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In Berlin tummeln sich besonders viele Anbieter von E-Scootern.

© Getty Images/iStockphoto

Vermietungsgeschäft mit Rollern: E-Mopeds sind auf dem Vormarsch – und Städte wollen mehr Kontrolle über sie

Das Geschäft mit geteilten Mopeds boomt in mehr als 25 Ländern, wie ein Report zeigt. Welche Zukunft den Rollern bevorsteht, wird auch von ihrem Ruf abhängen.

Auch sie werden manchmal als Scooter bezeichnet. Allerdings werden sie im Sitzen gefahren und nicht, wie die häufig auf den Gehwegen liegenden E-Tretroller, im Stehen: Geteilte E-Mopeds gab es lange vor der E-Tretroller-Welle – und der Markt wächst rasant. 

Zwölf Millionen Menschen weltweit haben sich eine E-Moped-Sharing-App auf ihr Handy geladen, ein Plus von 33 Prozent gegenüber dem Vorjahr. „Der Markt ist nach wie vor im Wachstum, trotz Pandemie“, sagt Enrico Howe. Seit 2014 beobachtet der Moped-Sharing-Experte und Blogger den Markt. 

Gemeinsam mit dem Co-Autoren Alexander Gmelin, CPO beim Technologie-Unternehmen Invers, stellte Howe am Dienstag den neuen Global Moped Sharing Report vor. Es ist Howes fünfter Report seit dem Debüt im Jahr 2017.
„Die Sorge, dass die Coronapandemie zu Pleiten und Insolvenzen führen könnte, hat sich nicht bestätigt“, sagt Howe, „im Gegenteil“. 

Die Pandemie habe sich sogar als Wachstumstreiber für die Sharing-Branche erwiesen. „Die Angst vor einer Coronainfektion hat einen Trend zu mehr Individualmobilität ausgelöst“, sagt Howe. Der E-Moped-Branche habe das ein ,Window Of Opportunity’ eröffnet. 

„Nach einem Nachfrageeinbruch und einer abwartenden Haltung in der ersten Jahreshälfte 2020 haben die Anbieter ihre Flotten ab der zweiten Jahreshälfte und im ersten Halbjahr 2021 weiter ausgebaut.“ Damit setzt sich der Trend aus dem vergangenen Jahr fort.

In Westeuropa boomt das Geschäft mit den geteilten Mopeds

110.000 geteilte Mopeds in 175 Städten und 27 verschiedenen Ländern sind weltweit zugelassen, haben die Studienautoren ermittelt. Im Vergleich zum Vorjahr ist die globale Flotte damit um zehn Prozent gewachsen. Verbrenner gibt es darunter kaum.

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97 Prozent der geteilten Mopeds sind elektrisch unterwegs, 87 Betreiber sind mittlerweile auf dem Markt aktiv. „Westeuropa ist der große Wachstumstreiber“, sagt Howe über die Entwicklung innerhalb des letzten Untersuchungszeitraums.

Je nach Anbieter zahlen Kunden für das Mieten eines E-Scooters pro Minute, Stunde oder Tag.
Je nach Anbieter zahlen Kunden für das Mieten eines E-Scooters pro Minute, Stunde oder Tag.

© dpa

Wie auch in den Jahren zuvor sind in Westeuropa eins von drei geteilten E-Mopeds stationiert. Neben Deutschland gehören die Niederlande, Spanien und Frankreich zu den größten Märkten. „In Deutschland ist die Flotte von 7000 Fahrzeugen um 86 Prozent auf jetzt 13.000 gewachsen“, sagt Howe. 

In Berlin tummeln sich diverse Anbieter

Allein in Berlin hat sich die E-Moped-Flotte zwischen Sommer 2020 und 2021 von 2400 auf 5000 E-Mopeds mehr als verdoppelt. „Das ist auch darin begründet, das mit Felyx, Check und Go Sharing drei neue Anbieter aus den Niederlanden nach Deutschland expandiert sind“, erklärt Howe das Wachstum. In Berlin sind die tannengrünen Roller des 2017 von Quinten Selhorst gegründeten Start-ups Felyx seit Juli unterwegs.

Der Pionier auf dem Berliner Sharing-Markt, das 2015 gegründete Unternehmen Emmy (früher Emio), wurde nach einer Millionen-Finanzierungsrunde im Coronajahr 2020 kürzlich von dem israelischen Unternehmen Go-To Global Mobility übernommen. Unter dem Dach des neuen Eigentümers soll Emmy zu einer multimodalen Mobilitätsplattform ausgebaut werden, über die sich neben den roten E-Mopeds im Retro-Look auch E-Tretroller, Autos und Fahrräder buchen lassen.

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Der als E-Tretroller-Verleiher gestartete Wettbewerber Tier aus Berlin hat nach der Übernahme der E-Moped-Flotte der Bosch-Tochter Coup Anfang 2020 ebenfalls beide Scooter-Typen im Angebot. „Die Entwicklung hin zu multimodalen Plattformen ist einer der Trends, den wir auf dem globalen E-Moped-Sharing-Markt beobachten“, sagt Invers-CPO Gmelin.

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Nicht nur in Berlin sind die elektrischen Vespas zu finden. Auf die E-Moped-Hauptstadt folgen Hamburg, Düsseldorf, Köln und München. Insgesamt 28 Betreiber haben ihre E-Mopeds in 33 deutschen Städten verteilt. Zwei von drei Mopeds werden dabei von einem der vier großem Anbieter Emmy, Tier, Felyx oder Go Sharing gestellt.

