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Abgeseilt. Am Dienstag hat Greenpeace das Dach der Siemenszentrale besetzt und ein Transparent entrollt.

© AFP

Vor der Hauptversammlung: Klimaaktivsten machen Druck auf Siemens

Der Konzern steht aufgrund des Adani-Deals weiter in der Kritik. Klimaaktivsten fordern deshalb die Aktionäre auf, dem Vorstand die Entlastung zu verweigern.

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Das dürfte Joe Kaeser sich anders vorgestellt haben. Statt zum Ende seiner Amtszeit Lob für den Umbau des Konzerns zu kassieren, steht der Siemens-Chef massiv in der Kritik. Wenn er an diesem Mittwoch die Aktionäre zur Hauptversammlung in der Münchner Olympiahalle trifft, werden draußen vor der Tür die Aktivisten ihre Transparente schwenken.

„Wir werden mit vielen hundert Menschen, vielleicht sogar Tausenden über den Tag verteilt vor Ort sein“, kündigte Lara Eckstein vom Kampagnennetzwerk Campact am Dienstag an. Beteiligen wollen sich an den Protesten unter anderem auch Vertreter von Fridays for Future und Extinction Rebellion.

Bereits am Tag vor der Hauptversammlung haben Aktivisten von Greenpeace das Dach der Konzernzentrale in München besetzt. Den Demonstranten geht es Eckstein zufolge darum, ein „grundsätzliches Zeichen“ zu setzen. „Das ist die letzte Chance für diesen Traditionskonzern, sich auf die richtige Seite der Geschichte zu stellen“, sagte sie.

Ausgelöst hat die massiven Proteste der Adani-Deal: Siemens liefert die Signaltechnik für die Zugstrecke in Australien, über die die Kohle aus dem weltgrößten Bergbauwerk abtransportiert werden soll. Für den Konzern ist das ein vergleichsweise kleiner Auftrag.

Trotzdem hat Kaeser es auch nach einem Treffen mit Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer abgelehnt, das Geschäft platzen zu lassen. Der Vorstandschef berief sich auf die bestehenden Verträge, sagte, Kunden müssten sich auf den Konzern verlassen können. Doch Verlässlichkeit ist das eine – Reputation das andere. Und die steht nun auf dem Spiel.

Siemens-Vorstand Joe Kaeser.
Siemens-Vorstand Joe Kaeser.

© Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa

Der Dachverband der Kritischen Aktionäre hat bereits angekündigt, dem Siemens-Vorstand bei der Hauptversammlung die Entlastung zu verweigern und begründet das mit dem Adani-Deal. Auch mehrere Anträge von Kleinaktionären sollen dazu vorliegen. Den größten Einfluss als Einzelaktionär aber hat der Vermögensverwalter Blackrock. Er hält 5,6 Prozent an dem Münchner Konzern – nur die Siemens Familie hat noch einen höheren Stimmanteil.

Blackrock-Chef Larry Fink hatte erst kürzlich an die Chefs deutscher Konzerne appelliert: Jedes Unternehmen müsse sich mit dem Klimawandel auseinandersetzen. Greenpeace hat den Vermögensverwalter deshalb dazu aufgerufen, dem Siemens-Vorstand ebenfalls die Entlastung auf der Hauptversammlung zu verweigern. Dass Blackrock darauf eingeht, wird allerdings nicht erwartet.

Bis 2030 will Siemens klimaneutral werden

Bei Siemens schauen Umweltverbände derweil nun ganz genau hin, was der Konzern in Sachen Nachhaltigkeit verspricht. So hat Kaeser zum Beispiel das Ziel ausgegeben, der Konzern solle bis 2030 klimaneutral werden. Schon jetzt hat das Unternehmen seinen CO2-Ausstoß kräftig gesenkt – innerhalb von fünf Jahren um 41 Prozent. Volker Gaßner, Finanzexperte bei Greenpeace, sagt: „Es reicht nicht, bei der Klimaneutralität rein auf das eigene Haus zu setzen.“ Der Konzern handele unglaubwürdig, wenn er den CO2-Abdruck von Kunden wie dem Adani-Konzern einfach ausblende.

