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Markus Braun kam 2002 zu Wirecard.

© dpa

„Vom Ehrgeiz besessen“: Dieser Mann steckt hinter dem Wirecard-Debakel

Markus Braun hat mit Wirecard aus einem Start-up einen Dax-Konzern gemacht. Nach dem Bilanzskandal fordern Investoren nun seinen Rücktritt.

Von Carla Neuhaus

Da liegt Geld auf Konten und die Prüfer können nicht nachvollziehen, wo es herkommt. Der Supergau – für Wirecard und erst recht für dessen Chef Markus Braun. Bei wohl jedem anderen Unternehmen hätte der Vorstandsvorsitzende angesichts eines solchen Bilanzskandals längst gehen müssen. Nicht so bei dem Finanzdienstleister aus der Nähe von München.

„Markus Braun ist Wirecard“, schrieb der „Fokus“ vor einiger Zeit. Und es stimmt. Denn der Aufstieg von Wirecard zum Dax-Konzern ist vor allem sein Erfolg. Auch gehört Braun ein nicht unbeträchtlicher Teil des Unternehmens: Mit etwas mehr als sieben Prozent ist er der größte Einzelaktionär bei Wirecard, erst im Mai hat er seine Anteile noch einmal aufgestockt.

Mit dem Bilanzskandal gerät Braun nun enorm unter Druck. Wirtschaftsprüfer haben jetzt in den Zahlen milliardenschwere Unklarheiten entdeckt. Für Buchungen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro fanden sie keinen Nachweis, wo die Gelder herkommen oder ob sie überhaupt existieren. Laut Wirecard selbst geht es bei der Summe um ein Viertel der Bilanzsumme. Sowohl die Finanzaufsicht Bafin als auch die Münchner Staatsanwaltschaft kündigten an, den Fall prüfen zu wollen.

Braun sieht sich als Opfer - nicht als Täter

Die Vermutung, dass das Zahlenwerk von Wirecard manipuliert worden ist, gibt es schon länger. Die Financial Times hatte mehrfach über dubiose Geschäfte vor allem bei Tochterfirmen in Asien berichtet. Vorstandschef Braun hatte das allerdings stets zurückgewiesen. Von „ungerechtfertigte Vorwürfen“, sprach er, von Behauptungen, die „schlicht falsch“ seien. Inzwischen klingt das etwas anders. „Ob betrügerische Vorgänge zum Nachteil der Wirecard AG vorliegen, ist derzeit unklar“, lässt Braun am Donnerstag mitteilen. Wirecard erstatte Anzeige gegen Unbekannt. Weiterhin aber gilt: Statt als Täter sieht Braun sich als Opfer.

 Rechnungsprüfer haben jetzt bestätigt, dass Enthüllungen um nicht nachvollziehbare Bilanzen zutreffend sind.
Rechnungsprüfer haben jetzt bestätigt, dass Enthüllungen um nicht nachvollziehbare Bilanzen zutreffend sind.

© imago/Sven Simon

Dabei fordern Großanleger inzwischen lautstark seinen Rücktritt. „Wir sind fassungslos“, sagt Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Deka. „Ein personeller Neuanfang ist dringender denn je.“ Andere Fondsgesellschaften haben sich Am Donnerstag als Reaktion auf den Bilanzskandal bereits von den Aktien des Unternehmens getrennt. An der Börse brach der Kurs um mehr als 60 Prozent ein.

Braun weiß vermutlich, dass sein Stuhl nun wackelt. Bereits vor Wochen hat er womöglich auch deshalb bereits Macht abgegeben. Er soll sich künftig nur noch um die strategische Weiterentwicklung kümmern. Die Verantwortung für das Europageschäft, Teile des Vertriebs und die Kommunikation mit den Investoren hingegen übernehmen andere.

Braun gilt als Workaholic

Für Braun dürfte es nicht leicht sein, Aufgaben abzugeben. Er gilt als Workaholic. Klaus Rehnig, einer der Wirecard-Investoren der ersten Stunde, hat ihn einmal als einen „von Ehrgeiz und Perfektion besessenen Erfolgsmenschen“ beschrieben. Auf Fotos, auf denen Braun einen dunklen Rollkragenpullover trägt, erinnert er an Apple-Gründer Steve Jobs. Auch sonst wird er gerne mit Stars der Techszene verglichen. Etwa mit Amazon-Chef Jeff Bezos. Wie er hat auch Braun früh erkannt, welches unternehmerische Potenzial das Internet bietet.

Bevor Braun 2002, kurz nach dem Platzen der Dotcomblase, zu Wirecard kam, war er Unternehmensberater bei KPMG – einer der Prüfungsgesellschaften, die sein Unternehmen heute mit ihren Berichten in Bedrängnis bringen.

Damals war Wirecard eine kleine Firma mit Schmuddelimage. Sie wickelte Zahlungen im Internet ab – weil es damals aber noch kein nennenswertes Onlineshopping gab, kamen die Kunden vor allem aus dem Porno- und Glücksspielbereich. Braun störte das nicht. Er hatte ohnehin eine andere Vision. Braun träumte von einem großen Zahlungsabwickler.

Er kaufte andere Firmen hinzu, brachte das Unternehmen durch die Übernahme eines börsennotierten Callcenter-Betreibers 2005 aufs Parkett. Der Erfolg schien Braun recht zu geben ebenso wie der steigende Aktienkurs. Binnen fünf Jahren kletterte er bis 2018 um 700 Prozent. Einige hat das reich gemacht – Braun eingeschlossen. Vor zwei Jahren dann war Wirecard so viel an der Börse wert, dass das Unternehmen die angeschlagene Commerzbank im Leitindex Dax ersetzte. Ob Wirecard angesichts des zuletzt massiven Kurseinbruchs im Dax verbleiben kann, ist offen.

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