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Wirtschaft: Umsatz statt Schlagzeilen

So werben „Hidden Champions“ um gute Leute

„Hidden Champions“ machen Umsatz statt Schlagzeilen: Manche Mittelständler besetzen Nischen so erfolgreich, dass sie inzwischen europa- oder gar weltweit Marktführer sind – mit entsprechenden Karrierechancen für ihre Mitarbeiter. Doch die „Gewinner im Verborgenen“ leiden derzeit besonders unter dem Fachkräftemangel: Im Gegensatz zu Konzernen wie Phillips, Lufthansa, Daimler und Siemens in Hamburg, Berlin oder München können sie weder auf einen großen Namen, noch auf einen attraktiven Standort setzen, um die dringend benötigten Ingenieure, Programmierer und Vertriebsexperten anzulocken. Neue Strategien müssen her, um Mitarbeiter zu finden und im Unternehmen zu halten.

Bei den Experten für Unternehmenssoftware von SAS Deutschland in Heidelberg ist vieles anders als bei herkömmlichen Software-Entwicklern. Der Firmensitz liegt malerisch zwischen Weinbergen und Neckarufer mit Blick auf das Heidelberger Schloss. Die Büros sind geräumig, hell und schallgedämpft. Für die rund 480 Mitarbeiter gibt es Getränke und Obst, mittags trifft sich die Laufgruppe zum Jogging auf dem Philosophenweg. In jährlichen Meetings, den „Trüffelgruppen“, können Kollegen loswerden, was ihnen bei SAS gefällt und was nicht – und wie man als Arbeitgeber noch besser werden kann. „Eine langjährige Bindung und dauerhaften gemeinsamen Erfolg erreicht man nur, wenn die Mitarbeiter sich wohl fühlen und sich mit dem Unternehmen identifizieren“, sagt Personalchefin Dorothea Schwalbach. Sie weiß, dass ihr Arbeitgeber allein mit gängigen Pluspunkten wie flachen Hierarchien, flexiblen Arbeitszeiten und attraktivem Gehalt nicht aus der Masse heraussticht. „Wir haben eine Marke entwickelt, eine Mitarbeiter-Kultur, die es nur bei uns gibt.“

Ungewöhnlich sind bei SAS auch die Rekrutierungswege: Wer einen neuen Kollegen anwirbt, bekommt eine Prämie von 5000 Euro. Die Heidelberger suchen auch Quereinsteiger für die Weiterentwicklung ihrer Programme, die in Banken, Versicherungen und im Handel zum Einsatz kommen. Neben den klassischen Rekrutierungsstrategien wie Ausschreibungen und engen Kontakten zu Universitäten setzt das Unternehmen zunehmend auf die persönlichen Netzwerke seiner Angestellten.

Unternehmenskultur wird bei vielen „Hidden Champions“ großgeschrieben. Allerdings nicht zum Selbstzweck, sondern als Mittel für mehr Mitarbeiterzufriedenheit – und damit letztlich mehr Produktivität. Das Ergebnis: Krankenstand und Fluktuation sind niedriger als bei vielen Konzernen.

Dass große Namen nicht unbedingt große Aufgaben bedeuten, hat Björn Ostertag erlebt. Der Ingenieur machte während seines Studiums Praktika bei Daimler und der Dasa. „Dabei habe ich erlebt, wie träge solche Unternehmen sein können. Es kann lange dauern, bis Mitarbeiter Verantwortung übernehmen dürfen“, erinnert sich Ostertag. Heute arbeitet er bei dem Sensorenentwickler ifm Electronic in Essen – ein klassischer „Hidden Champion“ mit rund 3500 Mitarbeitern. Der Berufsanfänger Ostertag stieg hier in kurzer Zeit zum Produktionsleiter auf. Der springende Punkt, der „unbekannte Riesen“ zu guten Arbeitgebern macht: Wer gut ist, der wird gesehen.

Aus- und Weiterbildung sind weitere wichtige Themen. Viele Unternehmen haben Teile ihres Berufsausbildungssystems in ihre ausländischen Niederlassungen „exportiert“. Suhl etwa, Weltmarktführer für Motorsägen, setzt Konzepte der deutschen Berufsausbildung in den USA, Frankreich und Brasilien ein. Andere Firmen haben Austauschprogramme mit ihren Auslandsniederlassungen, zum Beispiel Weinig in Tauberbischofsheim, größter Hersteller von Kehlmaschinen für die Möbelindustrie.

Auch spannend: Bei Winterhalter Gastronom, die weltweite Nummer Eins für Spülmaschinen in Hotels und Restaurants, muss jeder Mitarbeiter mindestens eine weitere Aufgabe beherrschen. So ist es zum Beispiel üblich, dass der Kollege aus der Produktion auch mal im Kundendienst einspringt. Anja Steinbuch

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