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Vergangenheitsbewältigung: VW zahlt einen Massenvergleich für die Dieselmanipulationen.

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Update

Vergleich für Dieselfahrer: VW-Kunden können sich jetzt anmelden

Hunderttausende Dieselfahrer bekommen Geld. Die Summen liegen zwischen 1350 und 6257 Euro. Geld fließt im Mai. Das Interesse ist groß.

Hunderttausende Eigentümer eines VW-Diesel bekommen jetzt Post vom Volkswagen-Konzern.

Seit diesem Freitag können sich Kunden, die einen Diesel der Marken VW, Seat, Audi und Skoda mit dem Manipulationsmotor EA189 gekauft haben, im Internet (www.mein-vw-vergleich.de) oder telefonisch bei einem von VW eingerichteten Servicecenter registrieren, um in den Genuss einer Entschädigung für die manipulierte Abgassoftware zu bekommen.

Das Angebot richtet sich an Verbraucher, die sich der Musterfeststellungsklage des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (VZBV) gegen VW angeschlossen hatten. VW und der VZBV hatten sich Ende Februar auf einen Vergleich geeinigt. Danach zahlt Volkswagen je nach Modell und Modelljahr zwischen 1350 Euro und 6257 Euro. Volkswagen stellt insgesamt 830 Millionen Euro zur Verfügung.

Wie lange habe ich Zeit?

Kunden haben einen Monat Zeit, sich zu überlegen, ob sie das Vergleichsangebot annehmen. Die Frist läuft bis zum 20. April und wird auch nicht verlängert. Rechtlich sieht die Konstruktion so aus, dass das Vergleichsangebot vom Kunden kommt, VW sammelt diese Angebote und nimmt sie gebündelt am 20. April an. Verbraucher haben danach die Möglichkeit, den Deal innerhalb von zwei Wochen zu widerrufen. Das heißt: Volkswagen beginnt erst am 5. Mai mit der Auszahlung des Geldes.

An diesem Tag verhandelt der Bundesgerichtshof erstmals über die Ansprüche von Dieselkunden gegen Volkswagen. Je nachdem, wie die höchsten Zivilrichter entscheiden, kann sich das Vergleichsangebot, das übrigens nicht individuell verhandelbar ist, im nachhinein als gutes oder als schlechtes Angebot darstellen. Wer sich auf den Vergleich eingelassen hat, kann dann aber nicht mehr umsteuern.

Dieselanwalt Claus Goldenstein forderte am Freitag, dass VW die Frist wegen der Covid-19-Epidemie verlängern soll, damit die Kunden nicht mitten in der Krise zum Anwalt gehen müssten, um sich juristisch beraten zu lassen. Doch mit Blick auf die Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof dürfte es unwahrscheinlich sein, dass dieser Appell wirkt.

VZBV-Chef Klaus Müller hatte VW verklagt, am Ende haben die Verbraucherschützer einen Vergleich herausgeholt.
VZBV-Chef Klaus Müller hatte VW verklagt, am Ende haben die Verbraucherschützer einen Vergleich herausgeholt.

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Wie viele Menschen können den Vergleich schließen?

Das Bundesamt für Justiz hatte anfangs 470.000 Anmeldungen für das Klageregister zur Musterfeststellungsklage bekommen. 70.000 Menschen hatten sich allerdings wieder abgemeldet, die meisten, um auf eigene Faust zu prozessieren. Zudem gab es viele Doppelmeldungen, Fake-Anmeldungen und Anmeldungen von Unternehmen. Die Musterfeststellungsklage ist jedoch ausschließlich Verbrauchern vorbehalten.

Geblieben sind 328.500 Personen, die jetzt allesamt Post von VW bekommen werden. Der Konzern schätzt jedoch, dass viele der Angeschriebenen die Anforderungen nicht erfüllen, die für den Vergleich nötig sind. Berechtigt sind nach Schätzung des Konzerns 262.500 Menschen. VW erklärte am Freitag, man hoffe, dass alle "Vergleichsberechtigten den Vergleich abschließen und damit die 830 Millionen Euro voll ausschöpfen."

Wer ist berechtigt?

Um den Vergleich nutzen zu können, müssen Kunden bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Sie müssen einen Audi, Seat, Skoda oder VW mit einem EA 189-Dieselmotor gekauft haben.

Der Kauf muss vor dem 1. Januar 2016 geschehen sein. Hat das Fahrzeug mehrfach den Eigentümer gewechselt, ist der letzte Käufer vor dem 1. Januar 2016 der Berechtigte.

Weitere Vorgaben: Beim Kauf müssen die Verbraucher ihren Wohnsitz in Deutschland gehabt haben.

Die Kunden müssen sich in das Klageregister zur Musterfeststellungsklage eingetragen haben und dürfen sich nicht zwischenzeitlich abgemeldet haben.

Wer seinen Anspruch abgetreten hat (etwa an My Right) oder bereits auf eigene Faust geklagt hat, kann sich an dem Vergleich nicht beteiligen.

Die gut 37.000 Menschen, die nach dem Stichtag gekauft haben oder ihren Wohnsitz im Ausland hatten, werden von VW darüber informiert, dass für sie der Vergleich nicht in Frage kommt. Sie können sich dann überlegen, ob sie auf eigene Faust Klage einreichen.

Abgasmessung: Die Manipulationssoftware hatte für bessere Messwerte auf dem Prüfstand als auf der Straße gesorgt.
Abgasmessung: Die Manipulationssoftware hatte für bessere Messwerte auf dem Prüfstand als auf der Straße gesorgt.

© AFP

Wie funktioniert das Verfahren?

