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Maike Kohl-Richter erklärt, sie habe keine amtlichen Dokumente - kümmere sich aber um den "politischen Nachlass"

© Oliver Berg/dpa

Verschwundene Altkanzler-Akten: Kanzleramt muss Briefverkehr mit Maike Kohl-Richter offen legen

Das öffentliche Interesse an Aufklärung überwiegt die Interessen der Witwe, urteilt das Verwaltungsgericht nach einer Tagesspiegel-Klage

Das Bundeskanzleramt muss seine Korrespondenz mit Helmut Kohls Erbin Maike Kohl-Richter zu bisher verschwunden Kanzleramtsakten offenlegen. Dies hat das Berliner Verwaltungsgericht am Mittwoch auf eine Klage des Tagesspiegels nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) entschieden (Az.: VG 2 K 202.18). Das Informationsinteresse überwiege das Interesse der Altkanzler-Witwe an Geheimhaltung, sagte Gerichtspräsidentin Erna Viktoria Xalter zur Begründung. Kohl-Richter könne in diesem Zusammenhang nicht wie eine Privatperson behandelt werden, da der Schriftverkehr in einem dienstlichen Kontext stehe. Der Verbleib der Akten sei ein Vorgang von allgemeinem Interesse, der mit Vorlage der Schreiben weiter aufgeklärt werden könne.

Nach seiner Abwahl soll der 2017 verstorbene CDU-Politiker hunderte Aktenordner mitgenommen haben, von denen viele in seinem früheren Wohnhaus im Ludwigshafener Stadtteil Oggersheim lagern sollen. Im selben Jahr hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Akten auch dann in die Regierungszentrale gehörten, wenn sie etwa an Parteistiftungen oder andere Private übergeben worden seien. Zwar hatte das Kanzleramt nach eigenen Angaben bei der Witwe dazu „um Austausch gebeten“, ob sie Unterlagen aufbewahre. Kohl-Richter antwortete jedoch, dass sie „nicht im Besitz amtlicher Unterlagen des Bundes sei“. Den entsprechenden Schriftverkehr dazu will die Regierungszentrale mit Zustimmung der Erbin dennoch zurückhalten. Es ließen sich daraus Rückschlüsse auf ihre Verhaltensweisen und ihre Persönlichkeit ziehen, hieß es.

Die Erbin will, dass "der Nachlass zusammenbleibt"

Zu Lasten der Kanzlerin geht nach Ansicht des Gerichts, dass Kohl-Richter ihren Anspruch auf Dokumente selbst öffentlich bekräftigt hat. So sagte sie etwa gegenüber dem Magazin „Stern“, dass sie bei der Entscheidung, wie der politische Nachlass ihres Mannes verwaltet werden solle, die „zentrale Rolle“ übernehme und andere dies verhindern wollten. Ihrem Mann sei wichtig gewesen, dass „der Nachlass zusammenbleibt und seriös zugänglich ist“. Wie, das lässt sie bisher offen. Es sei eine „Entscheidung für die Ewigkeit“.

Bisher ist offen, ob Kohl-Richters Behauptung, über keine amtlichen Dokumente zu verfügen, der Wahrheit entspricht. Offenkundig sieht sie den „politischen Nachlass“ Helmut Kohls eher als Privatangelegenheit. Das Bundesarchiv hatte sich nach Kohls Tod erfolglos an die Witwe gewandt und um Übergabe der Akten gebeten.

Bemühungen der Regierung sind unklar

Welche Bemühungen das Kanzleramt über den Schriftwechsel hinaus unternommen hat, um an die Akten zu kommen, ist unklar. Eine Auskunftsklage des Tagesspiegels hatte das Oberverwaltungsgericht im Mai 2018 in einem Eilverfahren mit dem Hinweis zurückgewiesen, dass es keinen hinreichend dringenden Aufklärungsbedarf gibt.

Das Verwaltungsgericht ließ eine Berufung gegen das Urteil nicht zu. Das Kanzleramt kann sich jedoch noch mit einer Beschwerde an die nächste Instanz wenden. Das Urteil ist eines der ersten nach der Unterbrechung durch die Pandemie. Das Gericht hat seine Sitzungstätigkeit am Dienstag mit Einschränkungen wieder aufgenommen.  

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