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Bausparen? Nee, lieber gute Zinsen bekommen.

© imago/Ralph Peters

Urteil des BGH: Wie aus Bausparkunden Zocker wurden

Bausparkunden kämpfen um ihre Zinsen, wie wir es früher von Finanzinstituten kannten. Schuld ist die Europäische Zentralbank. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Heike Jahberg

Erinnern Sie sich noch an die kleine Tochter, die mit ihrem Vater im Bauwagen lebt und von einem eigenen Häuschen träumt und einem Bausparvertrag? Trotz dessen Spießigkeit oder gerade deswegen. Der LBS-Clip, der heute zu den Klassikern der TV-Werbung zählt, mündete in dem Kultsatz: „Wenn ich groß bin, will ich auch mal Spießer werden!“

13 Jahre ist das her. Damals war die Welt des Bausparens noch in Ordnung. Man sparte auf seinen Vertrag, und wenn man genug auf der hohen Kante hatte, bekam man ein Darlehen der Bausparkasse für das eigene Haus, ein neues Bad oder den Dachausbau. Spießig, aber solide. Ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. In der Sparphase gab es relativ niedrige Sparzinsen, dafür waren aber auch die Kredite recht billig. Ein Geschäft, das jahrzehntelang funktionierte. Verglichen mit heute sind die Sparzinsen von damals aber attraktiv.

Schuld sind Mario Draghi und seine Mitstreiter in der Europäischen Zentralbank. Mit ihrer Niedrigzinspolitik haben sie das Sparen abgeschafft. Sichere Zinsanlagen bringen keine Rendite. Wer heute mit der Geldanlage Profit machen will, ist gezwungen, auf riskantere Anlagen umzusteigen.

Die Bausparkassen werden ausloten, wie weit sie gehen können

Es sei denn, man hat einen schönen, alten Bausparvertrag. Denn der wirft noch immer vergleichsweise hohe Sparzinsen ab. Kein Wunder also, dass die Kunden versuchen, die Sparphase so lange auszudehnen wie möglich. Zum Missfallen der Bausparkassen, für die solche Geschäftsbeziehungen zum Minusgeschäft geworden sind. Die Anbieter haben daher hunderttausende Verträge gekündigt. Die Betroffenen wehren sich, doch sie haben schlechte Karten – zumindest dann, wenn der Vertrag seit zehn Jahren zuteilungsreif ist, also so viel angespart ist, dass man ein Darlehen bekommen könnte. In einem solchen Fall darf die Bausparkasse kündigen, das hat am Dienstag der Bundesgerichtshof entschieden.

Mit dem Segen der Karlsruher Richter werden die Bausparkassen nun ausloten, was geht. Vielleicht kann man schon früher kündigen? Zudem versuchen viele Institute, die Kunden zu überreden, ihre hochverzinsten Verträge gegen schlechtere einzutauschen.

Die Konsequenzen der Zinspolitik trägt der Sparer

Mit spießiger Geldanlage hat das nichts mehr zu tun. Im Gegenteil. Was wir derzeit erleben, ist ein Rollentausch. Verbraucher benehmen sich so, wie wir das früher von den Finanzinstituten kannten. Mit Tricks und Fantasie wird um jedes Renditeprozent gekämpft. Bausparer verabschieden sich vom Baukredit und definieren ihren Bausparvertrag in einen reinen Sparvertrag um. Häuslebauer, die in der Vergangenheit einen teuren Immobilienkredit aufgenommen haben, suchen in ihren Verträgen nach Formfehlern, um unter Verweis auf fehlerhafte Widerrufsbelehrungen aus den unattraktiven Verträgen auszusteigen. Die Widerrufswelle war so groß, dass der Gesetzgeber eingeschritten ist und die Möglichkeiten begrenzt hat.

Das liegt an der EZB. Ihre Niedrigzinspolitik macht Bausparer und Häuslebauer zu Zockern. Ein Ende des billigen Geldes ist nicht in Sicht, die Konsequenzen trägt der Sparer. Egal in welchem Gewand – als Kunde einer Bausparkasse, einer Lebensversicherung oder eines Riester-Vertrags. Überall gibt es Zoff. Manch einer wäre sicher lieber Spießer.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Kommentars stand im zweiten Absatz, früher seien bei Bausparverträgen die Zinsen hoch und Kredite teuer gewesen. Richtig ist, dass damals Zinsen niedrig und Kredite billig waren - die Zinsen aber höher als heute. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen. An der Grundaussage des Kommentars ändert sich aber nichts.

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