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Vor dem Kanzleramt protestieren Umweltschützer gegen die Kaufprämie.

© imago images/Jürgen Heinrich

Vorerst keine Entscheidung über Staatshilfen: Die Kritik an Auto-Kaufprämien wird immer lauter

Bis Anfang Juni soll über Coronahilfen für die Autoindustrie entschieden werden. Kritik an geplanten Kaufprämien kommt nicht nur von Umweltorganisationen.

Nach dem Autogipfel ist vor der Arbeitsgruppe: Regierung und Automobilindustrie haben sich am Dienstag darauf verständigt, bis Anfang Juni über mögliche Stützungsmaßnahmen für die Branche zu verhandeln – darunter auch Kaufanreize zur Ankurbelung der Autonachfrage. Prämien für den Neuwagenkauf sollen im Rahmen eines Konjunkturprogramms beschlossen werden.

Die Details wolle man nun rasch in einer Arbeitsgruppe festlegen, hieß es nach der Schaltkonferenz. Daran teilgenommen hatten neben der Bundeskanzlerin unter anderem mehrere Kabinettsmitglieder, die Vorstandschefs der in Deutschland produzierenden Autobauer, die Präsidentin des Autoverbands VDA sowie der IG Metall-Vorsitzende.

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte nach dem Gespräch, die „konjunkturbelebenden Maßnahmen“, über die man sich in den kommenden drei bis vier Wochen austauschen wolle, sollten einen „Modernisierungsbeitrag in Richtung innovativer Fahrzeugtechnologien“ leisten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe in dem Gespräch auf die besondere Bedeutung der Automobilindustrie für Wertschöpfung und Beschäftigung in Deutschland hingewiesen.

Organisationen demonstrierten gegen Kaufprämien

Vor dem Autogipfel war kontrovers über Kaufprämien auch für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor diskutiert worden. Während der Schaltkonferenz demonstrierten am Dienstag mehrere Organisationen vor dem Kanzleramt gegen eine mögliche Prämie für Autokäufer. „Kein Steuergeld für Spritschlucker“ und „Autoprämie zerstört Verkehrswende“ stand auf ihren Transparenten.

Gefordert wurde stattdessen eine „Mobilitätsprämie“ für alle. Aufgerufen zu dem Protest hatten das Bündnis Fridays for Future, die Kampagnenorganisation Campact und Greenpeace.

Termine für weitere Gespräche, etwa im Rahmen der Konzertierten Aktion Mobilität, wurden nicht genannt. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) soll auf Seiten der Regierung die Koordinierung übernehmen, die Abstimmung auf der Industrieseite liegt in den Händen von VDA-Präsidentin Hildegard Müller.

„Wir brauchen Ende Mai, Anfang Juni die Entscheidungen und Umsetzungen“, sagte Müller nach der Telefonkonferenz. Vor allem viele kleine und mittelständische Unternehmen der Automobilindustrie befänden sich aufgrund der aktuellen Krise in einer prekären Lage.

Auch Ökonomen zweifeln an der Wirksamkeit

Während sich Autobranche und Umweltverbände klar für oder gegen eine Kaufprämie aussprechen, ist das Instrument unter Branchenexperten, Ökonomen und Politikern umstritten. Auch eher industriefreundliche Wissenschaftler halten die Prämie für ungeeignet zur Krisenbewältigung – zumal es bereits einen mäßig erfolgreichen „Umweltbonus“ von bis zu 6000 Euro beim Kauf eines Elektroautos gebe.

„Anders als 2009 gibt es kein Problem bei der Finanzierung von Autokäufen. Die Verbraucher haben hinreichend Liquidität“, sagte Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel. „Wer einen Neuwagen kaufen oder leasen möchte, kann dies zu guten Konditionen tun und muss nicht noch durch eine Prämie unterstützt werden.“

Auch Deutsche Bank Research hält die Prämie für „keine gute Idee“. Felbermayr wies zudem darauf hin, dass die Nachfrage bei deutschen Herstellern inzwischen zu fast zwei Dritteln aus dem Export stamme, den eine deutsche Kaufprämie nicht belebe.

Neuzulassungen um 40 Prozent eingebrochen

Tatsächlich wurden 2019 von den 4,66 Millionen in deutschen Werken produzierten Neuwagen 3,49 Millionen ins Ausland verkauft. Größter Abnehmer in Europa war Großbritannien (593 000), der nach Asien größte Exportmarkt der deutschen Autohersteller. Wegen der Coronakrise ist der britische Automarkt im April zusammengebrochen.

Protest des Bündnisses Campac, von Greenpeace und Fridays for Future.
Protest des Bündnisses Campac, von Greenpeace und Fridays for Future.

© imago images/Jürgen Heinrich

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Lediglich 4321 Neuwagen seien in diesem Monat auf den Markt gekommen und damit 97,3 Prozent weniger als im April 2019, teilte der Branchenverband Society of Motor Manufacturers and Traders (SMMT) am Dienstag mit. Dieser Einbruch liege auf einer Linie mit den Rückgängen in anderen europäischen Automärkten, etwa Frankreich oder Italien.

Zahlen aus Deutschland liegen noch nicht vor. Im März waren die Neuzulassungen um fast 40 Prozent eingebrochen. VDA-Präsidentin Müller sagte am Dienstag, im April sei die Lage noch dramatischer gewesen.

Befürworter und Gegner in allen Parteien

2019 waren in Deutschland 3,6 Millionen Autos neu zugelassen worden, 1,1 Millionen davon stammten von ausländischen Herstellern. Eine Kaufprämie würde rechnerisch also zu fast einem Drittel den Importeuren zu Gute kommen. Befürworter und Gegner einer Verkaufsförderung finden sich quer durch alle Parteien.

Am Montag hatten sich die „Autoländer“ Bayern (CSU-regiert), Baden- Württemberg (grün-schwarz) und Niedersachsen (rot-schwarz) für eine deutliche Aufstockung der Kaufprämie auf bis zu 10 000 Euro für Elektroautos ausgesprochen. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus äußerte sich am Dienstag äußerst zurückhaltend zu den Forderungen.

Die Branche sei sicherlich wichtig, es gebe aber auch noch andere wichtige Branchen. Wenn es Prämien für den Autokauf gebe, dann vielleicht auch für Waschmaschinen oder andere wichtige Produkte.

Die Mehrheit der Bundesbürger ist nach einer exklusiven Civey-Umfrage für Tagesspiegel Background gegen eine reine Autoprämie, stattdessen befürworten 55,3 Prozent eine „Mobilitätsprämie“, die Ausgaben für Fahrräder oder Bahn-Karten sowie Elektroautos umfasst.

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