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China und Europa verkaufen mehr Waren in die USA, als die Amerikaner bei den Handelspartnern loswerden. Das stört Trump.

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USA, China, Europa: Was im Handelskrieg auf dem Spiel steht

Die USA überziehen China mit Strafzöllen, den Europäern drohen sie mit Abgaben auf Autos. Wie die Welt aus den Fugen gerät.

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Ein großartiger Mann. Ein wundervoller Typ. Im Live-Interview mit dem Sender Fox News schwärmt Donald Trump von Xi Jinping, dem chinesischen Staatspräsidenten. Doch es ist ein flüchtiger Eindruck. Nur wenige Sekunden später bezichtigt der US-Präsident die Chinesen, Geheimnisse der USA zu stehlen, Technologien aus dem Silicon Valley – die „Kronjuwelen dieses Landes“. Deswegen werde er Zölle verhängen auf chinesische Waren. Der Moderator nickt ergeben, im Hintergrund springen Eichhörnchen über die Wiese vor dem Weißen Haus. Es geht um 34 Milliarden Dollar.

Jetzt hat Trump ernst gemacht, am Freitag sind seine Strafzölle gegen China in Kraft getreten. Sie gelten zum Beispiel auf Elektroautos oder Navigationssysteme für Flugzeuge, die die Chinesen in die USA verkaufen. 25 Prozent Strafgebühr wird darauf fällig. China reagiert auf Trumps Vorstoß prompt, kündigt ebenfalls Zölle an – in vergleichbarer Höhe. Auch sie gelten seit Freitag, sind zu zahlen auf Soja, Whiskey oder Orangensaft aus den USA. Und Donald Trump? Der droht bereits mit neuen Strafzöllen gegen die Chinesen. Diesmal in Höhe von bis zu 500 Milliarden Dollar.

Ökonomen, Verbände und Politiker warnen vor einer Eskalation des Handelsstreits. Vor einem Handelskrieg, der droht. Oder sind wir längst mittendrin?

China bestellt Soja in Indien und Südkorea statt in den USA

Schon jetzt wird die Weltwirtschaft durch die Streitereien zwischen den USA und China beeinträchtigt. Schon jetzt wird umverteilt. Haben die Chinesen zum Beispiel früher Hummer an der Ostküste der USA eingekauft, versorgen sie sich damit nun in Kanada. Für die amerikanischen Fischer steht ein Fünftel ihrer Exporte auf dem Spiel. Den Landwirten der USA droht ähnliches. Kein Land baut so viel Sojabohnen an wie die Vereinigten Staaten, entsprechend viel verkaufen sie davon ins Ausland – vor allem nach China. Aufgrund der Strafzölle wollen die Chinesen die Sojabohnen nun aber woanders besorgen, in Bangladesch, in Indien oder Südkorea. Auch bei den Schweinefüßen, die Amerika so gerne nach China geliefert hat, heißt es inzwischen: Nein danke. Die Lieferungen, berichten Medien, seien fast zum Stillstand gekommen.

Dabei wollte Donald Trump die heimische Wirtschaft durch all seine Maßnahmen doch schützen, erreichen, dass wieder mehr im Land produziert statt von außen eingekauft wird. Er stört sich an dem großen Ungleichgewicht: Dass andere Länder den USA so viel mehr Waren verkaufen, als sie selbst in den USA erwerben. 577 Milliarden Dollar, so groß ist die Differenz zwischen den Exporten und Importen der USA. Dass das auch an der Wirtschaftsstruktur in den Vereinigten Staaten liegen kann, die stark von Landwirtschaft geprägt ist, bedenkt Trump nicht. Ebenso wenig lässt er den Gedanken zu, dass die Produkte aus dem Ausland schlicht günstiger oder besser sein könnten.

Der Streit zwischen den USA und China trifft auch Deutschland

Nun sind die USA und China von Europa aus gesehen weit entfernt. Sollen die sich doch streiten, mag einer sagen. Doch in einer globalisierten Welt spielen Flugkilometer keine Rolle. „Bloß, weil Deutschland diesmal nicht direkte Zielscheibe ist, heißt das nicht, dass wir fein heraus sind“, warnt Eric Schweitzer, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer. „Im Gegenteil: Die Einführung von Strafzöllen der USA gegenüber China trifft auch die deutsche Wirtschaft.“ Zum Beispiel BMW. Der Autobauer fertigt in den USA auch Wagen, die für China bestimmt sind – und die schon bald mit den Strafzöllen der Chinesen belastet werden könnten.

