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Kennt das Geschäft: Andrea Kocsis hat selbst bei der Post gearbeitet. Jetzt ist sie Vizechefin von Verdi und Vizevorsitzende des Aufsichtsrats der Post.

© Kay Herschelmann

Verdi-Vize Andrea Kocsis über die Post: „Gewinne dürfen nicht zu Lasten guter Arbeitsbedingungen gehen“

Eine gute Qualität muss finanziert werden, sagt die Vizevorsitzende des Post-Aufsichtsrats. Auch mit höherem Porto. Ein Interview.

Andrea Kocsis hat selbst als Briefträgerin gearbeitet und weiß, wie hart die Arbeit ist. Heute ist sie Vizechefin von Verdi und ist in der Gewerkschaft für den Postbereich zuständig. Zudem sitzt sie im Aufsichtsrat der Post - auch hier als Vizevorsitzende. Viele gute Gründe also, sie zu fragen, was bei der Post schief läuft.

Immer mehr Kunden beschweren sich über das Brief- und Paketgeschäft der Post. Hat die Post in diesem Bereich zu wenig Mitarbeiter?

Die Kundenbeschwerden richten sich an alle Brief- und Paketunternehmen. Sie zeigen, wie wichtig den Menschen die postalische Dienstleistung ist. Die Unternehmen der Branche müssen auf Qualität achten. Dazu gehört ausreichendes Personal, das gut ausgebildet ist und nach Tarif bezahlt wird. Mit Blick auf die Post AG kritisieren wir schon lange, dass die Personaldecke vielerorts auf Kante genäht ist. Hier will das Unternehmen nun nachbessern. Was das bringt, wird man sehen.

Viele der Zusteller klagen über eine hohe Arbeitsbelastung und Überstunden. Zu Recht?

Die hohen Belastungen sind unterschiedlich ausgeprägt und rühren primär aus einer Bemessungssystematik zur Ermittlung der jeweiligen Bezirksgröße. Diese Systeme bilden wegen der unterschiedlichen Struktur und Topografie der Zustellbezirke und auch wegen menschlicher Faktoren wie Alter oder Behinderung die tatsächlich benötigte Zeit der Zustellerinnen und Zusteller nur bedingt ab. Zusammen mit den Betriebsräten arbeiten wir seit etlichen Jahren daran, das Arbeitszeitregime allein auf die tatsächlich verbrauchte Arbeitszeit umzustellen. Das ist aber ein steiniger Weg.

Knochenjob: Viele Zusteller sind überfordert, die Post will neue Postboten einstellen.
Knochenjob: Viele Zusteller sind überfordert, die Post will neue Postboten einstellen.

© dpa

Die Post stellt ihre Billigtochter Delivery ein, künftig werden alle Mitarbeiter nach einem Tarif bezahlt. Wie schwer war es, das durchzusetzen?

Wir haben nie einen Zweifel daran gelassen, dass die Ausgründung eines Teils des Geschäftes ein Irrweg ist. Wir sind sehr froh, dass es uns nach vier Jahren gelungen ist, dies zu korrigieren und es ab dem 1. Juli wieder eine Belegschaft mit einem Haustarifvertrag gibt. Geholfen hat sicherlich, dass wir seinerzeit den Kopf nicht in den Sand gesteckt haben. Sondern wir haben die neuen Gesellschaften – immerhin 46 Stück an der Zahl – mit viel Leidenschaft und Solidarität gewerkschaftlich organisiert.

Post-Konzernchef Frank Appel will das Betriebsergebnis im nächsten Jahr auf fünf Milliarden Euro steigern. Der Paket- und Briefbereich soll mehr als 1,6 Milliarden Euro dazu beitragen. Wie soll das gehen? Und wie realistisch ist das Ihrer Meinung nach?

Dieses Ziel hat sich der Vorstand mit seiner Strategie 2020 gesetzt. Für uns als Gewerkschaft ist klar, dass Gewinne nicht zu Lasten guter Arbeitsbedingungen gehen dürfen. Daran arbeiten wir zusammen mit unseren vielen Verdi-Mitgliedern in den Betrieben Tag für Tag.

Das Briefporto dürfte zum 1. Juli steigen. Die Post begründet das unter anderem mit den Lohnerhöhungen für die Beschäftigten. Zahlen die Kunden die Zeche?

Über das Briefporto entscheidet die Bundesnetzagentur. In die Preisbildung fließen Kosten für das Vorhalten einer flächendeckenden Infrastruktur wie beispielsweise einer Zustellung an sechs Werktagen und dementsprechend auch Personalkosten ein. Außerdem – denn die Post wurde ja auf Wunsch der Politik privatisiert und an die Börse gebracht – ein angemessener Gewinnzuschlag. Eine gute Qualität muss auch finanziert werden.

Das Bundeswirtschaftsministerium plant eine Reform des Postgesetzes mit mehr Kundenrechten und einer besseren, effektiveren Aufsicht. Zu Recht?

An einer qualitativ hochwertigen Postversorgung in Stadt und Land darf nicht gerüttelt werden. Werktägliche Zustellung an die Haustür, verbindliche Laufzeiten der Sendungen und ein guter Netzzugang sind auch im digitalen Zeitalter für eine Gesellschaft wichtig. Allerdings: Der Postmarkt hat sich in den letzten zehn Jahren von den Briefen hin zu den Paketen gewandelt. Es wäre daher sinnvoll, die bisher auf das Erbringen von Briefdienstleistungen beschränkte Lizenzpflicht von Unternehmen um Paketdienstleistungen zu erweitern. Bei kluger Ausgestaltung kann dadurch die Qualität in diesem Bereich besser gesichert werden.

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