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Siemens-Vorstand Joe Kaeser.

© Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa

Update

Vor der Hauptversammlung in München: Siemens-Chef Kaeser nennt Klimaproteste „fast grotesk“

In München treffen sich die Siemens-Aktionäre. Davor gibt es Proteste, eine Aktivistin von „Fridays for Future“ wird auf der Versammlung sprechen.

Siemens-Chef Joe Kaeser hat Unverständnis über die Proteste von Klimaschützern gegen den Münchner Industriekonzern geäußert. Es mute „schon fast grotesk an, dass wir durch ein Signaltechnik-Projekt in Australien zur Zielscheibe zahlreicher Umweltaktivisten geworden sind“, sagte Kaeser am Mittwoch vor der Hauptversammlung in München.

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Zahlreiche Umweltgruppen haben rund um das Aktionärstreffen zahlreiche Aktionen angekündigt, darunter eine Menschenkette um die Münchner Olympiahalle. Sie richten sich dagegen, dass Siemens eine Signaltechnikanlage für eine Bahnstrecke liefert, über die der indische Energiekonzern Adani Kohle von einem geplanten riesigen Bergwerk in Australien zum Hafen transportieren wird. Die Kohle soll in Kraftwerken in Indien verfeuert werden.

Kaeser widersprach der Annahme der Aktivisten, dass eine Absage von Siemens das ganze Bergwerksprojekt zu Fall bringen könnte. Die gelieferte Signaltechnik sei „für die Inbetriebnahme der umstrittenen Mine irrelevant“.

Der Siemens-Chef bezeichnete den Umgang mit dem Auftrag aber als Fehler: „Wären wir noch einmal in der Situation, in der wir frei entscheiden könnten, fiele sie sicher anders aus.“

Rederecht für Fridays for Future

Umwelt-, soziale Themen und Fragen der guten Unternehmensführung (ESG) spielten auch für große Investoren künftig eine immer größere Rolle. Das müsse sich in der Strategie niederschlagen.

Das Aktionärstreffen hat um 10 Uhr begonnen. Bis zu 300 Menschen haben vor der Halle gegen das Kohleprojekt des Konzerns in Australien protestiert. Die zu verschiedenen Umweltschutzgruppen zählenden Demonstranten trugen Plakate mit Aufschriften wie „Australien brennt“ und „Die Erde hat Fieber“.

Klimaaktivisten demonstrieren mit Plakaten am Haupteingang zu Beginn der Siemens-Hauptversammlung 2020 vor der Olympiahalle.
Klimaaktivisten demonstrieren mit Plakaten am Haupteingang zu Beginn der Siemens-Hauptversammlung 2020 vor der Olympiahalle.

© Peter Kneffel/dpa

An den Protesten beteiligte sich auch die Jugendbewegung Fridays for Future. Eine aus Australien zu der Hauptversammlung angereiste Aktivistin der Gruppe, die 17-jährige Varsha Yajman, sagte der Nachrichtenagentur AFP zu dem Projekt, das Bergwerk zerstöre den Lebensraum der australischen Ureinwohner. „Adani ruiniert ihr Land, Adani nimmt ihr Land.“

Großdemonstration um 14 Uhr

Yajman warf Siemens-Chef Joe Kaeser vor, falsche Informationen über die Haltung der Aborigines zu dem Projekt zu verbreiten. Anders als von Kaeser behauptet, hätten diese nicht mehrheitlich für das Projekt gestimmt. „Sie haben vier Mal dagegen demonstriert.“

Auch auf dem Treffen der Aktionäre werden Diskussionen über den Vertrag von Siemens mit Adani erwartet. Die Aktivistin Helena Marschall von Fridays for Future wird auch in der Halle vor den Siemens-Chefs sprechen. Die Gruppe der kritischen Aktionäre hatte ihr Rederecht an die Klimaaktivisten abgetreten. Um 14 Uhr soll eine Großdemonstration stattfinden.

Greenpeace-Aktivisten entrollen am Dienstag ein Transparent an der Münchner Siemens-Zentrale.
Greenpeace-Aktivisten entrollen am Dienstag ein Transparent an der Münchner Siemens-Zentrale.

© REUTERS/Andreas Gebert

Bereits gestern sind Aktivisten von Greenpeace auf das Dach der Konzernzentrale in München geklettert. Sie haben dort ein Transparent mit der Aufschrift „Buschbrände beginnen hier“ ausgerollt und Zelte auf dem Dach aufgeschlagen. Auch von Investorenseite wird sich der Vorstandsvorsitzende Joe Kaeser einiges anhören dürfen. Zuletzt hatte Vera Diehl von Union Investment den Auftrag für das Kohlebergwerk als „kommunikatives Desaster für Siemens“ bezeichnet.

