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Hoffnung für den Hering: In der Ostsee darf der Hering nur noch als Beifang verwendet dürfen.

© dpa/Stefan Sauer

Weniger Seelachs, mehr Hering: Neue Fangquoten für Nordsee und Atlantik

Cem Özdemir hatte seinen ersten internationalen Auftritt als Agrarminister. Für einen Fisch hat er besonders stark gekämpft.

Bliebe der Hering doch nur zu Hause in der Ostsee, aber das tut er nicht. Sehr zum Verdruss der deutschen Ostseefischer. Weil der westliche Ostseehering vom Aussterben bedroht ist, dürfen die Fischer an den deutschen Ostseeküsten nämlich nicht mehr gezielt nach ihrem einstigen Butter-und-Brot-Fisch fischen.

Das hatten die EU-Agrarminister im vergangenen Oktober beschlossen. Für die Fischer in Mecklenburg-Vorpommern war das ein schwerer Schlag, denn zugleich wurde ihnen auch das gezielte Fischen nach dem Dorsch untersagt. Nur noch als Beifang zur Sprotte, Seezunge oder der Flunder dürfen diese Tiere noch in den Netzen liegen.

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Das Problem: Der Ostseehering bleibt nicht im Osten, sondern wandert zum Fressen nach Westen. Im Kattegat, das zwischen Dänemark und Schweden liegt, und im nördlicher gelegenen Skagerrak zwischen Norwegen, Dänemark und Schweden vermischt sich der Ostsee- mit dem (häufig vorkommenden) Nordseehering – und landet dort in den Netzen der Nordseefischer, sehr zum Ärger der Kollegen aus dem Osten.

Ein großes Problem, das der neue Agrar- und Fischereiminister Cem Özdemir (Grüne) bei seinem ersten, internationalen Auftritt im neuen Amt lösen musste.

Sein erster internationaler Einsatz: Cem Özdemir hat als deutscher Agrarminister für die Fischer verhandelt.
Sein erster internationaler Einsatz: Cem Özdemir hat als deutscher Agrarminister für die Fischer verhandelt.

© imago images/Arnulf Hettrich

Verhandlungen über Fangquoten sind traditionell schwierig. Am Montag trafen sich die EU-Minister, in der Nacht zum Dienstag verhandelten sie durch. Die EU-Staaten legen jedes Jahr Gesamtfangmengen für bestimmte Gewässer fest.

Die Vorlage liefert die EU-Komission, die sich auf wissenschaftliche Empfehlungen stützt. Damit soll verhindert werden, dass bestimmte Arten überfischt und so vom Aussterben bedroht werden. Auf Basis der Gesamtmenge werden dann Quoten für die einzelnen Länder festgelegt.

Deutsche dürfen weniger Schollen und Seelachs fangen

Für Deutschland bedeutet das: Die deutschen Fischer dürfen in der Nordsee im nächsten Jahr weniger Schollen (minus zehn Prozent) und Seelachs (minus 25 Prozent) fangen, beim grönländischen Rotbarsch sinkt die deutsche Quote um ein Drittel, im Nordostatlantik dürfen neun Prozent weniger Makrelen gefischt werden. Aufgestockt wird dagegen beim Hering.

Hier dürfen die deutschen Fänge in der Nordsee ab Januar nächsten Jahres um 22 Prozent auf 41.155 Tonnen zulegen. Aber: Im Skagerrak und im Kattegat werden die tatsächlichen Fangmengen für Hering drastisch gesenkt, um den Ostseehering zu schonen.

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„Beim Hering hat Deutschland viel Druck gemacht“, lobt Valeska Diemel, Fischereiexpertin beim Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND). Einen ähnlichen Erfolg hätte sie sich beim Kabeljau gewünscht, doch das ist nicht passiert.

Die von den Wissenschaftlern empfohlene Fangmenge wird für 2022 EU-weit um 11,5 Prozent überschritten – „das ist ein klarer Verstoß gegen die Regeln der gemeinsamen Fischereipolitik“, ärgert sich die Umweltschützerin. Für die deutschen Fischer sinkt die Fangquote beim Kabeljau leicht um zwei Prozent.

Proteste: Klimaaktivisten der Organisation Ocean Rebellion demonstrieren vor der Europäischen Kommission gegen die Überfischung der Meere.
Proteste: Klimaaktivisten der Organisation Ocean Rebellion demonstrieren vor der Europäischen Kommission gegen die Überfischung der Meere.

© dpa/Nicolas Maeterlinck

„Auch wenn wir uns beim Kabeljau ein etwas ambitioniertes Vorgehen zur Bestandserholung gewünscht hätten, ist es insgesamt ein ausgewogener Kompromiss“, sagte Özdemir am Dienstag. Die Einschränkungen im Skagerrak und Kattegat seien „ein wichtiges Signal für unsere Ostseefischerei“.

Die Konflikte mit Großbritannien sind noch nicht gelöst

Auch wenn sich die EU-Minister nun auf Fangquoten für die Nordsee und den Atlantik geeinigt haben, bleibt ein heißes Eisen noch ungelöst: eine Einigung mit Großbritannien für Bestände, die gemeinsam mit der EU genutzt werden.

Eine entsprechende Frist läuft am 20. Dezember aus, doch die Situation ist schwierig. Zwischen Frankreich und Großbritannien hat sich ein wahrer Fischereikrieg entwickelt. Sollte es keine Einigung geben, gibt es eine Übergangsregelung – allerdings gilt diese nur für die ersten drei Monate des nächsten Jahres.

Wer Wert auf nachhaltigen Konsum legt, sollte nach Meinung Diemels an den Festtagen übrigens keinen Meeres-, sondern einen heimischen Süßwasserfisch servieren: den Karpfen – möglichst aus der Region und Bio. Dann ist seine Ökobilanz unschlagbar gut.

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