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Viele Expats arbeiten von Co-Working-Spaces aus.

© promo

„Wie in der Steinzeit“: Deutschland schneidet bei internationalen Fachkräften nur mittelmäßig ab

Unter ausländischen Arbeitnehmern ist Deutschland laut einer neuen Studie nur mittelmäßig beliebt. Dazu tragen mangelhafte Digitalisierung und Bürokratie bei.

Bloß nichts wegschmeißen, jedes Dokument horten. Das hat Alyona Chizhik in deutschen Amtszimmern gelernt. Vor acht Jahren zog sie von Russland her, ist heute bei dem Umzugs-Start-up Movinga im Marketingteam. Eine ihrer Kolleginnen kommt ursprünglich aus Schweden und hat sich ebenfalls an sie gewöhnt, die berüchtigte Bürokratie in diesem Land. Sogar daran, dass es Kurse gibt, in denen der Mensch lernt, wie er seine Steuererklärung absolut korrekt macht. 

Wie Arbeitnehmer aus dem Ausland Deutschland wahrnehmen: Das zeigt nun eine Umfrage von Internations – einem globalen Netzwerk für Hochqualifizierte, die für eine Weile in einem anderen Land arbeiten und leben. Zum sechsten Mal hat das Unternehmen gefragt, wie wohl sie sich in ihrer neuen Heimat fühlen. Was dort besser und was schlechter funktioniert. Mehr als 20.000 Fach- und Führungskräfte antworteten. Im Vergleich von 64 Ländern belegt Deutschland dabei einen mittelmäßigen 33. Platz. Das ist etwas besser als im vergangenen Jahr, aber seit 2014 nahm die Attraktivität zuvor jedes Jahr weiter ab. 

Die Arbeitswelt ist für die Fach- und Führungskräfte der größte Vorzug: In diesem Bereich werden nur Luxemburg, Tschechien und Vietnam besser bewertet. Neun von zehn der Befragten sind mit der Wirtschaftslage in Deutschland zufrieden. Die deutliche Mehrheit hält seinen Job für sicher, mag die geregelten Arbeitszeiten, die Balance zwischen dem Job und anderen Lebensbereichen. Ein Franzose schreibt etwa, Deutschland sei ein exzellenter Ort, „mit vielen Möglichkeiten, einen Job zu bekommen und Geschäfte zu machen“. Auch die beiden Mitarbeiterinnen bei Movinga hatten keine Probleme. Für die Karriere scheint Deutschland eine passende Wahl zu sein.

Eingewöhnung in Deutschland ist sehr schwer

Bei der Lebensqualität gehört Deutschland ganz knapp zum besten Drittel. 88 Prozent der ausländischen Fach- und Führungskräfte loben die Verkehrsinfrastruktur und die Reisemöglichkeiten, die sich daraus ergeben. So schätzt es ein Amerikaner sehr, dadurch auch andere schöne Länder in Europa besuchen zu können. Besser als anderswo bewertet die Mehrheit den Zustand der Umwelt und der medizinischen Versorgung. Nur einer von fünf sogenannten Expats ist unzufrieden mit den Lebenshaltungskosten. Über alle Länder hinweg bemängelt das jeder Dritte. Das Wetter ist hingegen kein Werbemittel.

Was peinlich ist? Die digitale Infrastruktur. Hier zählt Deutschland wie im Jahr zuvor zu den zehn Ländern mit den schlechtesten Bewertungen. „Wie in der Steinzeit“, lautet ein Zitat. 39 Prozent geben an, dass es schwierig ist, in Deutschland ohne Bargeld auszukommen. Das ergibt den vorletzten Rang. Nur 26 Prozent finden es sehr leicht, zu Hause Zugang zu schnellem Internet zu bekommen – deutlich weniger als im Durchschnitt. Meistens ziehen US-Amerikaner, Briten, Inder, Italiener und Türken her. Die Deutschen zieht es wiederum in die USA, nach Großbritannien, in die Schweiz, nach Spanien und China

Sehr kritisch ist auch, dass es nur vier Länder gibt, in denen es noch härter ist, sich einzugewöhnen. Das sind von hinten aufgezählt Kuwait, Dänemark und Österreich. Die meisten finden es sehr schwer, die deutsche Sprache zu lernen – und ohne kämen sie viel schlechter zurecht als anderswo. Der Mehrheit hat außerdem enorme Probleme, deutsche Freunde zu finden. Auch das sei in vielen anderen Teilen der Welt leichter, vor allem in Mexiko. Nur knapp die Hälfte beschreibet die deutsche Bevölkerung als freundlich, verglichen mit einem Durchschnittswert von 68 Prozent. Lediglich zwölf Prozent sind der Meinung, dass die Einstellung der Deutschen gegenüber Ausländern herzlich sei.

Die AfD schreckt inzwischen Menschen ab

Dies deckt sich mit vielen Aussagen in einer Facebook-Gruppe, in denen sich Arbeitnehmer austauschen, die für ihren Job aus einem anderen Land nach Berlin gezogen sind. Häufige Kritikpunkte sind die Bürokratie, das pedantische Pochen auf Regeln – und die Unfreundlichkeit der Deutschen, die Abwehrhaltung gegenüber Fremdem. In dem Kontext wird auch die AfD thematisiert.

Eine Italienerin überlegt, lieber nach Frankreich zu gehen. Es sei zu hart, sich hier ein soziales Umfeld zu schaffen. Sie habe es viele Jahre versucht. „Ich vermisse es, von entspannten, spontanen, netten Leuten umgeben zu sein“, postet sie. Was viele nachvollziehen können. Auch andere Gruppenmitglieder sagen, ihnen fehle das Miteinander, das Gemeinschaftliche. In Deutschland seien viele auf sich selbst fokussiert.

Besser könnte auch die Haltung gegenüber Familien sein. Eltern bemängeln die fehlende Kinderfreundlichkeit und zu wenige Betreuungsmöglichkeiten, sehen aber auch Gutes. „Ich mag die Sicherheit, die Gesundheit, das Bildungssystem. Die Möglichkeit, dass meine Kinder hier eine bessere Zukunft haben können“, schreibt ein Teilnehmender - und stellt damit das Mehrheitsbild dar.

Über alle Länder hinweg bewerten Fach- und Führungskräfte Taiwan (1. Platz), Vietnam und Portugal weltweit am besten. Während Expats in Taiwan und Portugal mit der Lebensqualität sehr zufrieden sind, schätzen die Studienteilnehmer in Vietnam vor allem die Art zu arbeiten. Am unteren Ende des Gesamtrankings liegen Kuwait (64. Platz), Italien (63.) und Nigeria. In Kuweit ist die Eingewöhnung aus Sicht der Befragten extrem anstrengend. Italien bekommt die weltweit schlechtesten Beurteilungen für die Jobmöglichkeiten. Nigeria weist die niedrigste Lebensqualität auf.

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