage nicht Herr“, sagt Reinwald. Wie der Krieg Mensch gegen Schwein ausgeht, bleibt abzuwarten.

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