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Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte das Aus für das umstrittene Kohleprojekt des Technologiekonzerns in Australien. „Ich hoffe sehr, dass die Aktionäre und Geschäftsführung von Siemens heute ihrer Verantwortung für den Schutz des Planeten gerecht werden und dem Kohleprojekt in Australien die Unterstützung verweigern“, sagte Hofreiter am Mittwoch.

„Für Siemens wäre das finanziell ein kleiner Schritt, für das Weltklima dagegen ein enormer Gewinn“, fügte er hinzu. Siemens-Chef Joe Kaeser begründet das Festhalten an dem umstrittenen Auftrag in Australien mit vertraglichen Verpflichtungen. Der deutsche Konzern hatte im Juli den Vertrag für die Schienensignalanlage einer riesigen Kohlemine im australischen Bundesstaat Queensland unterzeichnet.

Habeck fordert Wirtschaft zu Nachhaltigkeit auf

Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck äußerte Verständnis für Kaesers Haltung. „Ich nehme Herrn Kaeser ab, dass er die Entscheidung über die Signalanlage für die Kohlemine in Australien nicht leichtfertig getroffen hat“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“. „Dennoch glaube ich, dass es sicher besser gewesen wäre, auf etwas Geld zu verzichten, um gesellschaftlichen Zielen treu zu bleiben.“

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Habeck forderte die Wirtschaft insgesamt zu mehr Nachhaltigkeit auf. „Wir müssen auch die Unternehmenswelt neu denken“, sagte er.

Hofreiter will Kopplung von Boni an ökologische Kriterien

Sein Parteikollege Hofreiter bezeichnete die klimafreundliche Umgestaltung der Wirtschaft als „eine Überlebensfrage, um die niemand herumkommt. Da zählt der Beitrag jedes einzelnen Unternehmens“, sagte er AFP.

Klimaaktivisten demonstrieren am Haupteingang zu Beginn der Siemens-Hauptversammlung.
Klimaaktivisten demonstrieren am Haupteingang zu Beginn der Siemens-Hauptversammlung.

© Peter Kneffel/dpa

Der Grünen-Politiker forderte in diesem Zusammenhang auch neue gesetzliche Regelungen. Das Aktiengesetz solle so geändert werden, „dass die Boni der Manager aller Dax-Konzerne verbindlich an soziale und ökologische Erfolgskriterien gekoppelt werden“, forderte er. „Das wäre ein Beitrag dazu, dass kurzfristiges Gewinnstreben zulasten von Mensch und Umwelt zurückgedrängt wird und endlich mehr Anreize für vorausschauendes und verantwortliches Wirtschaften entsteht.“

Wohl die letzte Hauptversammlung für Kaeser

Vor Beginn des Aktionärstreffen sagte Joe Kaeser, das neue Geschäftsjahr habe „etwas verhalten“ begonnen. Der Umsatz im ersten Quartal des Siemens-Geschäftsjahrs (31. Dezember) legte leicht um ein Prozent auf 20,3 Milliarden Euro zu, der Nettogewinn lag mit knapp 1,1 Milliarden Euro etwas über dem Vorjahresniveau. Die Neuaufträge aber sanken um 2 Prozent auf 24,8 Milliarden Euro. Das lag unter anderem an der anhaltenden Schwäche von Autoindustrie und Maschinenbau, zwei wichtigen Kundengruppen für Siemens.

Allerdings hat der Konzern immer noch sehr viele Bestellungen aus den vergangenen Quartalen abzuarbeiten, so dass der Auftragsbestand einen Rekordwert von 149 Milliarden Euro erreicht hat. Kaesers Vertrag als Vorstandsvorsitzender läuft zum Jahresende aus. Es wird also voraussichtlich seine letzte Hauptversammlung an der Siemens-Spitze sein. Als wahrscheinlichster Nachfolger gilt sein Vize Roland Busch.

Den größten unternehmerischen Handlungsbedarf sieht Kaeser im Energiegeschäft. Die Windenergie-Tochter Siemens Gamesa hatte im ersten Quartal rote Zahlen geschrieben. Siemens hatte am Dienstag angekündigt, die Anteile des Minderheitsaktionärs Iberdrola übernehmen zu wollen, mit dem es in der Vergangenheit immer wieder Streit gegeben hatte. Nun hofft Kaeser, dass „das Management wieder mehr Kapazität hat, sich mit der Verbesserung der Ertragskraft näher zu befassen“. (Tsp, dpa, Reuters, AFP)

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