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Was ist drin: Dioxin in Eiern, Ehec in Sprossen – mit dem neuen Gesetz reagiert die Politik auf die Lebensmittelskandale der vergangenen Jahre.

© Kai-Uwe Heinrich

Wie Behörden informieren: Das große Chaos

Das neue Verbraucherinformationsgesetz soll mehr Transparenz bringen. In Berlin ist das Gegenteil passiert. Hier hat das Gesetz für maximale Verwirrung gesorgt. Dabei tritt es erst am 1. September in Kraft.

Selten hat ein Gesetz für so viel Chaos gesorgt, bevor es überhaupt in Kraft getreten ist. Das neue Verbraucherinformationsgesetz (VIG) verbiete es dem Senat, die Bürger wie bisher im Internet über die Hygiene in den Restaurants der Stadt zu informieren, hieß es in der Senatsverwaltung für Verbraucherschutz. Das war am vergangenen Donnerstag. Am Freitag, nachdem der Tagesspiegel über die Pläne berichtet hatte, machte Verbraucherschutzsenator Thomas Heilmann (CDU) eine überraschende Kehrtwendung. Die Seite „Sicher essen in Berlin“ bleibt wie sie ist, ließ Heilmann mitteilen. Die Senatsverwaltung, hieß es plötzlich, halte auch nach Inkrafttreten des VIG die „rechtlichen Rahmenbedingungen für gegeben, um Verbraucherinnen und Verbraucher in Berlin wie bisher über das Ergebnis von Restaurantkontrollen zu informieren“.

Matthias Wolfschmidt, stellvertretender Geschäftsführer von Foodwatch, wundert sich nicht. Das Chaos sei bereits im Gesetz angelegt, meint er. Denn dort sei nur von „Erzeugnissen“ die Rede, über die die Behörden Auskunft geben dürfen, nicht aber vom Produktionsprozess. Darüber war man auch in Berlin gestolpert. „Erzeugnisse“, so hatte man befürchtet, wären nur die Pizza oder das Steak. Wie es aber einen Schritt davor – in der Küche – zugehe, sei vom VIG nicht erfasst. Das sieht Heilmann jetzt offensichtlich anders. Dennoch fordert Foodwatch Konsequenzen: „Wir brauchen eine redaktionelle Klarstellung im Gesetz“, sagte Wolfschmidt dem Tagesspiegel. Auch „Dienstleistungen wie das Inverkehrbringen, Herstellen und Behandeln“ von Lebensmitteln sollten ausdrücklich unter das VIG fallen.

Der Ärger in Berlin rückt das neue Gesetz, das am 1. September in Kraft tritt, in ein schiefes Licht. Zu Unrecht, findet Cornelia Tausch vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV). „Das Gesetz verbessert vieles“, meint die Verbraucherschützerin. Vorteile für die Verbraucher sieht auch Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU). „Sie bekommen durch das neue VIG mehr Informationen und schnellere Auskünfte, in der Regel kostenfrei“, sagte Aigner dem Tagesspiegel. Bürger hätten nun die Möglichkeit, „bei konkreten Anliegen eine konkrete Behördenauskunft zu bestimmten Produkten zu erhalten.“

Das neue, geänderte VIG ist eine Reaktion auf die Lebensmittelskandale der vergangenen Jahre. Es erleichtert den Behörden, die Bürger öffentlich vor schwarzen Schafen zu warnen. Zudem können sich die Verbraucher leichter und schneller Informationen bei den Ämtern besorgen als heute. „Ich möchte die Verbraucher ermuntern, die verbesserten Informationsrechte aktiv zu nutzen“, betonte Aigner.

Dennoch gibt es auch Kritik an dem neuen Gesetz. So werden Finanzdienstleistungen wie Kredite, Versicherungen oder Kapitalanlagen nicht erfasst, bemängelt Verbraucherschützerin Tausch. Und auch in Sachen Hygienekennzeichnung – Restaurantampel, Smiley oder Kontrollbalken – ist noch einiges zu tun, finden die Verbraucherminister der Länder. Auf der Verbraucherministerkonferenz Mitte September will Nordrhein-Westfalen einen letzten Anlauf für eine bundesweite Lösung machen. Sollte sich keine Mehrheit finden, soll Aigner aufgefordert werden, per Gesetz regionale Kennzeichnungen – wie in Berlin – zuzulassen.

Im Bundesverbraucherministerium zeigt man sich offen für diese Idee. Ländern, die eine verpflichtende Veröffentlichung der Kontrollergebnisse einführen wollen, werde das Ministerium „nicht im Wege stehen und gegebenenfalls für die notwendige Klarstellung im Gesetz sorgen“, betonte eine Sprecherin auf Anfrage. Nötig hält man eine solche Regelung allerdings nicht. Es gebe bereits jetzt und auch künftig die Möglichkeit für jedes Bundesland, die Kontrollergebnisse der Lebensmittelüberwachung für Gaststätten und andere Betriebe sichtbar im Internet zu veröffentlichen. Der Berliner Senatsverwaltung habe man das übrigens in der Vergangenheit mehrfach mitgeteilt. Jetzt scheint es angekommen zu sein.

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