Volkswirte warnen deshalb: Der Handelskrieg schwächt die Weltwirtschaft, kostet Arbeitsplätze und lässt die Preise steigen – in den USA, in China, in Europa. Längst sind die Produktionsketten so international und verwoben, dass es unmöglich ist, die Produktion komplett zurück in die Heimat zu holen, wie Trump es sich wünscht. Ein gutes Beispiel ist das iPhone, das Vorzeigeprodukt der Amerikaner. Dabei kommt lediglich die Idee aus den USA. Den Akku für das Mobiltelefon liefert Südkorea, die Kamera stammt aus Japan, die Sensoren kommen aus Deutschland. Und zusammengeschraubt wird es in China. Apple-Chef Tim Cook musste Trump das erst persönlich erklären, um eine Ausnahme von den Strafzöllen zu erreichen.

Die Strafzölle der EU treffen die USA

Der Streit zwischen China und den USA ist eine düstere Vorausschau auf das, was auch zwischen Europa und den Vereinigten Staaten droht. Längst haben die Amerikaner auch die Länder der EU mit Strafzöllen auf Stahl und Aluminium belegt. Die EU-Staaten verlangen ihrerseits Zölle auf Whiskey, Erdnussbutter und Orangensaft – in der Hoffnung, die republikanischen Senatoren aus den betroffenen Bundesstaaten so dazu bewegen zu können, Druck auf Trump auszuüben.

Auch wenn er sich davon bislang kaum beeindrucken lässt, bei manchen seiner Parteikollegen zeigen die Maßnahmen der EU Wirkung. Bei Mitch McConnell etwa, einflussreicher Anführer der republikanischen Mehrheit im Senat und Vertreter Kentuckys, der Heimat des Bourbon. McConnell ist stolz darauf, einen Bundesstaat zu vertreten, der seinen Whiskey in 126 Länder exportiert. Die Strafzölle der EU treffen ihn hart. Dem Fernsehsender CNN sagte er: „Diese Zölle werden nicht gut sein für die Wirtschaft.“

Eine berechtigte Sorge, das zeigt ein Blick in die Vergangenheit.

Bereits unter George W. Bush haben Strafzölle US-Jobs gekostet

Denn Trump ist nicht der Erfinder der Strafzölle. Vor ihm verordnete sie auch schon George W. Bush. Um den schwächelnden Stahl- und Aluminiumsektor zu schützen, erließ er 2002 Importabgaben in Höhe von bis zu 30 Prozent. Sie trafen zwei Drittel der Stahlexporte der EU-Länder in die USA. Anderthalb Jahre später erklärte die Welthandelsorganisation WTO diese Zölle für unzulässig. Der Schaden für die US-Wirtschaft war aber bereits angerichtet. Studien zufolge verloren 200 000 Menschen ihre Jobs.

Doch nicht nur die Amerikaner setzen auf Protektionismus. Auch Frankreich und Deutschland haben sich daran bereits versucht. In den sechziger Jahren belegten sie Hühnchen-Importe mit einem Strafzoll, um sich vor dem Billigangebot aus den USA zu schützen. Wie heute Europäer und Chinesen reagierten damals die Amerikaner mit Gegenmaßnahmen: Präsident Lyndon B. Johnson erließ nicht nur Strafzölle auf Agrarimporte sondern auch auf Nutzfahrzeuge wie den VW-Bulli, eins der wichtigsten Exportprodukte Deutschlands.

Auch wenn das lange her ist, wirkt die „Chicken Tax“ bis heute nach. Während die Europäer ihre Hühnersteuer wieder abgeschafft haben, gilt die Abgabe auf leichte Nutzfahrzeuge in den USA noch immer. Eine absurde Folge: Daimler soll seine Sprinter vor der Verschiffung auseinandernehmen und in den USA wieder zusammensetzen, um die Steuer zu umgehen.

Trump lässt derzeit Zölle auf EU-Autos prüfen

Trump lässt derzeit von Handelsminister Wilbur Ross prüfen, ob er auch auf Autos aus der EU einen Strafzoll verlangen kann. Ende Juli, Anfang August soll die Entscheidung fallen. Eine komplette Abschaffung der Autozölle, wie sie derzeit diskutiert wird, halten Experten für unrealistisch.

