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Die Hand aufhalten für gute Bewertungen - so machen es viele Rezensenten im Internet.

© Getty Images/iStockphoto

Update

Urteil mit Signalcharakter: Fake-Bewertungen bei Amazon und Co. sind rechtswidrig

Viele Firmen bieten Produkt-Rezensionen zum Kauf an. Zahlreiche Plattformen gehen dagegen vor. Zurecht, wie das Landgericht München nun entschied.

Auf seiner Internetseite gibt sich das Unternehmen ganz unkompliziert. „Erhalten Sie echte Bewertungen, die der hohen Qualität Ihrer Produkte gerecht werden“, heißt es dort unter fünf goldenen Sternen. Für 19,40 Euro kann man hier eine Bewertung bei Amazon kaufen. Rezensionen bei Google, im Appstore oder bei Facebook sind schon für 9,72 Euro zu haben. Wer sich vermeintliche Glaubwürdigkeit im Paket zulegen will, kann auch gleich 50 Amazon-Rezensionen für 969,95 Euro kaufen. Dass diese Bewertungen positiv ausfallen, steht nirgendwo. Nur der Name des Unternehmens lässt erahnen, worauf seine Kunden hoffen: Fivestar Marketing.

Rezensionen sind für Geschäfte im Internet unerlässlich geworden. Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom lesen 63 Prozent aller Kunden Bewertungen anderer Nutzer vor einem Erwerb; für mehr als die Hälfte aller Käufer stellen sie ein entscheidendes Kriterium dar. Und so sind die Bewertungen selbst zum Geschäft geworden. Zahlreiche Firmen wie Fivestar Marketing bieten Kundenrezensionen zum Kauf an. Sie vermitteln die Aufträge an Privatpersonen, die gegen Bezahlung etwas über das jeweilige Produkt zum besten geben. Ob diese Rezensionen immer die ehrliche Meinung der Tester sind oder ob diese überhaupt wirklich jedes Mal das fragliche Produkt ausprobiert haben, ist umstritten

Ein Urteil des Münchner Landgerichts hat nun klargestellt, wie mit diesem Geschäftsmodell umzugehen ist. Es erklärt gekaufte Fake-Bewertungen im Internet für rechtswidrig. Das Gericht gab mit der Entscheidung am Donnerstag einer Klage des Urlaubsportals Holidaycheck gegen Fivestar Marketing statt. Fivestar darf künftig keine Bewertungen mehr von Menschen verkaufen, die nicht tatsächlich in dem jeweiligen Etablissement übernachtet haben. Das Unternehmen muss zudem dafür Sorge tragen, dass die entsprechenden Fake-Bewertungen gelöscht werden, und außerdem dem zum Medienkonzern Burda gehörenden Urlaubsportal Auskunft geben, von wem die erfundenen Bewertungen stammten. Die Entscheidung erging in Form eines so genannten Versäumnisurteils. Trotz Ladung war kein Vertreter von Fivestar zur Verhandlung erschienen.

Sind gekaufte Rezensionen unlautere Werbung?

Für Plattformbetreiber wie Holidaycheck sind gekaufte Bewertungen ein ebenso großes Ärgernis wie für die Kunden, leidet doch ihre Glaubwürdigkeit unter falschen Rezensionen. Holidaycheck hatte bereits Hotels abgemahnt, die sich Rezensionen auf der Vermittlungsseite eingekauft hatten. Nun wollten sie auch gegen die Verkäufer der aus ihrer Sicht unlauteren Werbung vorgehen. Schon der Prozessverlauf hatte auf ein Urteil zugunsten des Urlaubsportals hingedeutet.

Bei den Verhandlungsterminen im Sommer hatte Fivestar auf Nachfragen der Kammer nicht nachweisen können, dass die Bewerter auch tatsächlich in den betreffenden Hotels übernachtet hatten. Fivestar beteuerte zwar weiterhin, alle Bewertungen seien echt. Doch in einem Fall hatte die Recherche von Holidaycheck ergeben, dass ein Bewerter „innerhalb kürzester Zeit 30 Hotels mit sechs Super-Sonnen“ kürte, teilte das Gericht damals mit. Den Einwand, nicht Fivestar, sondern der jeweilige Rezensent seien für den Inhalt verantwortlich, ließ der Richter bei den Verhandlungen nicht gelten und verwies auf das System der „mittelbaren Täterschaft“, wonach auch die Hintermänner von Straftaten haftbar gemacht werden können. Auf Tagesspiegel-Nachfrage wollte sich Fivestar nicht dazu äußern.

