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Wohin die Reise für die Banken geht, ist offen.

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Wegen steigender Insolvenzen im Herbst: Droht Deutschland eine Bankenkrise?

Experten sagen für Herbst eine Pleitewelle voraus. Für Banken bedeutet das Kreditausfälle. Wie gut sie das wegstecken können, ist umstritten.

Von Carla Neuhaus

Am Ende waren die Verlust einfach zu hoch, zu viele Veranstaltungen sind abgesagt worden. Sarah Wiener hat für ihre Restaurants und ihren Catering-Service Insolvenz angemeldet. „Wir sind ein bisschen gelähmt und ratlos“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Glaubt man Experten dürften sich Fälle wie ihrer demnächst noch häufen – mit enormen Folgen für die Wirtschaft und die Banken.

Dem Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) zufolge berichten derzeit 40 Prozent der Betriebe von Liquiditätsenpässen: Ihnen fällt es also schwer, ihre Rechnungen zu begleichen. Jedes zehnte Unternehmen sieht sich deshalb schon von der Pleite bedroht. Richtig ernst wird es ab Herbst. Denn noch sind die Firmen von der Pflicht befreit, bei Zahlungsunfähigkeit sofort Insolvenz anzumelden. Ende September aber soll diese Sonderregelung auslaufen. „Wir befürchten im Herbst eine Insolvenzwelle dramatischen Ausmaßes“, sagt deshalb DIHK-Präsident Eric Schweitzer.

Der Kreditversicherer Euler Hermes rechnet für Deutschland in diesem und dem nächsten Jahr mit einem Anstieg der Insolvenzen um zwölf Prozent. Das hieße: 21000 Betriebe würden pleite gehen. Konsequenzen hätte das nicht nur für die Unternehmen und ihre Beschäftigen. Auch für die Banken, die den Unternehmen Kredite gewährt haben, wäre es dramatisch. Denn sie bekämen einen Großteil des geliehenen Geldes nicht zurück. „Wir müssen damit rechnen, dass das noch ernsthafte Probleme gibt“, sagt Michael Peters von der Bürgerbewegung Finanzwende. Er fürchtet: „Eine Insolvenzwelle im Herbst kann eine neue Bankenkrise auslösen.“

Kredite fallen aus

Weltweit rechnet die Ratingagentur S&P für dieses Jahr bereits mit Kreditausfällen in Höhe von 2,1 Billionen Dollar. Im kommenden Jahr könnten weitere 1,3 Billionen Dollar dazukommen. Auch die deutschen Banken müssen sich laut der Finanzaufsicht Bafin darauf einstellen, dass einige ihrer Kunden pleite gehen. „Größere Kreditausfälle können durchaus noch auftreten“, sagte Bafin-Chef Felix Hufeld. „Ich rechne damit, dass dies in diesem und den kommenden Jahren in Wellen geschehen wird.“

„Größere Kreditausfälle können durchaus noch auftreten“, sagte Bafin-Chef Felix Hufeld.
„Größere Kreditausfälle können durchaus noch auftreten“, sagte Bafin-Chef Felix Hufeld.

© Mike Wolff

Die Banker selbst geben sich derzeit noch gelassen. „Wir haben ein gutes Frühwarnsystem“, sagte kürzlich etwa Marija Kolak, Präsidentin des Bundesverbands der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) in einem Interview. „Momentan steht keine Ampel auf Rot.“ Allein die die Genossenschaftsbanken haben derzeit für Kredite in Höhe von 15,7 Milliarden Euro Zahlungsaufschübe gewährt. Das klingt viel, entspricht allerdings nur 2,7 Prozent des gesamten Kreditvolumens. Bei den anderen Banken sieht es ähnlich aus. Bei den Sparkassen etwa haben derzeit 366600 Kunden Zahlungen zurückgestellt.

Doch wie schlimm wird es, wenn Firmen reihenweise pleite gehen sollten? Wenn die Banken Kreditraten nicht nur stunden müssen, sondern ihr Geld gar nicht mehr zurückbekommen?

