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Waschen und bügeln. Frauen leisten nach wie vor deutlich mehr unbezahlte Tätigkeiten als Männer. Vor allem dann, wenn Paare Kinder haben.

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Vereinbarkeitsdilemma: Helfer für den Haushalt

Kita-Plätze und flexible Arbeitszeiten sollen arbeitenden Eltern helfen. Weil das nicht reicht, geben immer mehr Menschen Geld dafür aus, dass andere für sie putzen und waschen.

Wenn eine Frau vor hundert Jahren gearbeitet hat, dann meist als Dienstmädchen. Sie stand im Haus als Erste auf, machte das Frühstück, putzte, nähte, ging einkaufen, kochte. Feste Arbeitszeiten gab es nicht. Der Tag war zu Ende, wenn alles erledigt war. Heute können Frauen in Deutschland werden, was immer sie möchten. Sie können Astronautin sein oder Bundeskanzlerin. Doch wenn sie Karriere machen, Kinder haben, bleibt oft keine Zeit mehr für anderes – wie die Hausarbeit.

Dabei sind es nach wie vor die Frauen, die sich in Deutschland um den Haushalt kümmern. Laut dem aktuellen Gutachten für den zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung leisten Frauen am Tag 52,4 Prozent mehr unbezahlte Tätigkeiten als Männer. Haben Paare Kinder, liegt der sogenannte Gender Care Gap sogar bei 83 Prozent. Bislang sollen ihnen vor allem Kita-Plätze und flexible Arbeitszeiten dabei helfen, Familien- und Berufsleben besser miteinander zu vereinbaren. Doch oft reicht das nicht aus. Daher geben immer mehr Menschen Geld dafür aus, dass andere für sie putzen und einkaufen. Waren Dienstmädchen früher ein Zeichen für Luxus, erkaufen sich heute gestresste Menschen mithilfe von Dienstleistern vor allem eines: Zeit.

Anbieter wie Helpling erkennen den Trend

Holger Bonin vom Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit erkennt einen deutlichen Trend. „Vor allem Mütter in Doppelverdiener-Haushalten und Alleinerziehende tun sich schwer, den Anforderungen von Beruf, Familie und Alltag gerecht zu werden“, sagt er. Ein weiterer Grund seien die „veränderten Erwartungen vieler Menschen an das Familienleben“ und „der zunehmende materielle Wohlstand“, der es nicht länger nur sehr reichen Menschen ermögliche, die Haushaltspflichten an andere abzugeben.

Dazu kommt, dass es viel einfacher geworden ist, eine Hilfskraft zu finden. Das liegt auch an Online-Plattformen wie Helpling. Anfang des Jahres hat das Berliner Start-up sein Portfolio erweitert. Seitdem können sich Kunden nicht nur eine Reinigungskraft nach Hause bestellen, sondern auch jemanden, der den Keller entrümpelt oder Möbel aufbaut. „Zu unserer Zielgruppe gehört aber nicht nur der Single-Yuppie, der sein Loft reinigen lassen will“, sagt Geschäftsführer Benedikt Franke. 60 Prozent der Nutzer seien Frauen. Viele sind berufstätig, viele auch Mutter.

Der Großteil der Nutzer sei zwischen 30 und 48 Jahren alt. Sie verfügten über ein gewisses Einkommen und befänden sich in der sogenannten Rush-Hour des Lebens. In dieser Lebensphase etablieren sich Menschen im Job, heiraten, gründen eine Familie. Der Wunsch nach Entlastung ist da besonders hoch. „Dazu kommt, dass der Wert von Freizeit steigt“, sagt Franke. „Die wenige Zeit, die da ist, wollen die Menschen mit der Familie, mit schönen Dingen verbringen. Deswegen treffen wir einen Nerv.“ Was momentan besonders stark nachgefragt wird, sei das Fensterputzen. In Berlin liegen die wöchentlichen Buchungen im dreistelligen Bereich, sagt Franke.

In Deutschland boomt der Schwarzmarkt

Weil haushaltsnahe Dienstleistungen kein Privileg mehr für Wohlhabende seien, sondern eine Notwendigkeit für viele, müsste die Branche gesellschaftlich aufgewertet werden, meint Franke. So denkt auch Holger Bonin. In anderen Ländern wie den USA sei es normal, ein Kindermädchen oder eine Haushaltshilfe zu beschäftigen. Die Deutschen hingegen würden es eher unangenehm finden, jemanden zu bezahlen, der das Haus sauber hält, weil man selbst keine Lust oder keine Zeit hat. Dazu käme die Angst, der Nachbar könnte die Nase rümpfen.

Unternehmen könnten MitarbeiterGutscheine für Dienste anbieten

Waschen und bügeln. Frauen leisten nach wie vor deutlich mehr unbezahlte Tätigkeiten als Männer. Vor allem dann, wenn Paare Kinder haben.
Waschen und bügeln. Frauen leisten nach wie vor deutlich mehr unbezahlte Tätigkeiten als Männer. Vor allem dann, wenn Paare Kinder haben.

