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Der Präsident des Verkehrsgerichtstags, Kay Nehm, kritisierte die "unangebrachte Hast" des Gesetzgebers beim Thema autonomes Fahren.

© dpa

Verkehrsgerichtstag in Goslar: Gegenwind für autonomes Fahren

Die Juristen des Verkehrsgerichtstags haben große Bedenken angesichts der neuen Regeln und kritisieren den technikfeindlichen Rückschritt.

Kritik an den neuen Regeln zum autonomen Fahren: Die Bundesregierung bekam am Donnerstag kräftig Gegenwind aus Goslar. Der am Vortag vom Bundeskabinett gebilligte Gesetzentwurf von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) zum automatisierten Fahren stieß auf dem Verkehrsgerichtstag (VGT) auf wenig Begeisterung. VGT-Präsident Kay Nehm kritisierte eine „völlig unangebrachte Hast“ des Gesetzgebers; technische wie ethische Bedenken fänden nicht die gebotene Beachtung.

Unklar sei die jetzige Stoßrichtung des Ministers. Wolle er – wie ursprünglich vorgesehen – ein „technikbasiertes Fahren bei Wahrnehmungsbereitschaft des Fahrers“? Oder lasse Dobrindt das autonome Fahren nun doch zur einer „qualifizierten Lenkhilfe unter fortbestehender Verantwortung und Kontrolle des Fahrzeugführers“ schrumpfen? Dann aber blieben die Vorteile der Automatisierung auf der Strecke. Dieser „technikfeindliche Rückschritt“ hätte dann negative Folgen für die deutsche Autoindustrie.

Wer trägt bei Unfällen die Verantwortung?

Der Verkehrsminister hatte von einer „rechtlichen Gleichstellung von Fahrer und Computer“ gesprochen: „Wir ermöglichen damit, dass der Fahrer während der hochautomatisierten Fahrt die Hände vom Lenker nehmen darf, um etwa im Internet zu surfen.“ An dieser Sichtweise hat ADAC-Chefjurist Markus Schäpe allerdings seine Zweifel.

Grund: Laut Novelle des Straßenverkehrsgesetzes ist „Fahrzeugführer auch derjenige, der eine hoch- oder vollautomatische Fahrfunktion aktiviert und zur Fahrzeugsteuerung verwendet, auch wenn er im Rahmen der bestimmungsgemäßen Verwendung dieser Funktion das Fahrzeug nicht eigenhändig steuert“. Nach diesem Wortlaut bleibe der Fahrer immer verantwortlich, meinte Schäpe.

Wenn er seine Hände vom Lenkrad nehme und dann ein Unfall passiere, sei er dran. „Hier brauchen wir unbedingt eine Klarstellung.“ Andernfalls werde eine Automatisierung bei den Autokäufern nicht akzeptiert. Das Ministerium wollte sich zu Einzelheiten nicht äußern. Nach dem Kabinettsbeschluss gehe die Novelle nun in das parlamentarische Verfahren, in den vergangenen Wochen sei der Entwurf noch einmal verändert worden, erklärte das Pressereferat.

Auch Fahrverbote als Sanktion abgelehnt

Fast unisono lehnten die VGT-Experten den Zwangsverzicht aufs Auto als Sanktion bei allgemeiner Kriminalität ab. Der Gesetzgeber habe sich hier „gehörig vergaloppiert“, meinte Präsident Nehm. Das Bundeskabinett hatte vor Weihnachten einen Entwurf von Justizminister Heiko Maas (SPD) gebilligt, wonach das Fahrverbot auf alle Delikte ausgeweitet und zudem von drei auf sechs Monate ausgedehnt werden soll.

Bisher ist diese Sanktion nur für Verkehrsverstöße oder für Taten vorgesehen, bei denen ein Zusammenhang mit dem Führen eines Fahrzeugs besteht. Maas wolle den Strafgerichten „ein zusätzliches Mittel an die Hand geben, um zielgenau, spürbar und schuldangemessen auf den Täter einzuwirken“, lautet die Begründung.

Als unpraktikabel und ungerecht kritisieren Richterbund, Automobilclubs und Verkehrsanwälte das erweiterte Fahrverbot. „Pendler in Gebieten mit schlechter Infrastruktur würden härter getroffen als Personen, die in Großstädten leben“, warnte Gerhard Hillebrand vom Deutschen Anwaltverein.

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