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Was steckt hinter dem Hype um Gamestop?

© Olivier DOULIERY / AFP

US-Börsen im Spekulationsrausch: Aktien-Hype um Videospielhändler Gamestop

Eine neue Generation von Kleinanlegern Aktien katapultiert angeschlagene Firmen in ungeahnte Höhen. Mit Gamestop hat das eine neue Dimension angenommen.

Der Ausnahmezustand am US-Finanzmarkt hält an: Auch am Donnerstag gingen die außergewöhnlichen Kurskapriolen bei den Aktien des Videospiel-Händlers Gamestop und anderer Unternehmen weiter. Börsenaufsicht und Finanzministerium sind aufgeschreckt, die Rufe nach strikterer Regulierung werden wegen der hohen Verlustrisiken lauter.

Derweil wurden noch mehr Aktien von kriselnden Unternehmen, gegen die professionelle Investoren wie Hedgefonds wetten, zu Spekulationsobjekten kleinerer Anleger, die sich im Internet organisieren. Was steckt hinter dem Hype?

Niedrige Handelsgebühren, Absprachen in Online-Foren und Youtube-Tutorials haben in der Pandemie einen Börsenboom ausgelöst, bei dem eine neue Generation von Kleinanlegern Aktien angeschlagener Firmen in ungeahnte Höhen katapultiert.

Dieses Phänomen war in der Vergangenheit bereits bei Unternehmen wie dem Autovermieter Hertz zu beobachten, doch erst durch das Extrembeispiel Gamestop erhält es nun die ganz große Aufmerksamkeit. Die seit Tagen schon massiv schwankenden Gamestop-Papiere verloren zum Handelsstart am Donnerstag 25 Prozent, nachdem sie am Mittwoch um 135 Prozent zugelegt hatten.

Nicht das einzige Unternehmen, das an der Börse gezockt wird

Der Computerspielhändler ist nicht das einzige Unternehmen, um das derzeit in extremer Weise an der Börse gezockt wird. Die Aktien der weltgrößten Kinokette AMC etwa, die kürzlich noch als Pleitekandidat galt, eröffneten 30 Prozent schwächer. Sie hatten am Vortag allerdings um mehr als 300 Prozent zugelegt.

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Als wichtiger Grund für die Gegenbewegung am Donnerstag gilt, dass einige Handelsplattformen wie die bei Kleinanlegern beliebte Robinhood-App die Firmen wegen der Kurskapriolen vorübergehend ausschlossen. Dies betraf auch andere Unternehmen wie den Kopfhörerhersteller Koss oder den strauchelnden Smartphone-Pionier Blackberry, die ebenfalls mit starken Kursschwankungen in den Spekulationsstrudel gerieten.

Besonders am Rummel um Gamestop lässt sich gut erkennen, welche Dimension der Hype angenommen hat. Aus Sorge vor wirtschaftlichen Schwierigkeiten waren die Aktien des Unternehmens noch 2020 bei einem Rekordtief von 2,57 Dollar zu haben gewesen. Doch seit Mitte Januar kannten die Papiere trotz teils starker Schwankungen bis zuletzt eigentlich nur noch eine Richtung - steil nach oben. Als maßgeblicher Faktor hinter der Kursrally gilt ein relativ neues Phänomen am US-Aktienmarkt, bei dem sich massenhaft Kleinanleger in Foren etwa auf den Chat-Plattformen Reddit oder Discord im Stil von Flashmobs zusammentun, um gezielt bestimmte Aktien zu kaufen.

[Lesen Sie auch: Das steckt hinter dem Hype um Gamestop (T+)]

Dank eines nicht zuletzt von der Wertpapierhandels-App Robinhood ausgelösten Preiskriegs zwischen Online-Brokern, der die Gebühren massiv hat sinken lassen, hat sich der Aktienhandel in den USA gerade bei vielen Jüngeren während der Corona-Krise zu einer Art Volkssport entwickelt. Hinzu kommt, dass auch riskantere Transaktionen etwa mit Optionen, bei denen beispielsweise nur Bruchteile des Werts eines Anteilsscheins gehandelt werden, inzwischen viel stärker der breiten Bevölkerung und nicht mehr nur Finanzprofis zugänglich sind.

So gehört etwa Gamestop zu den Aktien, die jüngst stark auf der Online-Plattform Reddit diskutiert wurden. Ein Hobby der Community ist es zudem, durch konzertierte Aktionen professionelle Investoren aus dem Markt zu drängen, die auf fallende Kurse spekuliert haben.

Kräftemessen mit Hedgefonds

Bei Gamestop kam es zuletzt zu einem regelrechten Kräftemessen mit Hedgefonds, bei dem sich die Kleinanleger zumindest vorerst durchsetzen konnten. Ganz neu ist das Phänomen indes nicht. Bereits seit Jahren gibt es Social-Trading-Plattformen, auf denen sich Nutzer austauschen, um gemeinsam Kaufideen zu entwickeln.

Die Kursturbulenzen sorgten in der Finanzwelt zur Wochenmitte für große Aufregung, das „Wall Street Journal“ schrieb gar von einem „Krieg“, der zwischen Hedgefonds und Amateurhändlern ausgebrochen sei. Viele Online-Broker hatten angesichts des regen Betriebs am Markt technische Probleme. Forderungen nach einem Handelsstopp wurden laut, um die Lage zu beruhigen.

Die Börsenaufsicht SEC teilte mit, die Situation genau im Blick zu haben und kündigte eine Untersuchung an. Eine Sprecherin des Weißen Hauses erklärte beim Presse-Briefing, dass auch ein Team des Finanzministeriums die Lage beobachte.

Zuletzt soll auch der auf dem Kurznachrichtendienst Twitter sehr präsente Tesla-Chef Elon Musk mit einem Tweet zu Gamestop und einem Link zu den Reddit-Nutzern die jüngste Rally angefacht haben.

Analysten warnen derweil, dass der massive Kursanstieg nichts mit der Realität zu tun habe. Experte Jens Rabe etwa meint, der Höhenflug der Gamestop-Aktien schade dem Ansehen der Börse, da der Vorgang als „Zockerei“ wahrgenommen werde. Er fordert ein Durchgreifen der Aufsichtsbehörden, da Aktien kleiner Firmen als Spielball missbraucht werden könnten. (dpa)

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