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Ein Radfahrer steht mit seinem Fahrrad neben einem LKW mit einem Abbiegeassistenten.

© Klaus-Dietmar Gabbert / dpa

Verkehrssicherheit: Nur 0,8 Prozent der Lkw des Bundes fahren mit Abbiegeassistenten

Von Tausenden LKW des Bundes verfügen nur drei Dutzend über Warnsysteme beim Rechtsabbiegen. Und daran wird sich auf absehbare Zeit wenig ändern.

LKW haben beim Rechtsabbiegen im wahrsten Sinne des Wortes einen „toten Winkel“: Im Schnitt stirbt nahezu jede Woche etwa ein Radfahrer in Deutschland dadurch, dass sie oder er vom Fahrer eines rechtsabbiegenden Lasters übersehen wird. Etwa 1500 werden jedes Jahr auf diese Weise verletzt. Der Bundestag hat daher die Bundesregierung im Sommer auch bereits dazu aufgefordert, zusätzlich zu neuen EU-Regeln auf nationaler Ebene Regelungen umzusetzen, um Abbiegeassistenten in Deutschland schneller einzuführen.

Doch schon die LKW-Flotte, die der Bundesregierung in ihren Ministerien und Behörden selbst untersteht, läuft Gefahr, Radfahrer zu übersehen: Gerade einmal 35 der gut 4200 LKW des Bundes verfügen über einen Abbiegeassistenten. Bei den über 12.000 Lastern der Bundeswehr sind es nur zwei. Das geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt.

Nur 165 Nachrüstungen geplant

Demnach wird sich daran auch nicht so schnell etwas ändern: Obwohl 2019 weitere 343 LKW angeschafft werden, sollen davon erneut nur 29 einen Abbiegeassistenten erhalten.  Von den bereits vorhandenen über 16.000 LKW, die die Bundesregierung in ihrer Antwort nicht zwischen Kleintransporter und Sattelschlepper unterscheidet, sollen nur 165 entsprechend nachgerüstet werden.

Der elektronische Abbiegeassistent für LKW warnt den Fahrzeugführer meist über akustische und optische Signale vor anderen Straßenverkehrsteilnehmern im „toten Winkel“, um Kollisionen mit oftmals schweren Folgen für diese zu vermeiden. Bislang sind solche Warnsysteme allerdings die Ausnahme in der technischen Ausstattung von schweren Nutzfahrzeugen. Gesetzlich vorschreiben kann Deutschland die Abbiegeassistenten nicht: Dazu ist eine EU-Regelung nötig, die erst 2022 kommen soll.

„Der Bundestag hat die Einführung von LKW-Abbiegeassistenzsystemen beschlossen und die Bundesregierung aufgefordert, umgehend tätig zu werden - auch auf nationaler Ebene“, sagte Stefan Gelbhaar, Sprecher für städtische Mobilität und Radverkehr der Grünen-Bundestagsfraktion dem Tagesspiegel. Die Bundesregierung und die Fahrzeugindustrie müssten sich deutlich mehr anstrengen, um Fahrassistenzsysteme zum Schutz des Fahrzeugumfelds flächendeckend einzuführen. „Nur die Fahrzeuginsassen zu schützen, wird weder dem Stand der Technik noch dem aktuellen Unfallgeschehen gerecht.“

Technisch stehen die Hersteller von Abbiegeassistenten vor der Herausforderung, zwar ausreichend zu warnen – zugleich aber viele Fehlermeldungen zu vermeiden. Mercedes verkauft seit etwa zwei Jahren unter anderem für seinen Schwerlaster Actros eine Lösung. Kostenpunkt: 2500 Euro. Es gibt aber auch Firmen, die sogar für rund die Hälfte eine Nachrüstung anbieten. „Die Industrie hat in den vergangenen Jahren einige Zeit vertrödelt. Aber politisch sind wir jetzt auf einem guten Weg“, sagt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft.

Hauptgegner Auto

Nach Angaben des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) ist die Zahl der durch abbiegende LKW getöteten Radfahrerinnen und Radfahrer seit 2013 von 28 auf 38 angestiegen. Hinzu kommen etwa 1500 Verletzte. Überdurchschnittlich häufig betroffen sind Kinder, Frauen und Senioren.

„Neben Systemen, die die Einhaltung der korrekten Geschwindigkeit überwachen, brauchen wir vor allem verpflichtende Abbiege- und Notbremsassistenten in Kraftfahrzeugen“, sagt ADFC-Sprecherin Stephanie Krone. „Es kann nicht sein, dass in Hightech-Deutschland jede Woche Menschen sterben, weil sie von Autofahrerinnen und LKW-Fahrern nicht gesehen werden.“ Größtes Problem für die Sicherheit von Radfahrerinnen und Radfahrern bleibe indes die miserable Infrastruktur für Radfahrer: etwa zu wenige, zugeparkte oder zu schmale Radwege sowie eine fehlende getrennte Ampelschaltung für Geradeaus-Radverkehr und abbiegenden Kraftverkehr.

Hauptunfallgegner des Fahrrads ist ohnehin das Auto: Laut dem GDV werden nur etwa 14 Prozent der getöteten Radfahrer von einem LKW erfasst, von einem PKW jedoch 38 Prozent. Bei den Fußgängern ist der Unterschied sogar noch deutlicher. In Berlin war laut dem Fachverband Fußverkehr Deutschland (FUSS) vergangenes Jahr ein PKW fast zehn Mal häufiger an einem Unfall mit einem Fußgänger an einer Kreuzung beteiligt als ein LKW. 425 Fußgänger seien so leicht verletzt worden, 105 schwer. Und drei starben.

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