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Ein Dieselmotor ist hochkomplex und wird mit einer ausgefeilten Software gesteuert, die von VW-Ingenieuren so manipuliert wurde, dass im normalen Straßenverkehr die Abgasreinigung nicht lief.

© dpa

„Vorsätzlich sittenwidriges Verhalten“: Gericht glaubt VW im Dieselskandal nicht

Dieselfahrer klagen vor dem Berliner Kammergericht – und VW lässt sich auf Vergleiche ein.

Die Parteien kamen dem Berliner Kammergericht zuvor: Ursprünglich hat der 4. Zivilsenat am Dienstag fünf Verfahren verhandeln wollen, in denen VW-Kunden auf Schadensersatz gegen den Konzern klagen, weil sie Autos fahren mit einer manipulierten Abgassoftware. Doch kurz vor dem Termin wurden drei Verfahren wegen eines getroffenen Vergleichs hinfällig.

Und auch bei den verbliebenen Fällen sah alles nach einer einvernehmlichen Lösung aus, zumal das Gericht die Parteien explizit dazu ermunterte. Vor allem der VW-Anwalt muss Interesse an einem Vergleich haben, denn das Kammergericht äußerte erhebliche Zweifel an der Rechtsposition des Autoherstellers, der vor knapp vier Jahren aufgeflogen war mit illegalen Abschalteinrichtungen in Dieselmotoren.

„Wir haben Probleme mit der Argumentationslinie von VW“, erläuterte der Vorsitzende des 4. Zivilsenats. Zum einen zweifelte das Gericht die Mängelbeseitigung durch eine neue Software der betroffenen Fahrzeuge an. „Das Software-Update und die Wirkungen am Markt sind hochumstritten.“

Auch wenn das Kraftfahrtbundesamt keine Abschalteinrichtung mehr festgestellt habe, bedeute das nicht, dass es tatsächlich keine mehr gebe. Das Verhalten von VW sei „vorsätzlich sittenwidrig“. Zum anderen folgt das Gericht nicht der Argumentation von Volkswagen, wonach der Vorstand von der Motormanipulation nichts gewusst habe.

„Wirtschaftlich extrem riskant“

Die Installierung der Abschalteinrichtung sei „wirtschaftlich extrem riskant“ gewesen, und deshalb sei kaum vorstellbar, dass die Software ohne Wissen von Führungskräften entwickelt und installiert wurde. „Zumindest der Leiter der Entwicklungsabteilung muss das gewusst haben“, meinte der Richter und vermutete explizit die Mitwisserschaft des damaligen VW-Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn.

Wer im VW-Konzern wann und wem die Anweisung erteilt hat, die illegale Software in Millionen Dieselautos einzubauen, ist noch immer nicht geklärt. „Dass die internen Ermittlungen bis heute ohne Ergebnis blieben, widerspricht jeder Lebenserfahrung“, wunderte sich der Richter. „Wir haben von der Kenntnis des Vorstand auszugehen.“

427.000 Personen klagen

Im konkreten Fall will ein VW-Golf-Fahrer sein für 2014 für 14.500 Euro gebraucht gekauftes Auto an den Konzern zurückgeben - für so viel Geld wie möglich und bestenfalls auch noch mit einem Zinssatz nach 849 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Diesen Anspruch verneinte indes das Gericht, weil „die Sache nicht entzogen wurde“.

Der Kläger habe das Auto weiter nutzen können, einen „Nutzungswertersatz“ komme mithin nicht in Frage. Die individuelle Entschädigungssumme ergibt sich aus dem Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer. Nach Angaben des Portals rigthnow.eu haben sich inzwischen 427.000 Personen in die Musterfeststellungsklage gegen VW eingeschrieben. Ein abschließendes Urteil wird vermutlich erst 2023 erfolgen.

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