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Fleisch oder Gemüse. Greenpeace spricht sich für eine höhere Mehrwertsteuer auf tierische Produkte aus: „Die neue Bundesregierung sollte die Mehrwertsteuer für Fleisch und Milchprodukte an den regulären Satz von 19 Prozent anpassen.“

© Michael Schick/imago

Vorschläge zu Lebensmittelpreisen: Die Suche nach dem Wert der Ernährung

Hohe Steuern auf Fleisch und Milch – weniger auf Obst und Gemüse. Es kursieren verschiedene Vorschläge, wie ein fairer Preis für Lebensmittel zu erreichen wäre.

Cem Özdemir hat sich offenbar den richtigen Zeitpunkt ausgesucht. Seit der neue Ernährungsminister kurz nach Weihnachten billigen Lebensmitteln den Kamp angesagt hat, ist die Debatte um angemessene Preise für Nahrungsmittel neu entfacht. Kein Wunder; ist Ernährung als Thema wohl selten so präsent wie zwischen der Festtafel zu Weihnachten und dem Vorsatz zur Diät im neuen Jahr.

Am Donnerstag hat sich nun auch die Umweltorganisation Greenpeace zu Wort gemeldet und sich für eine höhere Mehrwertsteuer auf tierische Produkte ausgesprochen. „Die neue Bundesregierung sollte die Mehrwertsteuer für Fleisch und Milchprodukte an den regulären Satz von 19 Prozent anpassen“, sagte Agrarexperte Matthias Lambrecht den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Im Gegenzug kann sie die Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse absenken oder ganz streichen.“

Prompter Widerspruch kam von der mitregierenden FDP. Über eine Finanzierung von mehr Tierschutz in den Ställen, auch über Preisaufschläge im Supermarkt stehen im neuen Jahr Klärungen an.

Lambrecht erläuterte, mit solchen Änderungen bei der Mehrwertsteuer würden Verbraucher entlastet und Anreize für umweltfreundlicheren und klimaschonenderen Konsum pflanzlicher Lebensmittel geschaffen. Zugleich brauchten Landwirtschaftsbetriebe gezielte Förderung für eine bessere Tierhaltung. Dafür sollten über eine Steuer oder Abgabe jene Verbraucher aufkommen, die Fleisch- und Milchprodukte kaufen. Es gehe nicht darum, Menschen vorzuschreiben, was sie essen sollten, sondern darum, das Verursacherprinzip durchzusetzen.

Ein kompliziertes System noch komplizierter machen?

Der FDP-Agrarexperte Gero Hocker sagte dagegen: „Mit der Anhebung der Mehrwertsteuer auf Fleisch ein Mehr an Tierwohl und Klimaschutz erreichen zu wollen, ist Augenwischerei.“ Sie diene nicht als „Lenkungssteuer zur Umerziehung der Bürger“, und eine Anhebung bei bestimmten Produkten würde das ohnehin komplizierte System noch unverständlicher machen. Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband hatte am Mittwoch gefordert, die Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse zu senken.

Tatsächlich steigen die Preise in den Supermärkten derzeit. Das liegt allerdings weniger an einer faireren Preisgestaltung als an der Inflation. Bei den Handelsketten kommt das in Form von Preiserhöhungen der Industrie. „Es gab noch nie so viele Forderungen nach Preiserhöhungen von der Industrie wie in diesem Jahr“, sagt etwa Rewe-Chef Lionel Souque.

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Ein Teil der Preiserhöhungen sei berechtigt, räumte der Manager ein. Denn bei vielen Produkten wie Nudeln oder Kaffee seien die Rohwarenpreise zuletzt deutlich gestiegen. „Doch es gibt auch Hersteller, die nur auf der Preiswelle mitreiten wollen“, klagte Souque. Es gebe multinationale Konzerne, die damit prahlten, wie sie ihre Kosten gesenkt hätten und dennoch versuchten, sich an die Preiswelle anzuhängen. „Wir müssen aufpassen, dass wir diese Unternehmen mit ihren Forderungen nicht durchkommen lassen, denn am Ende zahlt dafür der Kunde“, sagte Souque.

Özdemir will in den Markt eingreifen

Wie könnte eine faire Änderung der Preisstruktur aber aussehen? Aus einer Machbarkeitsstudie für das Ministerium liegen Modelle auf dem Tisch, wie eine Finanzierung aussehen könnte, damit Landwirte nicht allein auf Mehrkosten für bessere Ställe sitzen bleiben. Laut dem Gutachten einer beauftragten Kanzlei sind Preisaufschläge für die Verbraucher prinzipiell rechtlich möglich – eine strikte Zweckbindung der Einnahmen nur für deutsche Tierhalter wäre aber problematisch.

Ein gangbarer Weg wäre demnach eine Anhebung des Mehrwertsteuersatzes von ermäßigten sieben auf volle 19 Prozent für tierische Produkte oder für alle Lebensmittel. Eine Expertenkommission des Ministeriums hatte eine „Tierwohlabgabe“ favorisiert. Im Koalitionsvertrag gibt es keine Festlegung dazu.

Özdemir legte am Donnerstag jedenfalls nach und prüft Schritte gegen den Verkauf von Lebensmitteln unterhalb des Produktionspreises in Supermärkten. „Die großen Player dürfen nicht mehr länger die Preise diktieren und Margen optimieren“, sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). Erreichen will er das Ziel mit einer Stärkung der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht und der Fusionskontrolle im Bundeskartellamt. (mit dpa und AFP)

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