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Der Chemie-Park des Bayer-Konzerns hinter der Leverkusener Innenstadt und der alten Werkssiedlung (vorne) - Umnutzung gilt als Königsweg beim Klimaschutz.

© Oliver Berg/dpa

Verbändebündnis zum „Tag des Wohnens“: Wie soll klimagünstiges Wohnen bezahlbar bleiben?

3,6 Billionen Euro kostet Klimaschutz im Wohnen bis zum Jahr 2045. Sieben Verbände fordern Subventionen vom Bund, damit die Mieten nicht in die Höhe schießen.

3,6 Billionen Euro kostet die schöne grüne Wohnutopie der Koalition bis zum Jahr 2045. Aber auch das wird nur gelingen, wenn die Baupolitik des Bundes den bisher eingeschlagenen Kurs abbricht – und statt auf immer mehr Dämmung zu setzen, mit regenerativer Energie die Co2-Bilanz der deutschen Städte aufpoliert. Das sind Ergebnisse einer Studie des „Bauforschungsinstituts ARGE für zeitgemäßes Wohnen“. Und aus derselben leitet ein Bündnis von sieben Verbänden – von Mietervertretern und Gewerkschaft über Baustoffhersteller bis zu Immobilienwirtschaft und Vermietern – ihre Forderungen ab.

Das Bündnis verlangt Vorrang für den Neubau und lehnt dabei die strenge Energieverordnung ab. Auch brauche es zusätzliche staatliche Milliarden für den sozialen Wohnungsbau und für den Bau günstiger Mietwohnungen. Auch müsse das Bauprogramm auf eine Dekade angelegt werden, damit die Wirtschaft planungssicher einstellen könne.

Die gute Nachricht: Rund 4,3 Millionen Wohnungen könnten durch den Umbau des Bestandes entstehen, durch Umbau von Büros und Ausbau von Dachgeschossen. Auch das Ziel der Koalition, 400000 Wohnungen jährlich in dieser Legislatur zu errichten, ist nach Auffassung der Bauindustrie „leistbar“.

"Nur zwei Prozent der Baustoffe sind importiert"

Dafür brauche es indes „verlässliche Rahmenbedingung über diese Legislaturperiode hinaus“. Auch der Mangel an Baustoffen Anfang dieses Jahres werde sich auflösen, zumal „nur zwei Prozent importiert werden“, so Felix Pakleppa vom Zentralverband Deutsche Baugewerbe. Ein verlässlicher politischer Rahmen sei aber Voraussetzung für den weiteren Ausbau der Kapazitäten.

So sieht das auch Andreas Ibel, Chef des Verbandes freier Immobilienunternehmen: „So lange sich das rechnet, gibt es genug Investoren.“ Aber angesichts der hohen Baupreise „brauchen wir Zuschüsse, sonst ist das nicht mehr für Mieter bezahlbar“. Zurzeit gebe es einen „Spagat“ zwischen der Bezahlbarkeit des Wohnens und der Energieeffizienz der Immobilien. Und Axel Gedaschko, Bundesverband der Wohnungsunternehmen, sagte: „Der Staat muss das finanzieren, sonst gibt es massive soziale Verwerfungen in Deutschland.“ Zumal ein großer Teil der 19,3 Millionen Wohngebäude im Lande sanierungsbedürftig sind.

Bündnis widerspricht den "Immobilienweisen"

Die Bauoffensive könnte also scheitern, wie die „Immobilienweisen“ vom Dachverband ZIA vor wenigen Tagen voraussagten, weil es an staatlichen Mitteln fehlt. Zurzeit kostet der Bau einer Wohnung mit Grundstück 4200 Euro je Quadratmeter. Um dies zu finanzieren, müsste sie für 13,50 Euro je Quadratmeter vermietet werden, damit der Bauherr „nicht pleite geht“, so Dietmar Walberg vom Bauforschungsinstitut. Aber: „80 Prozent der deutschen Haushalte können sich so hohe Mieten nicht leisten“.

Deshalb lobte Mieterchef Lukas Siebenkotten die Koalition für ihr Ziel von 100000 neuen Sozialwohnungen pro Jahr. Nur: Mit den bestehenden Fördermitteln sei deren Bau nicht finanzierbar. Außerdem reiche das zunächst nur dazu aus, die Schrumpfung des Angebots an Sozialwohnungen aufzuhalten – dabei braucht es mehr bezahlbare Wohnungen.

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Nicht nur hierfür braucht es Milliarden, sondern auch für die energetische Sanierung bestehender Wohnungen: 50 Milliarden Euro nach Berechnung von Dietmar Walberg, Leiter des Wohnungs- und Bauforschungs-Instituts ARGE. Um eine Tonne Co2 einzusparen müssten 850 bis 2500 investiert werden. Um die Klimaziele des Bundes zu erreichen, müssten 1,8 Prozent der bestehenden Wohnungen jährlich energetisch saniert werden.

Wohnungen für die Senioren

Der dritte Milliarden-Etat müsste für den altersgerechten Bau und Umbau von Wohnungen her. Weil immer mehr Deutsche alt werden, müssten bis zum Jahr 2040 170.000 altersgerechte Wohnungen geschaffen werden. Bisher leben nur acht Prozent der 18,3 Millionen Deutschen über 65 in barrierereien Wohnungen – und nur eine kleine Minderheit in Seniorenheimen. Bis 2040 wächst die Zahl der Senioren um 3,6 Millionen. Zum Mangel an Wohnungen kommt der Mangel an Wohnraum hinzu: 8,5 Millionen Menschen, mehr als jeder zehnte in Deutschland, leben in „überbelegten Wohnungen“. Schulkinder ohne eigenes Zimmer also auch ohne Schreibtisch - vor allem Armutsgefährdete Personen sind betroffen, die schlechten Startbedingungen ihrer Kinder zementieren die soziale Spaltung der Milieus.

Statt Niedrigenergiehäuser klimaneutrale Energie

Damit die Kosten nicht vollkommen aus dem Ruder laufen und die Klimaziele nicht die sozialen ausstechen, schlagen die sieben Verbände den Umbau der Förderung des Wohnungsbaus vor. Bisher war der physikalische Energieverbrauch der Häuser Maßstab für die Förderung, die nächste Verschärfung mit Kennwert „KfW40“ steht in Aussicht.

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Theoretisch verbraucht ein solches Haus 40 Prozent der Energie eines konventionellen Neubaus. Aber das gelingt nur durch Wärmerückgewinnung und bei stets geschlossenen Fenstern. In der Praxis verbrauchten diese Häuser marginal weniger als ein KfW-Haus 70. Weil die Bewohner eben doch gerne mal Fenster und Türen öffnen, um zu lüften.

Deshalb fordern die Verbände den Standard 70 im Neubau zu erhalten sowie Standard 115 bei der Sanierung von Altbauten. Und wie sollen die CO2-Einsparungen dann gelingen? Durch „intelligente Energieversorgung in den Quartieren“ durch Einsatz regenerativer Energiequellen, Sonne und Wind. Die Kosten hierfür lägen bei 20 Prozent von denen für scharfe bauliche Energiestandards – und der „Co2-Effekt“ sei um 58 Prozent höher.

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