VW verschickt Briefe an die Kunden. Darin finden diese ihren persönlichen Benutzernamen und eine persönliche Pin, mit denen sie sich auf der Vergleichsplattform anmelden können. Nach dem Log-In muss man die Fahrzeugidentifikationsnummer angeben und bekommt bereits in diesem frühen Stadium den Betrag genannt, den VW zu zahlen bereit ist.

Wer dann noch interessiert ist, muss weitere Fragen zum Fahrzeug beantworten, den Fahrzeugbrief hochladen und eine Bankverbindung angeben. Alternativ kann man sich auch an das Call-Center wenden, das VW betreibt, Telefon: 05361/379 05 06.

Wann gibt es Geld?

VW beginnt mit der Auszahlung ab dem 5. Mai. Der Prozess kann sich über zwölf Wochen hinziehen. "Unser Interesse ist, dass der Ablauf so unbürokratisch und reibungslos wie möglich abläuft", betont VW. "Alle Vergleichsberechtigten sollen ihr Geld so schnell wie möglich bekommen."

Für wen lohnt sich der Vergleich?

Die Vergleichssumme richtet sich nach dem Modell und dem Modelljahr. Nach der Matrix, die dem Tagesspiegel vorliegt, wird die niedrigste Summe (1350 Euro) für die Modelle Polo, Fabia, Roomster, Praktik (alle Skoda) Ibiza (Seat) und Audi A1 mit dem Modelljahr 2008 gezahlt. Beim Modelljahr 2016 gibt es für diese Modelle 3038 Euro.

6257 Euro, und damit das Spitzenangebot, erhält man für einen Audi A6, Modelljahr 2016.

Bei der Berechnung des Entschädigungsvolumens haben VW und der VZBV einen durchschnittlichen Kaufpreis von 21.365 Euro zu Grunde gelegt. Die 830 Millionen Euro würden rund 15 Prozent des Kaufpreises decken. Das, so sagt der VZBV, entspricht in etwa dem, was die meisten Vergleiche, die VW mit seinen Kunden geschlossen hat, enthalten.

Lassen Sie sich beraten!

„Verbraucher haben die Wahl, ob sie schnell und unkompliziert die Entschädigung nehmen oder über eine Einzelklage versuchen, einen höheren Betrag herauszuholen", betont Ronny Jahn vom VZBV. "Deshalb sollte sich jeder individuell bei einem Anwalt seiner Wahl beraten lassen“. VW bezahlt bis zu 190 Euro für eine Beratung beim Rechtsanwalt, wenn der Kunde später den Vergleich schließt. Tut er das nicht und klagt selber, fließt das Beratungshonorar ohnedies in das Mandat ein.

Ob man mit dem Vergleich besser fährt als mit der Individualklage, hängt davon ab, wie der Bundesgerichtshof entscheiden wird. Wichtig ist vor allem die Frage, ob Kunden nach Meinung der Richter eine Nutzungsentschädigung an VW zahlen müssen, weil sie mit dem Auto unterwegs waren, oder ob sie einen möglichen Schadensersatz in voller Höhe bekommen werden. Das ist offen.

Das Vergleichsangebot ist für alle attraktiv, die keine Lust mehr auf weitere Prozesse haben und schnell Geld sehen wollen. Nach Meinung von Verbraucheranwälten profitieren auch Eigentümer von Gebrauchtwagen überproportional, weil der Vergleich nicht zwischen Neu- und Gebrauchtwagen unterscheidet.

Und: „Für eine Gruppe lohnt sich der Vergleich auf jeden Fall: die Menschen, die sich ins das Klageregister haben eintragen lassen, ohne den Anspruchsgrund korrekt zu nennen. Sie profitieren von dem Vergleich, obwohl die Anmeldung zum Register eigentlich nicht korrekt war und der Anspruch dadurch verjährt sein könnte", sagt Verbraucherjurist Jahn.

Und wenn ich selber klagen will?

Das wird Ende April auch für diejenigen möglich sein, die sich der Musterfeststellungsklage angeschlossen haben. Dann nimmt der VZBV die Klage zurück und macht so den Weg frei für Einzelklagen. Diese sind dann bis Ebde Oktober möglich.

Brigitte Zypries, Ex-Bundesjustiz- und -wirtschaftsministerin, gehört der Ombudsstelle für den VW-Vergleich an.
Brigitte Zypries, Ex-Bundesjustiz- und -wirtschaftsministerin, gehört der Ombudsstelle für den VW-Vergleich an.

© dpa

Wer schaut VW auf die Finger?

VW hat nicht nur Wirtschaftsprüfer damit beauftragt, das Verfahren zu überwachen. Es gibt auch eine hochkarätig besetzte Ombudsstelle, an die sich Kunden bei Streit mit dem Autokonzern wenden können. Die Schlichtungsstelle besteht aus drei Mitgliedern: Ex-Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), dem früheren Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar (Bündnis90/Die Grünen) und Günter Hirsch, der Präsident des Bundesgerichtshofs war und lange Jahre die Schlichtungsstelle der Versicherungswirtschaft geleitet hatte.

Wie reagieren die Kunden?

Das Interesse, sagt ein VW-Sprecher, sei riesengroß: "Das Interesse an dem Vergleich übersteigt unsere Erwartungen um ein Vielfaches." Die Internetseite war vorübergehend nicht erreichbar.

Bis Freitag Mittag hatten nach Unternehmensangaben bereits mehrere tausend Menschen den Vergleichsprozess vollständig abgeschlossen. 23.000 Personen hatten sich registriert. Das Callcenter hat bis zum Mittag knapp 30.000 Anrufe beantwortet, berichtete der Sprecher. Gegenwärtig seien die Callcenter problemlos erreichbar.

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