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Mehr Home Office könnte vielen Arbeitnehmern viele Kilometer auf der Autobahn ersparen.

© picture alliance / Daniel Naupol

Weniger Pendeln: Wie viel CO2 Deutschland mit mehr Home Office sparen könnte

Zu Hause bleiben und das Klima schützen: Eine Studie zeigt, wie das Home Office Verkehr reduziert. Die FDP will einen Rechtsanspruch nach Vorbild der Niederlande.

Mehr Arbeit im Home Office kann einen Beitrag zum Klimaschutz leisten: Wenn zehn Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland einen Tag in der Woche von zu Hause arbeiten würden, könnten rund 4,5 Milliarden Kilometer an Pendlerstrecke und etwa 850 Millionen Kilogramm C02 pro Jahr eingespart werden. Bei 20 Prozent wären es schon 1,7 Milliarden Kilogramm.

Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa), das dem Tagesspiegel vorliegt. Durch mobile Arbeit seien „enorme Einsparpotenziale in Bezug auf CO2, Fahrtzeit, Spritkosten und Abnutzung des Autos zu erwarten“, sagt Institutsdirektor Sascha Stowasser. Sowohl in ländlichen Regionen wie auch in Ballungsgebieten könne so der CO2-Ausstoß verringert werden.

In dem 69-seitigen Gutachten, das im Auftrag der FDP-Bundestagsfraktion erstellt wurde, verweisen die Autoren auf Daten des Statistischen Bundesamts. Danach nutzt die Mehrheit der Arbeitnehmer das Auto als Verkehrsmittel, um zur Arbeit zu fahren (knapp 68 Prozent). Im Jahr 2016 lag die durchschnittliche Pendelentfernung in Deutschland bei rund 17 Kilometern.

Mehr Home Office und weniger Autofahrten würden den Ausstoß der Treibhausgase spürbar verringern, rechnen die Autoren vor. „Eine modernere Arbeitswelt könnte auch einen Beitrag für den Umweltschutz in Deutschland leisten“, sagt der FDP-Arbeitsmarktexperte Johannes Vogel. Über diese Chancen werde noch zu wenig diskutiert.

Aktuelles Arbeitszeitgesetz "realitätsfremd"

In den vergangenen Jahren hat mobiles Arbeiten an Bedeutung gewonnen, doch im europäischen Vergleich hinkt Deutschland hinterher: So zeigen Daten des Statistischen Amts der Europäischen Union, dass Deutschland weit hinter den Spitzenreitern Dänemark, Schweden, Finnland und den Niederlanden liegt. Der Anteil an mobilen Computerarbeitsplätzen ist in diesen Ländern etwa doppelt so hoch.

Ein 'Recht' auf Homeoffice sollte es meiner Meinung nach [...] nicht pauschal geben. Bei vielen Branchen (Einzelhandel, Gastronomie etc.) stellt sich die Frage erst gar nicht, in Grenzfällen sollte jeder Betrieb selbst entscheiden dürfen, ob er das anbietet oder nicht.

schreibt NutzerIn Boateng17

Dabei wünschen sich auch hierzulande viele Arbeitnehmer, freier über ihre Arbeitszeiten und den Arbeitsort bestimmen zu können, wie eine Studie des IT- Branchenverbands Bitkom aus dem Jahr 2019 zeigt. Danach befürwortet rund die Hälfte (45 Prozent) der Befragten ein mögliches Recht auf Homeoffice. Einen solchen Rechtsanspruch würde auch Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gerne durchsetzen. Doch sein Koalitionspartner, die Union, sperrt sich bisher. Der FDP-Abgeordnete Vogel schlägt stattdessen einen Home-Office-Anspruch nach niederländischem Vorbild vor. Hier sind Arbeitgeber verpflichtet, einen entsprechenden Antrag des Arbeitnehmers ernsthaft zu prüfen. Tun sie das nicht, verändert sich dessen Arbeitsplatz automatisch.

Der FDP-Politiker Johannes Vogel nennt die aktuellen gesetzlichen Arbeitzeitregelungen "realitätsfremd".
Der FDP-Politiker Johannes Vogel nennt die aktuellen gesetzlichen Arbeitzeitregelungen "realitätsfremd".

© dpa

Dort wo Home Office sinnvoll sei, solle es auch möglich gemacht werden, verlangt FDP-Fraktionsvize Vogel. Gleichzeitig sei eine Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes überfällig. „Warum können Eltern nicht einmal am Nachmittag das Büro verlassen, Zeit mit den Kindern verbringen und am Abend nochmal E-Mails beantworten?“, fragt Vogel. Wer heute um 22 oder 23 Uhr eine dienstliche Mail auch nur lesen wolle, dürfe laut Arbeitszeitgesetz am nächsten Tag das Diensthandy nicht vor zehn Uhr wieder anfassen.

Das sei „realitätsfremd“, das Gesetz werde heute jeden Tag und wahrscheinlich millionenfach gebrochen, kritisiert der FDP-Politiker. Niemand solle mehr arbeiten oder weniger Pausen machen. Doch künftig müsse eine freiere Einteilung von Arbeitszeiten unter der Woche möglich werden.

Ich halte von der FDP im Allgemeinen wenig bis gar nichts, aber hier bin ich voll deren Meinung. Die Arbeitsrealität sieht mittlerweile einfach anders aus, als das Gesetz es abbildet.

schreibt NutzerIn softride

Mobiles Arbeiten braucht klare Regeln

Auch wenn viele Arbeitnehmer sich wünschen, häufiger von zu Hause zu arbeiten, zeigen Studien auch die Risiken der mobilen Arbeit. Wenn Arbeit und Privatleben zunehmend verschmelzen, kann das dazu führen, dass die Beschäftigten zu Hause schwerer abschalten. Gewinne hinsichtlich Flexibilität, Autonomie und Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben stünden neuen Anforderungen gegenüber, „die sich in Entgrenzungsphänomenen niederschlagen und insbesondere auch psychische Belastungen zur Folge haben können“, heißt es etwa in einem Bericht des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag.

Doch unter dem Strich überwiegen nach Ansicht von Studienautor Stowasser die Vorteile. „Die Beschäftigten empfinden den geringeren Aufwand des Pendelns zum Arbeitsplatz, die bessere Vereinbarkeit zwischen Arbeitszeit und Privatleben sowie die gespürte bessere Qualität der Arbeitsblöcke als wichtige positive Errungenschaft der mobilen Arbeit“, sagt der Wissenschaftler.

Risikofaktoren wie die schleichende Ausweitung von Arbeitszeit und unbezahlter Arbeit ließen sich schon heute durch betriebliche Regelungen reduzieren. So verweist das Gutachten zum Beispiel auf den Tarifvertrag zum mobilen Arbeiten in der Metall- und Elektroindustrie, der Rahmenregelungen für Beschäftigte vorsieht, die zeitweise oder regelmäßig außerhalb des Betriebes tätig werden. Stowassers Fazit: „Flexibles Arbeiten mit freier Zeit- und Ortswahl erfordert klare Strukturen.“ Planbarkeit und verbindlichen Absprachen gehören dazu.

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