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Unterstützer von Bolsonaro während einer Wahlkampfveranstaltung.

© dpa

Wahl in Brasilien: Wie das vielversprechendste Land Südamerikas zum Problemfall wurde

Mitten in der Krise wählt Brasilien wahrscheinlich einen Präsidenten, der keinen wirtschaftlichen Plan hat. Es ist eine Wahl aus der Wut heraus.

Am Sonntag wählt Brasilien einen neuen Präsidenten. Die Umfragen deuten klar darauf hin, dass es Jair Bolsonaro wird, ein rechtsextremer Parlamentsabgeordneter und ehemaliger Fallschirmspringer mit engsten Beziehungen zum Militär. Bolsonaro, der keine Regierungserfahrung hat, wird dann die mit Abstand größte Volkswirtschaft Lateinamerikas führen. Weltweit belegt Brasilien den neunten Platz im Ranking der wichtigsten Ökonomien, einen Rang hinter Italien.

Das Land hat einen Absturz erlebt. Vor noch sieben Jahren war Brasilien die weltweit sechstgrößte Volkswirtschaft. Mit seinen riesigen landwirtschaftlichen Flächen, seinen unzähligen Rohstoffen sowie 210 Millionen Einwohnern schien der südamerikanische Koloss prädestiniert zu sein, eine Wirtschaftsmacht des 21. Jahrhunderts zu werden.

Dann aber begann 2012 eine Krise, die viele zu einem realistischeren Blick zwang. Die Auslöser: fallende Rohstoffpreise, insbesondere für Öl, Soja und Eisenerz, sowie schwere strukturelle Probleme, die man aufgrund der sprudelnden Exporteinnahmen viel zu lange ignoriert hatte.

Hohe Steuern auf Konsumgüter, nicht auf Vermögen

Die Krise wuchs sich im Jahr 2014 zu einer Rezession aus. Diese endete zwar 2016 nach dem umstrittenen Sturz der dilettantisch agierenden Präsidentin Dilma Rousseff. Aber Experten der renommierten Getúlio-Vargas-Stiftung schätzen, dass Brasilien bis 2020 brauchen wird, um sich von dem tiefen Einschnitt zu erholen.

Die Brasilianer spüren ihn am eigenen Leib. Derzeit sind 13 Millionen Menschen erwerbslos, das entspricht einer Arbeitslosenrate von zwölf Prozent, es ist die zweithöchste Quote Lateinamerikas. Hinzu kommen geschätzt fünf Millionen Menschen, die aufgehört haben, nach Arbeit zu suchen. Die Folgen sind im Straßenbild sichtbar. Die Zahl der Obdachlosen hat stark zugenommen, immer mehr Menschen versuchen, als informelle Straßenhändler oder Bettler über die Runden zu kommen. Es ist nicht ungewöhnlich, im Supermarkt angesprochen zu werden, ob man nicht ein Paket Windeln in den Einkaufswagen dazu legen könne.

Die Krise trifft viele Menschen auch wegen der hohen Lebenshaltungskosten sehr hart, die in Brasilien teils europäisches Niveau haben. Dafür verantwortlich sind absurd hohe Steuern auf Konsumgüter und Dienstleistungen, mit denen der Staat 50 Prozent seiner Kasse füllt. Vermögen werden hingegen kaum besteuert. Dieses System belastet Arme und Menschen mit niedrigen Einkommen natürlich überproportional. Die Krise ist auch daran abzulesen, dass die Passanträge bei den portugiesischen Konsulaten in die Höhe geschossen sind. Wegen der starken Nachfrage hat das Konsulat in São Paulo die Vergabe nun ausgesetzt.

Es herrscht regelrechter Hass auf die Arbeiterpartei PT

Doch nicht nur Arme und die Mittelschicht sind betroffen, sondern auch ganz Reiche. Zwischen 2017 und 2018 hat die Zahl der brasilianischen Dollarmillionäre um 36 000 abgenommen. Es sind nun 154 000. So hat es die Bank Credit Suisse ermittelt. Hauptgrund: der Fall des brasilianischen Reals.

Es lässt sich festhalten, dass die ökonomische Krise die Brasilianer seit fünf Jahren stark beeinträchtigt. Sie ist einer der Gründe für den großen Zuspruch, den Jair Bolsonaro erhält. Weitere Erklärungen sind die weit verbreitete Korruption sowie die hohe Kriminalität. Hinzu kommt der regelrechte Hass auf die linke Arbeiterpartei (PT), die das Land zwischen 2003 und 2016 führte. Sie wird von einer Mehrheit dank gezielter Fake-News-Kampagnen für die Korruption allein verantwortlich gemacht.

Bolsonaros wirtschaftspolitische Vorstellungen sind eher vage und widersprüchlich. Ein Team um den liberalen Ökonomen Paulo Guedes arbeitet an einem Programm, von dem wenig bekannt ist. Dennoch löste Bolsonaros Sieg im ersten Wahlgang vor zwei Wochen einen Kurssprung an den Börsen aus. Die Unternehmen versprechen sich von ihm einen Abbau von Arbeitnehmerrechten, die Eindämmung der Gewerkschaften sowie eine Renten- und eine Steuerreform.

Die Wirtschaft erwartet von Bolsonaro zudem die Öffnung des Landes für ausländisches Kapital. Zwar kündigte er bereits die umfassende Privatisierung von Staatsunternehmen an, ruderte dann aber wieder zurück. So soll der Einfluss Chinas begrenzt werden. China ist aber der wichtigste Handelspartner Brasiliens und bereits stark im Energie- und Minensektor engagiert. Die „Deutsche Welle Brasilien“ hat mehrere deutsche Manager in Brasilien befragt. Selbst sie waren sich einig, dass man Bolsonaro eine Chance geben müsse.

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