zum Hauptinhalt
Zur Zeit checkt niemand bei Wombat’s in Berlin-Mitte ein. Das Hostel hat vorerst geschlossen – trotz guter Auslastung.

© promo

Unternehmen gegen Betriebsräte: Mitbestimmung? Dann schließen wir eben

In Berlin schließt ein Hostel, weil die Mitarbeiter zu sehr auf Mitbestimmung pochten. Dieser Konflikt ist kein Einzelfall.

Eigentlich sollte alles besser werden. Keine Doppelschichten mehr, kein Durcharbeiten ohne Pause. Keine Anrufe im Urlaub, die den Urlaub prompt beenden. Zermürbt von all diesen Umständen erkämpften die Mitarbeiter von Wombat’s den allerersten Betriebsrat in einem deutschen Hostel. Vier Jahre ist das her. Jetzt verliert dort jeder seinen Job.

Das Hostel Wombat’s befindet sich an der Alten Schönhauser Straße, mitten in Mitte. Ein modernes, schlichtes, weißes Gebäude. Gedacht für junge Menschen, für ein Wochenende in der Spaßstadt. Viele scheinen dort eine gute Zeit zu haben. Nettes Personal, lockere Atmosphäre, tolle Bar, schreiben die Besucher in Online-Bewertungen. Es gibt aber auch Gäste, die das Haus demnach schockiert verließen. Weil es für die Mitarbeiter nicht vergnüglich sei.

Mit einem Aushang am schwarzen Brett fing 2015 alles an. Die beiden Geschäftsführer schrieben einen Brief an die Belegschaft. Sie könnten die Gründung eines Betriebsrats „in keinster Weise nachvollziehen“. Der Schritt sei eine „sehr große Enttäuschung“, ein Vertrauensentzug. Er lasse die beiden am Sinn ihres Tuns zweifeln. Deswegen werde es nach der Gründung auch von ihrer Seite „einige Änderungen“ geben, die „dieser neuen Situation Rechnung tragen“. Aus ihrer Sicht würden sich einzelne Mitarbeiter bloß hinter einem besseren Kündigungsschutz verstecken wollen und das gewohnte Arbeitsumfeld aller gefährden. Das Gesamtteam habe sich das alles aber sicherlich gut überlegt. Der Brief liegt dem Tagesspiegel vor.

Obwohl die Beschäftigten das Schreiben als einschüchternd empfanden, gründeten sie mit Hilfe der Gewerkschaft „Nahrung-Genuss-Gaststätten“ das Gremium zur Vertretung ihrer Interessen und erstritten ein Jahr später einen Tarifvertrag. Bei diesen Erfolgen sollte es nicht bleiben.

Das Hostel Wombat’s befindet sich an der Alten Schönhauser Straße, mitten in Mitte.
Das Hostel Wombat’s befindet sich an der Alten Schönhauser Straße, mitten in Mitte.

© Kai-Uwe Heinrich

Wahlen werden verhindert, Leute bespitzelt

Obwohl die betriebliche Mitbestimmung in Deutschland gesetzlich geschützt ist, gehen Unternehmen immer wieder gegen Interessenvertretungen vor, zum Teil mit drastischen Mitteln und Unterstützung von darauf spezialisierten Anwaltskanzleien. Sie versuchen, Wahlen zu verhindern, schüchtern Kandidaten ein, bespitzeln Betriebsräte. Das Phänomen heißt Union Busting und kommt ursprünglich aus den USA. Doch auch hierzulande verbreitet sich das Vorgehen aus Sicht der Gewerkschaften.

Raphael steht bei Wombat’s seit zehn Jahren an der Rezeption und ist Betriebsratsvorsitzender. In einem Café berichtet er von Schikanen, obszönen Sprüchen gegenüber Frauen, Mobbing – aber lieber nur mit seinem Vornamen. Im vergangenen Dezember versuchte die Belegschaft noch einmal mit der Geschäftsführung zu sprechen. Es ging vor allem um das Verhalten ihres Berliner Chefs. „Drohbriefe wurden an unsere privaten Mailadressen verschickt, Mitarbeiter*innen zu Einzelgesprächen ins Büro abkommandiert, bei denen man angeschrien oder in völlig unangemessener Art und Weise von oben herab behandelt wurde“, steht darin. Es würden permanent Kündigungen angedroht und Abmahnungen wegen Kleinigkeiten ausgeteilt, nicht selten rechtswidrig, weil jemand die Sprechstunde des Betriebsrats in Anspruch genommen habe.

Dann brach das neue Jahr an. Und es sollte noch schlimmer werden. Das Unternehmen kündigte an, dass die Reinigungskräfte in Subunternehmen ausgelagert werden. Wieder streikten Mitarbeiter. Neben Kreideslogans, die der Betriebsrat aus Protest auf die Straße vor dem Hostel gesprüht hatte, tauchte über Nacht ein gesprühter Penis auf. An anderer Stelle stand: „Fuck U Betriebsrat“ und weitere Beleidigungen. Einige Wochen später beendete die Hostelleitung das Drama. Das Hostel sei zwar wirtschaftlich erfolgreich. Aufgrund der schlechten Presse und der „offenen Feindschaft innerhalb und außerhalb“ des Hostels hätten sich die Wombat’s-Gründer entschieden, das Haus zu schließen.

