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Vonovia-Chef Rolf Buch will einen dritten Übernahmeversuch nicht ausschließen.

© imago images / Jakob Hoff

Vonovia schluckt Deutsche Wohnen nicht: Welche Folgen die gescheiterte Übernahme für Anleger hat

Woran ist der Deal gescheitert? Eine besondere Rolle dürften ETFs und Hedgefonds gespielt haben. Was Anleger dazu wissen sollten.

Schon am Montagmorgen herrschte endgültig Klarheit. Wie es sich schon am Freitagabend angedeutet hatte, ist die Übernahme der Deutsche Wohnen durch Vonovia gescheitert. Die Annahmequote habe bei 47,62 Prozent gelegen, teilte der Bochumer Konzern mit. Die nötigen 50 Prozent, die eine Bedingung für die Offerte waren, wurden damit verfehlt. Auch übers Wochenende sind nicht mehr genug spät verkaufte Aktien zusammengekommen, um die Schwelle zu erreichen.

Eine Vollzugsbedingung für die Übernahme sei „endgültig ausgefallen“, heißt es in einer Mitteilung vom Montag. Die eingereichten Deutsche-Wohnen-Aktien würden zurückgebucht. Spätestens in fünf Bankarbeitstagen könnten Anleger wieder über die angebotenen Papiere verfügen, hieß es.

Die Aktien der Deutsche Wohnen kletterten daraufhin im Tagesverlauf um rund 1,5 Prozent und erreichten damit fast den durch Vonovia gebotenen Kurs von 52 Euro. Der Bochumer Konzern hingegen verlor rund drei Prozent. Zusammen wären beiden Firmen zum mit Abstand größten Immobilienkonzern Europas geworden.

Mittelfristig könnte sich das aber ändern. Vor allem für die Aktionäre der Deutsche Wohnen steht viel auf dem Spiel. Sie wären „die großen Verlierer, wenn der Deal scheitert“, glaubt DSW-Vertreter Tüngler. Der Aktienkurs des Berliner Unternehmens werde unter Druck geraten, wenn der Deal endgültig scheitern sollte, da viele Aktionäre gerade wegen der Übernahme neu bei der Deutsche Wohnen eingestiegen seien. Die Vonovia-Aktionäre könnten hingegen entspannter mit dem Scheitern umgehen, glaubt Tüngler. Sie wüssten um die Stärke der Vonovia und dass die Übernahme der Deutsche Wohnen SE nicht risikolos sei.

"An den Hedgefonds gescheitert"

Was aber sind die Gründe für den gescheiterten Deal? „Es sieht so aus, als ob sich ein paar Finanzinvestoren in London verrechnet haben und der große Anteil an passiven Investments bei Deutsche Wohnen dazu beigetragen hat“, sagte Vonovia-Chef Rolf Buch dazu dem „Handelsblatt“. Konkreter sagt er: „Man kann es so interpretieren, dass wir an den Hedgefonds gescheitert sind.“

Mit den passiven Investments meinte er ETFs, die ihre Aktien automatisch nach Marktlage zusammenstellen. Das heißt, sie hätten ihre Deutsche-Wohnen-Aktien erst verkauft, wenn der Deal abgeschlossen worden wäre. Da rund 20 Prozent der Papiere der Deutsche Wohnen von solchen Indexfonds gehalten werden, sinkt damit automatisch die Anzahl der für einen solchen Verkauf verfügbaren Aktien.

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„Dies zeigt, dass es tatsächlich umso schwieriger wird, je mehr passives Geld unter den Anteilseignern verteilt ist“, sagt Buch. „Die Diskussion, ob das für große Deals zunehmend zur Hürde wird, ist es sicher wert zu führen.“ Es werde einfach schwieriger, solche Übernahmen noch erfolgreich durchzuführen.

Oder lag es nur am niedrigen Angebotspreis?

Für Michael Kunert von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK), einem Interessensverband für Kleinaktionäre, offenbart das Platzen der Übernahme auch ein Kommunikationsproblem. Vonovia und Deutsche Wohnen sollten schnell in Dialog mit ihren Aktionären treten, um herauszufinden, warum die Mehrheit nicht zustande kam, sagte Kunert am Montag. „Wenn es grundsätzliche Gründe gibt, können sie sich einen dritten Anlauf sparen“.

Vorerst weiter eigenständig: Der Berliner Dax-Konzern Deutsche Wohnen.
Vorerst weiter eigenständig: Der Berliner Dax-Konzern Deutsche Wohnen.

© imago images/Schöning

Wenn es nur am Angebotspreis lag, sei ein weiterer Versuch zu rechtfertigen – vielleicht in einigen Monaten. Seiner Einschätzung nach habe sich Vonovias Offerte im vernünftigen Maße am Nettoinventarewert (Net Asset Value) orientiert – und nicht darüber, wie es noch vor Jahren in der Immobilienbranche üblich gewesen sei. Früher habe man unterstellt, dass die Mieten weiter kräftig steigen – und damit auch der Wert der Immobilien. „Heute erwartet niemand mehr derartige Steigerungsraten“, sagte Kunert.

Der Aktivist kritisierte, dass der Berliner Senat „widersprüchliche“ Signale aussende. So habe der Finanzsenator zwar die Hoffnung geäußert, dass die Unternehmen an der Ankündigung festhalten, 20.000 Wohnungen an das Land zu verkaufen. Zugleich habe sich die Fraktionsspitze des Grünen Koalitionspartners erfreut über das Scheitern der Übernahme geäußert. „Beides kann man aber nicht haben“, glaubt der Aktionärsschützer. Die Deutsche Wohnen werde allein nicht zu viele Wohnungen abgeben können, weil sonst das Risiko bestehe, dass das bisher auf Wachstum getrimmte Unternehmen schrumpfen könnte. Dann wäre auch der prestigeträchtige Platz im Dax in Gefahr, so Kunert.

Dritter Übernahmeversuch nicht ausgeschlossen

Vonovia und Deutsche Wohnen wollen Insidern zufolge allerdings rasch einen weiteren Anlauf zur Fusion starten. „Beide Vorstandschefs wollen die Übernahme noch immer und suchen eine Lösung“, sagte eine mit der Situation vertraute Person am Montag der Nachrichtenagentur Reuters. „Die Deutsche Wohnen will diesen Deal – aber dann muss es auch sicher klappen“, sagte ein zweiter Insider. Eine neue Vereinbarung zwischen den Konzernen könne binnen weniger Wochen stehen. Buch braucht die Zustimmung des Deutsche-Wohnen-Vorstands und der Finanzaufsicht Bafin, um nicht zwölf Monate vor einem neuen Angebot warten zu müssen.

Er habe jetzt drei Möglichkeiten sagte Buch dem „Handelsblatt“: Den Verkauf der derzeit von uns gehaltenen Aktien an der Deutschen Wohnen, ein erneutes öffentliches Angebot oder den Erwerb weiterer Aktien. „Wir müssen die Lage nun analysieren.“ Vonovia käme auch ohne die Deutsche Wohnen zurecht. „Das Geschäft läuft ja weiter. Viele Investoren müssen sich jetzt überlegen, wie sie sich verhalten.“

Persönliche Konsequenzen schloss er allerdings aus. „Natürlich fühlt sich das an wie ein Misserfolg“, sagt Buch, der schon 2016 mit dem Vorhaben gescheitert war, die Deutsche Wohnen zu übernehmen. „Am Ende des Tages haben wir aber alles Richtige im Interesse unserer Anleger getan.“

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