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Weiblich und kreativ. Das Team der Goalgirls besteht nur aus Frauen.

© Thilo Rückeis

Vielfalt in der Gründerszene: Von Anfang an mitgedacht

In der Start-up-Szene ist Diversität am Arbeitsplatz eine ganz natürliche Sache.

Es heißt, je vielfältiger der Input desto besser das, was am Ende herauskommt. Deshalb leisten sich viele große Konzerne heute ein eigenes Diversity-Management. In Start-ups sieht das anders aus. Sie denken Diversität in der Regel von Anfang an mit, erklärt Janina Sundermeier, Initiatorin der Veranstaltungsreihe „Entrepreneurial Diversity“ und Postdoc am Department Wirtschaftsinformatik der Freien Universität Berlin.

Es sei deutlich leichter, von Anfang an ein entsprechendes Mindset mitzudenken, als etablierte Unternehmen zum Umdenken zu bewegen. „Die Berliner Start-up-Szene lebt von Personen mit ganz unterschiedlichen nationalen, kulturellen und fachlichen Hintergründen. Ohne diese Vielfalt würde nur ein Bruchteil des kreativen Potenzials ausgeschöpft werden, und es würde ganz schlicht an Fachkräften mangeln“, sagt Janina Sundermeier.

Entgegen vieler Unkenrufe ist die Branche längst keine Männerdomäne mehr, sondern strotzt zuweilen vor Empowerment, wie das Team der Goalgirls beweist. Die Marketingagentur versteht sich als weibliche Stimme der Kreativindustrie. Bisher sind sie auch ein reines Frauenteam. „Wir wollten so vielen Frauen wie möglich einen Job bieten, den sie in einer von Männern dominierten Branche nicht so leicht bekommen würden“, erklärt Kaddie Rothe.

Diverse Teams sind ein Vorteil

Sie und ihre Schwester Helena Rothe haben die Agentur gegründet und mit ihrem „female first“-Konzept schon einigen größeren Kampagnen einen weiblichen Touch verpasst. Nur Frauen – der große Vorteil daran sei der emotionale Zusammenhalt. „Bei uns wird nicht geprahlt, und es muss sich auch nicht ständig bewiesen werden, wer das toughest girl ist“, erklärt Kaddie Rothe. „In einer so weiblichen Agentur ist die Mood-Swing-Kurve zwar ziemlich steil, aber wir haben keine Angst, darüber zu sprechen. Es verhält sich bei uns ähnlich wie in einer 90s-Girlband, aber gerade das macht unsere Agentur stark.“

Die eine sei super sensibel, die andere ganz stark. Eine liebt Excel-Tabellen, die andere würde am liebsten den ganzen Tag zeichnen. Am Ende ist wohl genau das ihr Erfolgsrezept. Allerdings, muss Kaddie Rothe zugeben, hätten Frauen eine besondere Art von Ehrgeiz und würden viel mit sich selbst ausmachen. Männer pushten sich in Sachen Karriere eher gegenseitig. Gegen etwas Manpower hätten die Goalgirls gar nichts einzuwenden: Momentan haben Bewerbungen von jungen Männern sogar Vorrang, erklärt Kaddie Rothe, denn „so sehr wir auch versuchen gerade bei unseren Produktionen „female first“ zu denken, gibt es doch ein paar Jobs, für die wir etwas Manpower gebrauchen könnten, etwa bei der Kommunikation. Die Jungs in unserer Generation haben Lust, sich für Gleichberechtigung einzusetzen.“

Das zeigt auch das Unternehmen Mailbutler. Ihr diverses Team sei ein enormer Vorteil, erklärt Mitgründer Tobias Knobl. Wichtig sei auch, dass die Durchmischung nicht an den Zuständigkeitsgrenzen endet. Frauen arbeiten hier genauso selbstverständlich im Tech-Bereich wie woanders vielleicht im Marketing. Stellenanzeigen werden auf internationalen Jobbörsen geschaltet. „Bei uns geht es nicht um Äußerlichkeiten, sondern uns ging es immer um die Qualifikation und darum, ob jemand ins Team passt. Diversity sollte heutzutage ohnehin eine Selbstverständlichkeit sein.“

Bei Mailbutler arbeiten heute neun Nationalitäten

Mailbutler ist eine Erweiterung für das E-Mail-Programm – es hilft, das Postfach zu sortieren, Mails zu timen und Nachrichtenverläufe zu verwalten. Damit ist das Produkt interessant für eine breit gefächerte Zielgruppe. Nur fünf Prozent der Nutzer kommen aus Deutschland. „Wer heute ein internationales Produkt erfolgreich vertreiben will, sollte auch international an die Sache rangehen“, erklärt Knobl. Zu ihrem Kundenkreis gehören sowohl Einzelnutzer als auch große Unternehmen aus verschiedensten Industrien – also jeder, der beruflich mit E-Mails arbeitet.

Zum Team von Mailbutler gehören Menschen aus Brasilien, Polen, Ghana, Schweden, Hongkong, Rumänien, Deutschland und den Philippinen.
Zum Team von Mailbutler gehören Menschen aus Brasilien, Polen, Ghana, Schweden, Hongkong, Rumänien, Deutschland und den Philippinen.

© Thilo Rückeis

Bei Mailbutler arbeiten heute neun Nationalitäten – Brasilien, die Philippinen, Polen, Ghana, Schweden, Hongkong, Rumänien und Deutschland. „Das ist für alle ein enormer Vorteil. Schließlich bringen uns die verschiedenen Kulturen auch verschiedene Sichtweisen.“ Bürosprache ist Englisch. Bei so vielen unterschiedlichen Muttersprachen rede man auch mal aneinander vorbei, aber das sei bisher kein Problem gewesen. Ein Problem sei dagegen die bauliche Situation: das Büro befindet sich im dritten Stock, der Aufzug beginnt erst ab Etage eins. „Ich würde einen Bewerber nicht ablehnen wollen, weil er im Rollstuhl sitzt“, sagt Knobl, „aber momentan wäre das eine logistische Herausforderung.“

Die meisten Hürden bestehen aber auf administrativer Ebene, beispielsweise bei Auflagen für Aufenthaltsbestimmungen ausländischer Mitarbeiter, erklärt Janina Sundermeier. Gerade in der Gründungsphase fordere Diversität deshalb beachtliche Ressourcen. Aber der Aufwand scheint sich offenbar zu lohnen, denn Vielfalt bringt Chancen. Diese ungenutzt zu lassen sei unproduktiv und einem modernen Markt in einer pluralistischen Gesellschaft nicht angemessen. Die Erkenntnis ist nicht neu. Und doch zu alt, um erst eingeübt werden zu müssen. Es ist das Fundament, auf dem viele junge Unternehmen bauen: für sie ist das nicht einfach nur ein Managementprogramm.

Was die beiden kleineren Unternehmen vielen Bigplayern weit voraus haben, ist eine Kultur, die von Anfang an ohne Ressentiments gewachsen ist. Nicht die schlechteste Voraussetzung.

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