Doch nicht nur Holidaycheck geht gegen Fake-Bewertungen vor. Auch Amazon ist das Problem bewusst. Der US-Konzern hat allein 2018 rund 400 Millionen US-Dollar dafür ausgegeben, Rezensionsfälschern das Handwerk zu legen. „Im vergangenen Jahr haben wir mehr als 13 Millionen Versuche unterbunden, eine unechte Bewertung abzugeben, und wir haben Sanktionen gegen mehr als fünf Millionen Täter ergriffen, die versuchten, Bewertungen zu manipulieren“, sagte ein Unternehmenssprecher dem Tagesspiegel.

Ein eigener Algorithmus soll gekaufte Rezensionen aussieben. Doch auch juristisch setzt sich der US-Konzern zur Wehr. So hat Amazon im März dieses Jahres ein Grundsatzurteil am Oberlandesgerichts Frankfurt erstritten, wonach gekaufte Bewertungen fortan als solche kenntlich gemacht werden müssen. Da Amazon aber alle gekauften Rezensionen ohnehin sofort wieder löscht, stellte das Urteil lediglich eine Erleichterung für die Lösch-Teams von Amazon dar, keine Lösung des Problems. Auch in Berlin beschäftigt Amazon eine eigene Einheit, die sich um die Qualitätssicherung der Rezensionen kümmert.

Auch Ärzte zahlen für falsche Bewertungen

Es sind überdies nicht nur Händler und Buchungsportale, die mit Sterne-Bewertungen für Beliebtheit sorgen wollen. Auch Arbeitgeber werden auf Portalen wie Kununu oder Glassdoor von ihren Angestellten bewertet; auch hier lassen sich Bewertungen käuflich erwerben. Und selbst bei der Gesundheit hört das Geschäft nicht auf. Das ebenfalls zu Burda gehörige Ärzte-Bewertungsportal Jameda beschäftigt nach eigenen Angaben 20 Prüfer, die täglich rund 2000 Bewertungen auf Glaubwürdigkeit hin untersuchen. Zudem scannt ein Algorithmus die Bewertungen vor und nach Veröffentlichung anhand von rund 50 Kriterien. Etwa zehn Prozent der Rezensionen würden anschließend gelöscht; bis zu 70 Euro seien einigen Ärzte die positiven Bewertungen wert gewesen, berichtete jüngst die „Wirtschaftswoche“.

Die Politik hat das Thema ebenfalls auf die Agenda genommen. So soll Anfang November auf europäischer Ebene der sogenannte „New Deal for Consumers“ beschlossen werden. Nach dieser Richtlinie müssen Unternehmen künftig erläutern, ob und wie sie kontrollieren, dass ihre Rezensionen tatsächlich von Verbrauchern stammen, wie das Bundesjustizministerium auf Nachfrage erläutert. Falsche Verbraucherbewertungen abzugeben oder andere Personen hiermit zu beauftragen soll dann ebenfalls strafbar sein. Wie üblich bleiben danach zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Das Bundeskartellamt hat parallel eine Sektoruntersuchung gestartet, die ermitteln soll, welche Dimensionen das Problem von Fake-Bewertungen überhaupt hat.

Der Bundesverband E-Commerce (bevh) rät Verbrauchern, beim Einkaufen im Internet selbst auf Anzeichen zu achten. „Oftmals erkennt man Fake-Bewertungen an ihrer Einfachheit und den pauschalen, immer gleichen Floskeln“, sagte Eva Rohde, Rechtsanwältin des bevh dem Tagesspiegel. „Auch bei Texten, bei denen das Produkt übertrieben ausführlich beschrieben wird oder das Produkt über den grünen Klee gelobt wird, sollten Kunden skeptisch werden.“ Verbraucherschützer raten zudem, darauf zu achten, ob zu einem Produkt viele Bewertungen zur selben Zeit abgegeben worden sind. Auch das sei ein Anzeichen für gekaufte Rezensionen.

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