Das sieht auch Klimaaktivist Jakob Blasel von Fridays for Future so: „Alle Menschen, die Macht haben, müssen dem auch gerecht werden“, sagte er dem Tagesspiegel. „Unternehmen wie Siemens dürfen sich auch nicht an Projekten der fossilen Infrastruktur beteiligen“, forderte Blasel.

Larry Fink könnte seinen Einfluss bei Siemens nutzen: Blackrock ist größter Einzelaktionär bei dem Konzern.
Larry Fink könnte seinen Einfluss bei Siemens nutzen: Blackrock ist größter Einzelaktionär bei dem Konzern.

© REUTERS

Von solchen Projekten hat Siemens noch einige im Portfolio. So ist der Konzern zum Beispiel am Bau eines Kohlekraftwerks in Indonesien mit einer Leistung von zwei Gigawatt beteiligt. Das entspricht der Leistung von 1,3 Atomkraftwerken. In Ägypten stellte Siemens 2018 drei Gaskraftwerke mit einer Leistung von 14 Gigawatt fertig – allerdings in Kombination mit zwölf Windparks. Insgesamt sei der Umsatz der Unternehmenssparte „Gas and Power“, die im Wesentlichen konventionelle fossile Kraftwerke liefere, fast doppelt so hoch wie der vom Windenergiebereich Gamesa, hat die Umweltorganisation Urgewald berechnet.

Gamesa und „Gas and Power“ sollen in diesem Jahr zu Siemens Energy zusammengefasst und an die Börse gebracht werden. Eine zukunftsfähige Ausrichtung des neuen Unternehmens erfordert eine langfristige Strategie, die ohne fossile Energien auskomme, fordert Urgewald.

Konzerne legen mehr Wert auf Nachhaltigkeit

Damit läge Siemens im Trend, denn global gesehen kommen Unternehmen ihrer Verantwortung im Bereich Soziales, Ökologie und Unternehmensführung immer besser nach. Den Fortschritt bei den sogenannten ESG-Kriterien beschreibt der Dienstleister Institutional Shareholder Services (ISS) in jährlichen Berichten. Demnach zeigte die durchschnittliche Nachhaltigkeitsperformance der untersuchten internationalen Konzerne 2018 einen klaren Aufwärtstrend. Der Anteil der sehr guten oder guten Unternehmen stieg von 17 auf 20 Prozent. Die Gründe dafür seien vielfältig. Für besonders wichtig hält ISS Regulierungen wie den Aktionsplan der EU für nachhaltige Finanzierungen und die Regeln des gemeinnützigen Sustainability Accounting Standards Boards.

Allerdings handeln nur sechs Prozent der Unternehmen im Gas und Ölgeschäft nachhaltig. Die Branche ist damit Schlusslicht. Außerdem hat ISS eine wachsende Kluft zwischen dem Handeln von Unternehmen und den Erwartungen der Anteilseiger festgestellt. Das bezieht sich unter anderem auf einen Widerstand gegen Klimagesetze und ein Scheitern beim Mindern von Treibhausgasen. Hier ist Siemens grundsätzlich auf einem guten Weg. Als einer von wenigen Konzernen will das Unternehmen künftig die Höhe der Vorstandsgehälter an die CO2-Bilanz des Konzerns knüpfen. An diesem Mittwoch sollen die Aktionäre nun die neue Gehaltsstruktur absegnen.

Gaßner hält das für den richtigen Weg. Schließlich sei das sehr viel konkreter, als lediglich vage Nachhaltigkeitsziele zu setzen. „Nachhaltigkeit definiert jedes Unternehmen anders, sagt er. „Den CO2-Ausstoß hingegen kann man klar messen.“ Trotzdem sieht Gaßner auch in diesem Vergütungsmodell nur „einen Schritt in die richtige Richtung“. Denn Auswirkungen hat der CO2-Ausstoß auch künftig nur auf einen sehr kleinen Teil des Gehalts (siehe Grafik).

Gaßner schätzt, dass er lediglich zwei bis drei Prozent der Gesamtvergütung beeinflussen wird. „Damit Vorstände das wirklich spürten, müsste der Anteil bei 20 Prozent liegen, meint der Greenpeace-Experte. Auch da hat Siemens noch Luft nach oben.

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