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Sind Amazon, Apple, Facebook und Google zu mächtig? Das Bundeskartellamt prüft.

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Verfahren gegen Google, Facebook, Amazon und Apple: Das Bundeskartellamt greift an

Sind die Internetriesen zu mächtig? Die Behörde prüft das in neuen Grundsatzverfahren. Doch das ist nicht alles. Weitere Fälle sind bereits anhängig.

Will man in Zeiten der Fußball-Europameisterschaft die Strategie des Bundeskartellamts beschreiben, so würde man sagen, die Wettbewerbsbehörde spielt auf Angriff. Behördenchef Andreas Mundt drückt das etwas vorsichtiger aus: Man mache von den neuen Möglichkeiten, die das Wettbewerbsrecht biete, „beherzt Gebrauch“, sagte er am Mittwoch bei der Vorstellung der Jahresbilanz seines Hauses in Bonn.

Doch das ist etwas untertrieben: Immerhin hat das Kartellamt in den vergangenen Monaten gegen die vier mächtigsten Internetkonzerne der Welt Verfahren eröffnet. Die Behörde will untersuchen, ob Apple, Google, Facebook und Amazon eine marktübergreifende Bedeutung haben, die den Wettbewerb beeinträchtigen könnte. Falls das nach Meinung der Wettbewerbshüter der Fall ist, kann das Amt die zweite Stufe zünden und den Anbietern bestimmte Verhaltensweisen verbieten. „Wir könnten dann schneller handeln“, freut sich Mundt.

Will von den neuen rechtlichen Möglichkeiten "beherzt Gebrauch machen": Kartellamtspräsident Andreas Mundt.
Will von den neuen rechtlichen Möglichkeiten "beherzt Gebrauch machen": Kartellamtspräsident Andreas Mundt.

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Das nötige Werkzeug gibt den Wettbewerbshütern die 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Sie ist seit Januar in Kraft und soll die Behörde schlagkräftiger machen – vor allem, wenn es darum geht, den Wettbewerb im Internet zu sichern. Die Internetwirtschaft ist ein „absoluter Schwerpunkt“ der Arbeit des Bundeskartellamts, betont Mundt denn auch. Wann die Grundsatzverfahren abgeschlossen sein werden, kann der Behördenchef allerdings noch nicht sagen. Das hänge auch von den Unternehmen ab.

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Es laufen bereits zahlreiche Verfahren

Worum es im Konflikt mit den Internet-Riesen geht, zeigen die Verfahren, die die Behörde jenseits ihrer neuen Grundsatzuntersuchung bereits gegen die großen Konzerne führt. Mit Facebook streitet man über den Datenschutz der Nutzer, das Verfahren hängt inzwischen beim Europäischen Gerichtshof. In einem zweiten Fall prüft die Behörde, ob Facebook Nutzer der Virtual Reality-Brille Oculus zu einem Datenaustausch mit dem Netzwerk zwingen kann.

Das Bundeskartellamt will künftig ein Wettbewerbsregister führen, in dem Schwarze Schafe aufgelistet sind.
Das Bundeskartellamt will künftig ein Wettbewerbsregister führen, in dem Schwarze Schafe aufgelistet sind.

© dpa

Bei Amazon geht es in zwei aktuellen Verfahren um den Umgang mit Händlern, die ihre Waren auf dem Amazon-Marketplace anbieten. Konflikte sind die Einflussnahme des US-Konzerns auf die Preissetzung und eine mögliche Bevorzugung von Markenartikelherstellern.

Auch gegen Google geht das Bundeskartellamt in mehreren aktuellen Fällen vor. Zum einen untersucht die Behörde das Verhältnis der Suchmaschine zu deutschen Verlagen, die am neuen Nachrichtendienst Google News Showcase teilnehmen wollen. Zum anderen geht es um den Datenschutz der privaten Google-Nutzer. Vor kurzem hatte die EU-Kommission ein ähnliches Verfahren gegen Google eröffnet, in dem es um das Werbegeschäft geht. „Wir ergänzen uns“, sagte Mundt mit Blick auf die Zusammenarbeit mit der Kommission und den Wettbewerbsbehörden anderer Länder.

Weniger Bußgelder gegen Kartellsünder

Während der Internetbereich an Schwung gewonnen hat, leidet die Kartellverfolgung unter der Corona-Pandemie. Denn Durchsuchungen vor Ort waren im vergangenen Jahr angesichts der Krise kaum möglich, in diesem Sommer, so hofft Mundt, sollen die Ermittlungen vor Ort aber wieder durchführbar sein. Im vergangenen Jahr verhängte das Amt wegen verbotener Absprachen Bußgelder in Höhe von rund 349 Millionen Euro gegen 19 Unternehmen und 24 natürliche Personen. Zum Vergleich: Im Vor-Corona-Jahr 2019 waren es rund 848 Millionen Euro gewesen.

Zudem prüfte die Behörde 2020 rund 1200 angemeldete Fusionsvorhaben. Deren Zahl wird jedoch durch die GWB-Novelle sinken. Weil die Umsatzschwellen angehoben wurden, wird sich die Zahl der Verfahren wohl um 40 Prozent reduzieren, glaubt Mundt.

Großen Ehrgeiz setzt das Bundeskartellamt in ein Projekt, das im Herbst an den Start gehen soll: das neue Wettbewerbsregister. In diesem rein digitalen Verzeichnis sollen Unternehmen aufgelistet werden, die sich etwas zu Schulden haben kommen lassen und deshalb keine öffentlichen Aufträge erhalten dürfen. Dazu zählen etwa Steuerhinterziehung, Menschenhandel, nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge und andere Fälle von Wirtschaftskriminalität.

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Die Daten bekommt das Bundeskartellamt unter anderem von den Staatsanwaltschaften und dem Zoll. Bei leichteren Verstößen dürfen Firmen drei Jahre lang keine Aufträge von der öffentlichen Hand bekommen, bei schweren Vergehen sind sie fünf Jahre lang gebannt. Diese Regelung gibt es zwar schon heute, aber in vielen Fällen wird sie nicht umgesetzt – wegen fehlender Information. „Solche Unternehmen sind zwar heute schon ausgeschlossen, aber der Auftraggeber weiß es nicht“, sagt Mundt. Das neue Register soll das ändern.

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