© Vikitoria-sap/Fotolia

Glaubt man Bonin, ist das einer der Gründe, warum in Deutschland der Schwarzmarkt boomt. Nach einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) beschäftigen 3,6 Millionen Haushalte in Deutschland eine Haushaltshilfe. Darunter sind mindestens 2,6 Millionen, die schwarz arbeiten lassen. Das könnte allerdings auch ganz praktische Gründe haben. Eine Putzkraft anzumelden, ist aufwendig – und teurer. Rund 300 000 sind bei der Minijob-Zentrale angemeldet. Nur 43 000 sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Ein regulierter Markt für haushaltsnahe Dienstleistungen würde also nicht nur Familien entlasten. „Wenn es Deutschland gelänge, den Anteil der legalen Beschäftigten in den Privathaushalten auf das Niveau anderer westeuropäischer Länder anzuheben, könnten mehrere hunderttausend Menschen zu einer abgesicherten Beschäftigung kommen“, schätzt Bonin.

Gutscheinsysteme in anderen Ländern

Vollzeitstellen statt Minijobs wollen auch die Gewerkschaften. „Arbeit in Privathaushalten muss so gebündelt werden, dass existenzsichernde Beschäftigung entsteht“, heißt es beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Etwa über Dienstleistungsagenturen. So könnte auch kontrolliert werden, dass die Bedingungen und die Qualität der Arbeit stimmen. Die Pädagogin Gabriele Harendt hat ihre Berliner Agentur schon 2005 eröffnet. Der Name: Mary Poppins. Sie bietet Putzhilfen, Katzenbetreuer, Nannys und Haushälterinnen an – die „gute Seele im Haus“, die „mit ein paar Handgriffen Ihren Alltag verschönert“.

Schon heute unterstützt der Staat die Beschäftigung von Haushaltshilfen über steuerliche Entlastungen – und zwar nicht zu knapp. An „Familien mit Unterstützungsbedarf und niedrigem Einkommen, etwa Alleinerziehenden“ ginge das aber weitgehend vorbei, gibt Bonin zu bedenken. Denn die meisten von ihnen zahlten ohnehin keine Einkommensteuer. Sinnvoller sei es, wenn haushaltsnahe Dienstleistungen subventioniert – und somit auch für ärmere Familien erschwinglich wären. Oder wenn ein System wie in Belgien, Dänemark und Frankreich eingeführt werden würde. Dort können Frauen und Männer staatlich finanzierte Gutscheine erwerben, die sie dann für Leistungen wie die Wohnungsreinigung oder Kinderbetreuung einlösen. Außerdem können Unternehmen solche Gutscheine kaufen, um Mitarbeiter damit zu belohnen und zu motivieren.

Mitarbeiter belohnen und motivieren

Auf die Frage, ob solche Gutscheine für Deutschland eine Option seien, meint eine Sprecherin des Familienministeriums, „es gebe dazu gerade keine Pläne“. Das Ministerium habe aber ein Internetportal entwickelt, um haushaltsnahe Dienstleistungen zu fördern und das Image der Branche zu verbessern. Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) meint: Eltern könnten so mehr Zeit mit den eigenen Kindern verbringen, „und gerade der Wiedereinstieg nach der Geburt eines Kindes kann so leichter gelingen.“ Warum die Politik nicht mehr tut, erklärt Bonin folgendermaßen: „Dass sich heute viele Menschen Sorgen um eine Zunahme der sozialen Ungleichheit in Deutschland machen, könnte politisch ein Hemmschuh für eine bessere Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen sein.“

Wer solche Gutscheine dennoch nutzen könnte, sind Unternehmen. Cornelia Spachtholz, Vorsitzende des Verbandes berufstätiger Mütter, hält haushaltsnahe Dienstleistungen für ein „Rieseninstrument“. Manche Betriebe, vor allem Größere, würden Mitarbeiter bei der Kinderbetreuung unterstützen, ein „Einkaufs- und Wäscheservice“ würde ihren Alltag zusätzlich erleichtern. In Form von Lohnersatzleistungen könnten Unternehmen so gute Mitarbeiter gewinnen und binden. Allerdings sollten nicht nur Gutverdiener profitieren. „Das Vereinbarkeitsdilemma hat nichts mit dem Einkommen zu tun“, sagt sie. Zeitprobleme hätten alle.

Neben arbeitenden Müttern gibt es aber noch eine andere Gruppe, die Hilfe im Haushalt braucht und die in Deutschland immer größer wird: die Älteren. Wenn sie lange in ihrem Haus bleiben möchten und die Familie weit weg wohnt, sind die Helfer für sie nicht nur ein Glück. Sie sind unverzichtbar.

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