„Die Kreditausfälle könnten Deutschlands Banken so schwer belasten, dass diese selbst in Existenznot geraten“, meinen die Ökonomen vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH). Für ihre Analyse haben sie die Kennzahlen von mehr als einer halben Million deutscher Unternehmen mit den Bilanzdaten von über 1000 deutschen Banken verknüpft. Im schlimmsten Fall, so das Ergebnis, könnten hunderte Geldhäuser in Schwierigkeiten geraten. IWH-Präsident Reint Gropp warnt: „Selbst wenn es für die deutsche Wirtschaft sehr gut läuft, halten wir eine neue Bankenkrise für wahrscheinlich.“ Auch bei einer schneller Erholung der Wirtschaft, könnten demnach dutzende Geldhäuser in Schwierigkeiten geraten.

Vor allem Regionalinstitute könnte es treffen, heißt es beim IWH.
Vor allem Regionalinstitute könnte es treffen, heißt es beim IWH.

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Anders als nach der Finanzkrise, als vor allem die großen Banken Probleme bekamen, könnte es diesmal insbesondere die regionalen Häuser treffen. Denn sie vergeben vor allem an kleine Firmen Kredite. Und die gehörten häufiger solchen Branchen an, die vom Shutdown betroffen waren, argumentiert das IWH. Gingen sie pleite, würde das den Regionalinstituten sehr schaden.

Die Banken halten die Kritik für verfehlt

Beim Ostdeutschen Sparkassenverband hält man die IWH-Studie allerdings für überzogen. „Es ist das wiederholte Mal, dass das IWH mit sensationsartigen Meldungen versucht, die reale Lage der Sparkassen schlechtzureden“, sagt Verbandspräsident Michael Ermrich. „Wir weisen das zurück.“ Zwar würden in der Coronakrise wie in jeder Krise die Kreditausfälle steigen. Doch angesichts der guten Kapitalaustattung der Institute rechne man beim OSV nicht mit Schieflagen von Sparkassen.

Ähnlich sieht man das bei den Genossenschaftsbanken. Die Institute müssten zwar durchaus mehr für faule Kredite zur Seite legen. „Aber wir kommen auch von einem Niveau, wo wir gewisse Ausfälle verkraften können“, sagt BVR-Vorstand Andreas Martin.

Deutsche Institute hatten schon vor Corona Ertragsprobleme

Etwas differenzierte sieht das die Beratungsgesellschaft Oliver Wyman, die sich die Folgen von Corona für die europäischen Banken angeschaut hat. Sie rechnet damit, dass die Institute in den kommenden drei Jahren Kreditausfälle in Höhe von 400 Milliarden Euro verkraften müssen. Das sei in etwa so viel wie während der Schuldenkrise - aber längst nicht so viel wie während der Finanzkrise. „Es ist unwahrscheinlich, dass die Pandemie den europäischen Bankensektor lähmen wird“, sagt Christian Edelmann, Bankenexperte bei Oliver Wyman. Gleichzeitig könnten aber viele Banken wegen schwacher Erträge zu radikalen Umbaumaßnahmen gezwungen werden. Das wiederum könnte vor allem auf die deutschen Großbanken zutreffen, die schon vor der Coronakrise unter Druck standen. Die Commerzbank etwa soll schon jetzt darüber nachdenken, jede vierte Stelle zu streichen.

Finanzwende-Experte Peters hält die Institute zudem noch lange nicht gut genug gerüstet. Die Banken sind heute zwar besser gegen Kreditausfälle abgesichert als vor der Finanzkrise. Doch aus Sicht von Peters reicht das nicht. „Um krisenfester aufgestellt zu sein, müssten die Banken mindestens zehn Prozent ihrer Bilanzsumme als Eigenkapital vorhalten“, sagt er. Die Aufsicht aber schreibt derzeit nur eine sogenannte Leverage Ratio von drei Prozent vor. An die gewünschten zehn Prozent kommt kaum ein Institut ran. Eine höhere Zahl an Kreditausfällen könnte den Banken deshalb durchaus gefährlich werden, meint Peters.

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