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Wirtschaft: Vom Kranbau-Großbetrieb ist wenig geblieben

Kranbau Eberswalde mußte einen drastischen Abbau von Stellen verkraften / Nach Vulkan-Pleite zum zweiten Mal privatisiertVON CLAUS-DIETER STEYER, EBERSWALDEAuf knapp fünf Prozent ist die Belegschaft des Kranbaus Eberswalde geschrumpft.Dieser einst wichtigste Großbetrieb der Kreisstadt nördlich Berlins hat zu Treuhandzeiten und danach über 3000 Beschäftigte entlassen oder in den Vorruhestand schicken müssen.

Kranbau Eberswalde mußte einen drastischen Abbau von Stellen verkraften / Nach Vulkan-Pleite zum zweiten Mal privatisiertVON CLAUS-DIETER STEYER, EBERSWALDE

Auf knapp fünf Prozent ist die Belegschaft des Kranbaus Eberswalde geschrumpft.Dieser einst wichtigste Großbetrieb der Kreisstadt nördlich Berlins hat zu Treuhandzeiten und danach über 3000 Beschäftigte entlassen oder in den Vorruhestand schicken müssen.Die wenigsten von ihnen fanden einen neuen Arbeitsplatz.Auch die jetzt noch verbliebenen 155 Kranbauer haben ihren Job keineswegs sicher.Die jüngste Entlassungswelle liegt noch gar nicht lange zurück. Am Produktionsausstoß allein ist ein derartiger Einbruch in den Beschäftigungszahlen nicht abzulesen.Immerhin weist die Jahresbilanz 40 große Hafenkräne aus.Zu DDR-Zeiten waren es 120 Kräne im Jahr.Doch die in Eberswalde verlorengegangenen Arbeitsplätze finden sich heute in Polen, Slowenien, in Rußland, Kroatien und anderen Billiglohnländern wieder.Kamen früher die Kräne komplett aus dem Werk am Finowkanal, so wird heute hier nur noch die Antriebstechnik montiert.Selbst den Aufbau der Kräne übernehmen inzwischen Fremdfirmen.Eberswalde schickt nur die Chefmonteure. "Der Preisdruck deutscher und in letzter Zeit verstärkt chinesischer Konkurrenten zwingt uns zu dieser Arbeitsteilung", sagt Geschäftsführer Wolfgang Gollnast."Wir können unsere Position nur durch Qualität, Termintreue und günstige Preise halten." Dabei bereitet den Eberswaldern ausgerechnet ihr zu DDR-Zeiten verwendetes Markenzeichen einige ernsthafte Probleme.Denn der Kranbau gehörte mit 29 anderen Betrieben bis 1990 zum großen Kombinat TAKRAF (Tagebauausrüstungen, Kräne, Förderanlagen).An den in 36 Ländern in aller Welt gelieferten Eberswalder Kränen stand nur TAKRAF.Der wahre Hersteller war lediglich den Begleitpapieren zu entnehmen."Wenn wir heute um neue Kunden werben, müssen wir ihnen oft erst erklären, daß wir einst die guten Stücke gebaut haben", erklärt der Geschäftsführer.TAKRAF dagegen sei überall ein Begriff.Zu allem Überdruß beginne jetzt der aus dem früheren Kombinatsbetrieb hervorgegangene MAN TAKRAF Lauchhammer/Leipzig mit der Herstellung von Hafenkränen."Die brauchen nur die Referenzliste von über 4500 Kränen hervorzuholen und auf den guten Namen von TAKRAF zu verweisen", meint Gollnast. Zu DDR-Zeiten war der Absatzmarkt vor allem im östlichen Wirtschaftsblock gesichert.Händeringend wurde damals sogar nach Arbeitskräften gesucht, um die im Drei-Schicht-System laufende Produktion noch zu erhöhen.400 ausländische Arbeitnehmer, vor allem aus Mosambique, Kuba und Ungarn, erhielten einen Job und eine Ausbildung.Als 1990 die osteuropäischen Abnehmer die Kräne in D-Mark nicht mehr bezahlen konnten, gehörten die Ausländer zu den ersten Entlassenen.Selbst die anfangs versuchten Tauschgeschäfte von Waren gegen Waren funktionierten mit dem Osten nicht lange.Die russischen Häfen wollten die gewünschten Kräne mit Kohle, Holz oder Fisch bezahlen.Doch bald kamen die Händler auf den Dreh, Kohle oder Holz gleich gegen Devisen abzusetzen.Die Häfen als Zwischenstation waren nicht mehr gefragt.Heute laufen die Geldgeschäfte mit Rußland völlig unkompliziert über ein japanisches Handelshaus.Daß in der nordbrandenburgischen Stadt überhaupt noch über ein produzierendes Treuhanderbe gesprochen werden kann, ist durchaus einem glücklichen Umstand zu verdanken.Denn der Kranbau gehörte seit Ende 1993 zum letztlich gescheiterten Bremer Vulkan-Verbund.Eine Klausel in den Treuhandverträgen verhinderte allerdings einen Abfluß von eigentlich für das Eberswalder Werk bestimmten Geldern nach Bremen."Bis auf das zeitweilig schlechte Image sind wir aus dieser Affäre einigermaßen ungeschoren herausgekommen", schätzt Geschäftsführer Gollnast ein. Die Neuprivatisierung führte den Kranbau Eberswalde am 17.Dezember 1996 zu der in Oberhausen beheimateten Koehne-Gruppe, die im Bauwesen, in der Baustoffproduktion und in der Herstellung von Kränen ihr Geld verdient.Im Werbeprospekt wird ausdrücklich die Eberswalder Erfindung des Doppellenkerprinzips bei Kränen hervorgehoben.Dieser Doppelarm hält das Ladegut an den Kranseilen bei jeder Bewegung waagerecht.Das Patent stammt noch aus der Zeit vor der Enteignung der Ardelt-Maschinenfabrik 1946.8000 Beschäftigte hatten während des Krieges auch Rüstungsgüter herstellen müssen.Aus dem damals patentierten Doppellenker ziehen die Eberswalder noch heute Gewinn. In der Koehne-Gruppe ist der Kranbau eine 100prozentige Tochter der Kirow Leipzig AG.Zu Zeiten des TAKRAF-Kombinates galten beide Betriebe als sogenannte Schwestern oder Brüder unter dem Dach der Generaldirektion."Heute ist Kirow unsere Mutter.Was im richtigen Leben nie funktioniert, klappt eben in der Wirtschaft", kommentiert Gollnast etwas augenzwinkernd die Konstruktion im Konzern.Für dieses Jahr peilen die Eberswalder Kranbauer einen Umsatz von 75 bis 80 Mill.DM an.1996 litten sie noch unter der Vulkan-Pleite, als nur 30 Mill.DM umgesetzt wurden.Die 80 Mill.DM würden dann endlich schwarze Zahlen in der Bilanz bedeuten."Besser würden die Geschäfte laufen, wenn die Banken mit uns großzügiger umgehen würden", sagt Geschäftsführer Gollnast, seit 1975 im Betrieb und seit Mai 1990 auf dem Chefposten."Sie verlangen viel größere Sicherheiten für Kredite und Bürgschaften als bei unseren westlichen Konkurrenten." Auch würden Politiker im Westen Firmen in ihren eigenen Bundesländern stärker mit Aufträgen versorgen.Doch Beweise dafür hat der Geschäftsführer freilich nicht.

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