An diesem Samstag ist es so weit. Das Management wollte sich zu den Vorwürfen der Mitarbeiter und den Gründen der Schließung auf eine Anfrage hin nicht äußern.

Gegen das geplante Outsourcing älterer Mitarbeiter demonstrierten Ver.di und Beschäftigte des Hostels.
Gegen das geplante Outsourcing älterer Mitarbeiter demonstrierten Ver.di und Beschäftigte des Hostels.

© imago/snapshot

„Es ist bitter, dass das erste Hostel mit einem Betriebsrat so scheitert“, sagt Sebastian Riesner, Geschäftsführer der NGG-Region Berlin-Brandenburg. „Jetzt schließen sie den Betrieb ohne mit der Wimper zu zucken und nicht einmal aus finanziellen Gründen.“ Besser könnte ein Standort aus seiner Sicht gar nicht sein, das Hostel sei ausreichend belegt. Er glaubt vielmehr: Das Haus, das einem der Geschäftsführer gehört, wird nach einer Schamfrist wieder eröffnet. Ohne einen Betriebsrat.

Eine Untersuchung der Hans-Böckler- Stiftung hat vor zwei Jahren ergeben, dass jede sechste Gründung eines Betriebsrats behindert wird. Aktuelle Zahlen liegen Ende des Jahres vor. Im Gastgewerbe, wo die Arbeitsbedingungen besonders schlecht sind, werde besonders viel getan, um daran nichts zu ändern. Dabei muss jemand mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr rechnen, wenn er die Wahl oder die Arbeit des Gremiums erheblich stört.

Die Realität sieht jedoch anders aus. „Wie Betriebsräte von manchen Arbeitgebern regelrecht bekämpft werden, ist ein echter Skandal“, findet Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes. „Trotzdem landet praktisch kein Fall vor Gericht.“ Die zuständigen Staatsanwaltschaften würden das zu oft als einen Kavaliersdelikt betrachten. Der DGB fordert deshalb seit Langem Schwerpunktstaatsanwaltschaften für diese Delikte.

In Start-ups kann man doch am Kicker reden

Vor zehn Jahren bekam der Missstand für eine Weile Aufmerksamkeit, als „betriebsratsverseucht“ zum Unwort des Jahres erklärt wurde. Die Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen als Seuche zu bezeichnen, sei „ein sprachlicher Tiefpunkt im Umgang mit Lohnabhängigen“, lautet die Begründung. Seitdem schaffen es mal kleine Fälle, mal große für einen Moment in die Schlagzeilen: Seit mehreren Jahren verhindert Alnatura zum Beispiel die Wahl eines Betriebsrats in Bremen. Der Playmobil-Hersteller Geobra Brandstätter versucht seit einem Jahr, acht Betriebsräte aus dem Unternehmen zu klagen. Auch bei der irischen Billig-Airline Ryanair zeichnet sich in Deutschland erneut ein Konflikt rund um Arbeitsrechte ab.

Die Gewerkschaft Verdi wirft der Fluggesellschaft unter anderem vor, die Wahl von Betriebsräten beim Kabinenpersonal zu verhindern. Ryanair gehe oft noch mit Druck vor. So hätten Beschäftigte Angst, dass sie bei einer Wahl Repressalien zu befürchten hätten und etwa gewünschte Versetzungen in ihre Heimatländer nicht erhielten. Bei Ryanair hatte sich irgendwann die Bundesregierung eingemischt und im vergangenen Jahr das „Lex Ryanair“ auf den Weg gebracht. Damit bekommen nun auch Flugbegleiter das Recht, einen Betriebsrat zu gründen – auch ohne Tarifvertrag.

In der neuen Arbeitswelt, der Welt der hippen Start-ups, gibt es ebenfalls Gegenwehr. Manche greifen zu Tricks, um eine Betriebsratsgründung zu umgehen – oder sie sagen, dass ein solcher Gremium so verstaubt sei wie ein Faxgerät. Stattdessen gebe es in den Jungunternehmen doch ein kumpelhaftes Miteinander, flache Hierarchien, wo man Probleme mit dem Chef locker am Kickertisch besprechen könne oder beim gemeinsamen Grillen auf der Dachterrasse. Das ermögliche doch schon viel Mitbestimmung. Und wenn der Chef zu beschäftigt ist, kümmern sich Feel Good Manager um die Sorgen der Angestellten. Die Gewerkschaften sehen das anders und kritisieren regelmäßig schlechte Arbeitsbedingungen – zum Beispiel im Kosmos der Essens- und Getränkelieferanten.

Bei Wombat’s waren zuletzt 35 Frauen und Männer tätig. Einige warten mit dem Bewerben noch. Erschöpft von den letzten Monaten brauchen sie eine kleine Auszeit. Andere haben einen neuen Job gefunden, wenngleich nicht mehr alle im Gastgewerbe danach suchen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false