Im Gespräch mit Fox News lässt Donald Trump keinen Zweifel daran, dass er das Richtige tut. „Der Handelskrieg wurde vor vielen Jahren schon begonnen – von denen“, sagt er und meint China. „Und die Vereinigten Staaten haben verloren.“

Hintergrund: Wie abhängig die USA, Europa und China vom Welthandel sind

China und Europa verkaufen mehr Waren in die USA, als die Amerikaner bei den Handelspartnern loswerden. Das stört Trump.
China und Europa verkaufen mehr Waren in die USA, als die Amerikaner bei den Handelspartnern loswerden. Das stört Trump.

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Die USA

Wie kann es sein, dass auf der Fifth Avenue in New York so viele Mercedes fahren, aber in Deutschland kaum Chevrolets unterwegs sind? Das fragt sich Donald Trump. Dahinter steckt ein Vorwurf: Einzig die Deutschen profitieren vom transatlantischen Handel mit Autos. Dabei zeigt die Statistik ein anderes Bild.

Eines der wichtigsten Exportgüter der USA sind: Autos und Autoteile. Allein nach Deutschland verkaufen die Amerikaner jedes Jahr Wagen im Wert von acht Milliarden Euro. Die deutschen Autobauer haben in den letzten Jahrzehnten große Fabriken in den USA gebaut, in denen sie längst nicht nur Autos für den dortigen Markt bauen.

Das weltweit größte Werk von BMW etwa steht nicht in Bayern – sondern in South Carolina. Dort fertigt BMW fast die gesamte X-Baureihe. Wer in Deutschland einen X3 kauft, bekommt ein Auto „made in USA“. Deshalb verkaufen die Amerikaner den Deutschen gemessen am Wert mehr Autos als Computer (Apple),
Flugzeuge (Boeing) oder Arzneimittel (Pfizer).

Dass in Deutschland so wenige Chevrolets fahren, hat ebenfalls einen einfachen Grund: General Motors hat die Marke in Europa vor Jahren vom Markt genommen.

Europa

„Die EU ist möglicherweise so schlimm wie China“, sagt Donald Trump. Spätestens seitdem die Europäer ihrerseits Strafzölle auf US-Produkte eingeführt haben, stehen auch sie auf Trumps Liste der Übeltäter. Schon länger kritisiert er, dass die EU-Staaten sehr viel mehr Güter in die USA verkaufen, als sie dort einkaufen. Der sogenannte Handelsüberschuss liegt bei 151 Milliarden Dollar.

Allerdings ist das nur ein Teil der Rechnung. Denn enthalten sind in dieser Zahl lediglich Waren, die man anfassen kann: Autos, Maschinen, Computer oder Nahrungsmittel. Außen vor bleiben dagegen digitale Dienstleistungen. Dabei ist die USA gerade darin stark. US-Konzerne wie Facebook, Google oder Amazon machen in Europa Milliardengewinne, die ihre hiesigen Töchterfirmen in die USA überweisen. Dazu kommen noch die US-Banken wie Goldman Sachs oder JPMorgan, die auch für Europäer Gelder anlegen oder Börsengänge einfädeln.

Berücksichtigt man all das, übersteigen die Exporte der Amerikaner nach Europa schnell die Ausfuhren der Europäer in die USA. So wird aus dem Handelsüberschuss der Europäer ein Defizit von 14 Milliarden Dollar.

China

Rund ein Viertel der weltweit produzierten Waren kommt heute aus China. Für die USA wie für Deutschland ist die Volksrepublik der wichtigste Handelspartner – dabei war sie vor zehn Jahren nicht einmal unter den wichtigsten fünf. Maschinen, Computer, Kleidung, Möbel, all das verkaufen die Chinesen in alle Welt. Allein 70 Prozent des global verkauften Spielzeugs stammt aus der Volksrepublik.

Allerdings will Staatschef Xi Jinping weg von den Billigprodukten. China soll zum Lieferanten von Hightech werden, von Flugzeugen, Robotern, vernetzten Maschinen und Elektroautos. Auch deshalb investiert China massiv im Ausland. In Deutschland haben Chinesen sich am Autobauer Daimler beteiligt, die Roboterfirma Kuka gekauft und sind beim Netzbetreiber 50Hertz eingestiegen.

Parallel investiert China durch das Projekt „Neue Seidenstraße“ in diversen Ländern in die Infrastruktur. Die Chinesen bauen Straßen und Kraftwerke in Pakistan, beteiligen sich an Häfen in Rotterdam, Genua und Porto, verbinden Belgrad und Peking mit einem Schnellzug. China schafft so Jobs für seine Arbeiter – und baut seinen Einfluss in der Welt weiter aus.

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