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Leere Taschen. Wer kaum über die Runden kommt, kann nichts sparen.

© lllustration: Martha von Maydell für „Der Tagesspiegel“

Exklusiv

Vor allem Einkommensschwache sind betroffen: Inflation verschärft die Rentenlücke von Millionen Deutschen

Schon jetzt können elf Millionen Haushalte nicht genug fürs Alter zurücklegen, warnt eine neue Prognos-Studie im Auftrag der Versicherungswirtschaft.

Rentenminister Hubertus Heil (SPD) glaubt fest an die gesetzliche Altersvorsorge. „Die gesetzliche Rente ist stark und stabil“, sagte Heil am vergangenen Freitag angesichts der jüngsten Rentenerhöhung. Die 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner bekommen seit dem 1. Juli 5,35 Prozent mehr Rente, wenn sie im Westen leben, die Ruheständler im Osten erhalten ein Rentenplus von 6,12 Prozent. Das reicht zwar nicht, um die aktuelle Preissteigerung von 7,6 Prozent auszugleichen. Aber es ist die stärkste Erhöhung innerhalb der letzten knapp 40 Jahre, betont die Deutsche Rentenversicherung.

Für Menschen, die das Rentenalter noch nicht erreicht haben, sieht die Zukunft allerdings nicht ganz so rosig aus. Das Rentenniveau, das die Sicherungskraft der Renten im Verhältnis zu den Löhnen ausdrückt, wird im kommenden Jahr leicht sinken, warnt Alexander Gunkel, Vorsitzender des Bundesvorstands der Deutschen Rentenversicherung Bund. Das Rentenniveau werde 2023 nur noch knapp über 48 Prozent liegen. 2024 und 2025 werde wahrscheinlich nur die gesetzliche Mindestgrenze verhindern, dass das Rentenniveau unter 48 Prozent rutscht. Das Rentenniveau beschreibt das Verhältnis der Rente eines Standardrentners nach 45 Beitragsjahren zum durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommen.

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Viele sparen schon jetzt zu wenig

Dabei reichen aber selbst 48 Prozent nicht, um den Lebensstandard zu halten, den man aus der Zeit des Arbeitslebens gewöhnt ist. Dazu wäre ein Rentenniveau von 55 Prozent nötig, heißt es in einer neuen Studie des Beratungsunternehmens Prognos für den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), die dem Tagesspiegel vorab vorliegt. Das Problem: Um das zu erreichen, müssten etwa 6,6 Prozent des Nettoeinkommens zusätzlich für die Altersvorsorge gespart werden, doch das schaffen viele nicht. „In vier von zehn Haushalten mit Personen im Erwerbsalter ist der finanzielle Spielraum selbst dann zu klein, wenn sie ihr monatlich frei verfügbares Geld vollständig für die Altersvorsorge einsetzen würden“, betont Prognos-Studienleiter Oliver Ehrentraut. Knapp elf Millionen Haushalte können ihre Rentenlücke nicht aus eigener Kraft schließen.

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[Frisst die Inflation die Rentenerhöhung wieder auf? Lesen Sie dazu: Wie groß ist die Rentenlücke? (T+)] 

Die Inflation trifft einkommensschwache Haushalte besonders hart

Die hohe Inflation verschärft das Problem noch. „Die Inflation erhöht einerseits den Vorsorgebedarf für die Zukunft, engt aber zugleich den Spielraum zum Sparen heute ein“, sagte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen dem Tagesspiegel. Die steigenden Preise treffen die unteren Einkommensgruppen am härtesten. Während die Konsumausgaben für alle Haushalte seit April 2021 um durchschnittlich 5,7 Prozent gestiegen sind, zogen sie im untersten Einkommensviertel der Bevölkerung um 7,8 Prozent an.

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„Die Inflation verschärft die Altersvorsorgesituation breiter Bevölkerungsteile“, warnt Ehrentraut. Personen mit geringen Einkommen können die Teuerung im Gegensatz zu besser Situierten kaum auffangen, da sie kaum Ausgaben haben, die nicht notwendig sind. „Die Mehrausgaben gehen zu Lasten des Sparpotenzials und damit der Altersvorsorge“, kritisiert Ehrentraut. Er sieht die Politik in der Pflicht, hier sozialpolitisch gegenzusteuern.

Versicherungsverband fordert Riester-Reform

Der Versicherungsverband sieht eine Lösung darin, die Riester-Förderung zu verbessern. „Eine Erhöhung der Zulagen ist nötig“, meint Asmussen. Zudem müsse der Staat die Vorgabe lockern, dass die von den Versicherten eingezahlten Beiträge zu 100 Prozent erhalten bleiben müssen. Diese Regelung verhindere eine chancenreichere und renditestärkere Anlage des Kapitals. Zudem würden einfacherere gesetzliche Vorgaben auch zu sinkenden Kosten für Riester-Produkte führen. Die Zulagenförderung sei grundsätzlich geeignet, einkommensschwache Haushalte gezielt zu unterstützen, heißt es auch in der Prognos-Studie. Allerdings müsse man festhalten, dass die Riester-Rente diese Zielgruppen trotz Förderung bislang nicht ausreichend hat. Es bestehe „akuter Handlungsbedarf“, damit die kapitalgedeckte Zusatzvorsorge flächendeckend wirken könne, meint Prognos.

Was die Regierung plant

Doch unabhängig von der Inflation, hat die Riester-Rente zu kämpfen. Immer mehr Versicherer bieten keine neuen Produkte mehr an. Eine von der Finanzwirtschaft angestrebte Reform ist in der vergangenen Legislaturperiode gescheitert. Verbraucherschützer fordern statt der Riester-Rente einen neuen kapitalgedeckten Altersvorsorgefonds für die Bundesbürger. Im Koalitionsvertrag ist die Einführung einer Aktienrente vereinbart, die die gesetzliche Rentenversicherung ergänzen soll. Den Aufbau soll zunächst der Staat finanzieren, später soll auch ein Teil der Rentenbeiträge in das kapitalgedeckte System fließen. Rentenminister Heil arbeitet daran. Für eine stabile Rente, „auf die sich alle verlassen können, werde ich noch in diesem Jahr die Weichen neu stellen“, sagte der SPD-Politiker am vergangenen Freitag.

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