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Magnus Hall führte den schwedischen Staatskonzern knapp sechs Jahren.

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Vattenfall braucht neue Führung: Hall und Hatakka ziehen sich zurück

Schwedische Staatskonzern auf dem langen Weg in eine klimaneutrale Energiewirtschaft: Kohlekraftwerk Moorburg belasten das Geschäft.

Mit neuem Spitzenpersonal bewegt sich der schwedische Vattenfall- Konzern in eine CO2-freie Zukunft. Nachdem bereits vor einigen Monaten Deutschland-Chef Tuomo Hatakka seinen Renteneintritt angekündigt hatte, folgte nun Magnus Hall. Der Vorstandschef des Staatskonzerns aus Stockholm teilte am Dienstag sein Ausscheiden spätestens zum 31. Januar mit. Die Schweden müssen also in den kommenden Monaten zwei der wichtigsten Managementposten neu besetzen.

4200 Mitarbeiter in Berlin

Der Hatakka-Nachfolger wird für ein paar Monate in die jetzige Deutschlandzentrale an der Chausseestraße in Berlin-Mitte ziehen, bevor in gut einem Jahr ein Neubau am Südkreuz fertiggestellt ist. Vattenfall beschäftigt in Berlin nach eigenen Angaben derzeit 4200 Personen, davon 1600 in der Fernwärme und rund 1300 in der Stromnetzgesellschaft. In die neue Zentrale ziehen knapp 2000 Verwaltungsmitarbeiter. Das Unternehmen erzeugt selbst Strom und Wärme und versorgt damit in Berlin rund 1,6 Millionen Kunden. Vor fünf Wochen hatte Vattenfall eine Strompreiserhöhung um rund sechs Prozent ab August angekündigt und das mit höheren Steuern und Abgaben sowie gestiegenen Netz- und Beschaffungskosten begründet. Die Energieversorger weisen darauf hin, dass rund drei Viertel des Strompreises staatliche Steuern, Abgaben und Gebühren sind.

Konzernchef Hall nutzte die Bekanntgabe aktueller Geschäftszahlen am Dienstag zu seiner Rücktrittsankündigung: In den sechs Jahren unter seiner Führung habe sich Vattenfall zu einer „treibenden Kraft auf dem Weg zu einer Zukunft ohne fossile Energieträger entwickelt“.

Trennung von der Braunkohle

Tatsächlich hatte sich der Konzern 2016 von der ostdeutschen Braunkohle getrennt und die Kraftwerke sowie Tagebaue mit 8000 Mitarbeitern an die tschechische EPH verkauft. Ein Strategiewechsel: Erst 20 Jahre zuvor hatten die Schweden die Berliner Bewag, die HEW in Hamburg sowie die ostdeutschen Braunkohleunternehmen Veag und Laubag übernommen und sich zu einem der größten europäischen Energieversorger entwickelt.

Bilanzproblem. Das Kohlekraftwerk in Moorburg musste Vattenfall mit fast einer Milliarde Euro Wertverlust abschreiben.
Bilanzproblem. Das Kohlekraftwerk in Moorburg musste Vattenfall mit fast einer Milliarde Euro Wertverlust abschreiben.

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Die Braunkohle ist wieder weg und auch das Stromnetz in Hamburg musste nach einem Volksentscheid abgegeben werden. In Berlin streitet sich Vattenfall mit dem Senat über die Konzession zum Betrieb des Stromnetzes, die von der Vergabestelle der Finanzverwaltung im Frühjahr 2019 der landeseigenen Gesellschaft Berlin Energie zugeschlagen worden war. Der rot-rot-grüne Senat möchte sowohl das Strom- als auch das Gasnetz wieder in staatlicher Hand sehen und hat dazu die Berlin Energie gegründet. Doch das Vergabeverfahren ist kompliziert, und die Altkonzessionäre Gasag und eben Vattenfall wehren sich mit juristischen Mitteln gegen die Rekommunalisierung der Netze.

Streit um die Netzkonzessionen

Von der Gasag bliebe ohne Netz nicht mehr viel übrig, Vattenfall betreibt immerhin noch Kraftwerke – mit fossilen Brennstoffen. Die werden indes zunehmend zum Problem. Für das Steinkohlekraftwerk Moorburg in Hamburg musste der Konzern im ersten Halbjahr fast eine Milliarde Euro an Wertverlust abschreiben, was erheblich zum Konzernverlust von gut 150 Millionen Euro beitrug.

Das Kraftwerk ist beispielhaft für die Veränderungen in der Energiewirtschaft: 2007 begann der Bau der Anlage, die wegen technischer Mängel und zunehmender Umweltschutzauflagen erst 2015 in Betrieb ging. Vermutlich ist das viel zu spät, um die Kosten von rund drei Milliarden Euro noch einzuspielen. Der Kohleausstieg ist beschlossene Sache, und mit zunehmendem CO2-Preis und dem Ausbau der Erneuerbaren verlieren die Kohlekraftwerke ihre Wirtschaftlichkeit. Vattenfall selbst sprach am Dienstag von einem starken Rückgang bei Großhandelspreisen an der Strombörse und einer „Verschlechterung des Marktumfelds, besonders für kohlegefeuerte Kraftwerke“.

Neues Kraftwerk in Marzahn

Im ersten Halbjahr verdiente der Staatskonzern operativ immerhin noch knapp 13 (Vorjahr: 13,3) Milliarden Schwedische Kronen, das sind umgerechnet 1,27 Milliarden Euro. Als „Highlight“ im Berichtszeitraum wird die Inbetriebnahme des Gaskraftwerks Berlin-Marzahn Anfang Juni gewürdigt. Rund 450 000 Kunden im Ostberliner Wärmenetz werden nun von Marzahn und vom Kraftwerk Klingenberg an der Spree versorgt. Die fast 100 Jahre alte Anlage Klingenberg wurde lange mit Kohle befeuert und vor einigen Jahren auf das weniger CO2 emittierende Gas umgestellt. Bis die Anlagen klimaneutral sind und mit Wasserstoff respektive Biogas betrieben werden, dürften indes noch Jahrzehnte vergehen.

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