Neue Abrechnungsmodelle sind im Kommen

Aber auch Stadtwerke versuchen, in dem Markt Fuß zu fassen und bieten in kleineren Städten ein motorisiertes Zweirad zum Teilen an. So stellen die Stadtwerke Bruchsal unter dem Namen „moritz“ in der baden-württembergischen Stadt im Landkreis Karlsruhe eine Flotte mit 20 blauen E-Mopeds.

Neben dem Trend, verschiedene Sharing-Fahrzeuge auf einer Flotte zusammenzufassen, ändern sich auch die Geschäftsmodelle. Statt ausschließlich pro Minute abzurechnen, bieten die Betreiber auch Stunden-, oder Tagesmieten sowie Leasing an. Ähnliches lässt sich auf dem Automarkt beobachten. Längst lässt sich die Linie zwischen Kurzzeitmiete (Carsharing) und dem klassischen Mietwagengeschäft nicht mehr trennscharf ziehen.

Eine weitere Beobachtung der Studienautoren: „Es kommen neue Fahrzeugtypen hinzu“, sagt Gmelin, „beispielsweise Hybridformen zwischen Fahrrad und Moped, aber auch sogenannte Microcars“. Letztere sehen aus wie kleine Autos, können in der Regel allerdings nicht viel schneller als 15 km/h fahren und werden mitunter per Pedal angetrieben.

Batteriewechsel werden zum Standard

Das gelte insbesondere für Indien, einem Land, wo der E-Moped-Markt nach Ansicht der Autoren noch ganz am Anfang steht, aber in den nächsten Jahren an Fahrt aufnehmen dürfte. Die Regierung hat das Ziel ausgerufen, das Land zu einem Zentrum für Elektromobilität werden zu lassen. Ein Grund für die Diversifizierung des Sharing-Fahrzeugmarktes in Indien sei, dass viele Menschen dort keinen Führerschein besitzen, erläutert Howe. 

Für das Sharing-Modell werden also Fahrzeugtypen entwickelt, die auch ohne Führerschein gefahren werden dürfen. Ebenfalls in Indien hat sich jüngst der Mineralölkonzern BP mit dem Vesper-Hersteller Piaggio aus Italien zusammengetan, um unter der Flagge der indischen Tochtergesellschaft Jio-BP in das Geschäft mit Batteriewechselstationen einzusteigen. 

Ein junge im indischen Ahmedabad bereitet seinen E-Scooter zur Aufladung vor.
Ein junge im indischen Ahmedabad bereitet seinen E-Scooter zur Aufladung vor.

© REUTERS

Gemeinsam mit dem japanischen Mischkonzern Yamaha, dem japanischen Autobauer Honda und dem Motorrad- und Sportwagenhersteller KTM aus Österreich arbeitet Piaggio an einem Standard für Batterieaustauschsysteme. „Systeme mit Batteriewechselstationen nach dem Vorbild Gogoros in Taiwan dürften in Zukunft eine immer größere Rolle spielen“, sagt Gmelin von Invers.

China und Taiwan gelten als Moped-Pioniere

In Taiwan hat Gogoro schon vor Jahren ein dichtes Netz an Akkuwechselstationen entlang der Hauptverkehrsrouten installiert. In Deutschland arbeitet Tier mit dem Batterie-Start-up Swobbee zusammen. Der größte Hersteller von Sharing-Fahrzeugen ist mit 22 Prozent Marktanteil Niu aus China, gefolgt von dem taiwanesischen E-Rollerhersteller Kymco, Vmoto aus Australien und dem europäischen Hersteller Govecs, die jeweils auf rund zehn Prozent Marktanteil kommen. 

Gogoro aus Taiwan bringt es auf acht Prozent. „Aktuell werden 80 Prozent des Marktes durch nur sieben Fahrzeughersteller beliefert“, sagt Howe. Die traditionellen Moped- und Vespa-Hersteller wie Piaggio oder Yamaha seien dabei bisher kaum vertreten, was daran liege, dass sie erst spät in die Produktion von E-Modellen eingestiegen seien. 

Ein Mann fährt mit seinem Scooter an einem Obststand in der taiwanesischen Stadt Kinmen vorbei.
Ein Mann fährt mit seinem Scooter an einem Obststand in der taiwanesischen Stadt Kinmen vorbei.

© REUTERS

„Die Elektrifizierung der Mopeds kam aus der Nische", fasst Howe zusammen. Die ersten Impulse kamen aus China, Taiwan und Europa. Wie sich der Markt künftig entwickelt, hängt nicht zuletzt von den regulatorischen Rahmenbedingungen ab.

Die Studienautoren gehen davon aus, dass die Städte in Zukunft eine größere Rollen spielen werden. „Zunehmend greifen Städte und Kommunen beispielsweise über Ausschreibungen regulierend in den Shared-Mobility-Markt ein“, sagt Gmelin und verweist auf die französische Hauptstadt Paris, die die Zahl der zugelassenen E-Tretroller dadurch begrenzt hat. 

„Dabei ist es wichtig, dass die Regulierungen sowohl die Interessen der Bewohner als auch die der Sharing-Anbieter berücksichtigen." Traditionell haben die E-Mopeds heute einen besseren Ruf als ihre kleineren Namensvettern, die E-Tretroller. Nicht ausgeschlossen, dass die Wahrnehmung kippt, wenn die Anzahl der Fahrzeuge weiter wächst.

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