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Kohlekraftwerk in Xining, China: Im Inland will Peking noch bis 2026 neue Meiler bauen.

© picture alliance / dpa

Überraschender Schritt: Was bedeutet Chinas Förderstopp für Kohlekraftwerke im Ausland?

Die Ankündigung kam unerwartet, die Reaktionen waren positiv. Peking will keine ausländischen Kohleprojekte mehr finanzieren. Doch es bleiben Fragen.

Die Ankündigung war vorab per Video aufgezeichnet worden und kam dennoch überraschend: „China wird keine neuen Kohleprojekte im Ausland mehr fördern“, sagte der chinesische Präsident Xi Jinping am Dienstag bei der UN-Vollversammlung. Was das heißen könnte, lässt sich in Zahlen zusammenfassen: Derzeit sind 20 von China finanzierte Kohlekraftwerke in anderen Ländern im Bau, mindestens 17 sind in Planung.

Laut des Global Energy Monitor (GEM), einer US-amerikanischen Denkfabrik, könnten somit 50 Milliarden US-Dollar versprochener Finanzierung aus China zurückgezogen und 200 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden. Denn wenn China sein Versprechen vollumfänglich umsetzt, würden 40 Gigawatt Kohleleistung nie installiert – das entspricht der Gesamtheit aller deutschen Kohlekraftwerke.

„Ende des Kohle-Zeitalters weltweit“

Die Reaktionen darauf fallen größtenteils positiv aus. Dies sei ein „großartiger Beitrag für die Klimaschutzpolitik“, freute sich der US-Klimabeauftragte John Kerry. China läute damit „das Ende des Kohle-Zeitalters weltweit ein“, schreibt Lutz Weischer, Leiter des deutschen Büros von Germanwatch.

Das Problem: Xi blieb vage. „Es bleiben viele Fragen offen: Gilt das nur für öffentliche oder auch für private Banken? Nur für den Bau von Anlagen oder auch für Projektmanagement, Ausrüstung und so weiter?“, fragte Byford Tsang, Experte für chinesische Energiepolitik beim Thinktank E3G. Auch ab wann der Schritt gelten soll, bleibe unklar.

China bleibt Kohle-Weltmeister

Zudem geht es nur um Projekte im Ausland. In China selbst ist von einem Kohle-Stopp keine Rede und auch die erst jüngst im Ausland finanzierten Werke werden weiterlaufen. Tatsächlich dürfte China auch in Zukunft Kohle-Weltmeister bleiben. Bis 2026 sollen noch neue Kraftwerke gebaut werden, allein im vergangenen Jahr sind in China Kohlekraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 38,4 Gigawatt ans Netz gegangen.

Im Mai hatten bereits die G7 angekündigt, ihre Kohlefinanzierung im Ausland einstellen zu wollen. Auch wenn China keinen kompletten Kohleausstieg angekündigt hat, so ist der Schritt doch richtungsweisend für die globale Energiewende. Denn chinesische Gelder, verteilt zumeist durch die Staatsbanken China Development Bank und die China EXIM Bank, haben in der Vergangenheit weltweit Kohleprojekte finanziell abgesichert, die ansonsten nicht zustande gekommen wären. Zwischen 2013 und 2018 pumpten beide Banken rund 13,3 Milliarden Euro in Kohleprojekte im Ausland und beteiligten sich in sämtlichen der zehn größten Kohleländer der Welt, so eine Analyse der Universität Boston. Besonders bedeutend sind die Gelder aus Peking für die Staaten entlang der Belt and Road Initiative. Indonesien finanziert über die Hälfte seiner Kraftwerke mit Chinas Hilfe, in Bangladesch sind es sogar 88 Prozent.

Baerbock: „Knallharte machtpolitische Interessen“

Dennoch kommt die Ankündigung eigentlich nicht überraschend. „China hat wiederholt seine Absicht betont, die CO2-Emissionen entlang der Belt and Road-Initiative zu reduzieren – das ist der erste große Schritt in diese Richtung“, so Tsang von E3G. Seit vergangenem Jahr überschreiten die Investitionen Chinas in erneuerbare Energien in diesen Ländern schon jene in Kohle. In der ersten Jahreshälfte 2021 genehmigte Peking dort gar keine Kohleprojekte mehr, gibt das American Enterprise Institute an.

Im April schon hatte China zusammen mit den USA eine Erklärung unterzeichnet, wonach es mehr Geld für erneuerbare Energien in Drittstaaten zur Verfügung stellen wolle. Wenn China nun statt der Kohle erneuerbare Energien fördern wolle, „macht das Regime dies nicht nur für den Klimaschutz, sondern auch aus knallharten ökonomischen und machtpolitischen Interessen“, sagte Grünen-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock der „Süddeutschen Zeitung“. Auch Chinas Banken denken schon länger über ein Ende der Kohlefinanzierung nach. Als erste private tat dies im April die Bank Postal Savings Bank.

Risiko der Finanzierung von Kohleprojekten nimmt zu

Die wirtschaftlichen Gründe: „Das Risiko der Finanzierung von Kohleprojekten nimmt international zu, was zu einem großen Teil auf politische Entscheidungen zurückzuführen ist. Viele Länder haben angekündigt, ihre Energiepolitik zu reformieren und keine neuen Kohlekraftwerke mehr zu bauen“, so Tsang. Bangladesch bestätigte im Juni, dass es zehn vor dem Bau stehende Kohlekraftwerksprojekte streichen wolle. Indonesien möchte das nach 2023 tun, auch Pakistan will in Zukunft keine neuen Kohlekraftwerksprojekte angehen. Diese erwartbar deutlich geringere Nachfrage nach Kohle werde sich auch im Kohlemarkt widerspiegeln, meint Tsang, und dort perspektivisch die Preise senken.

Noch ist China aber massiv auf Kohle angewiesen, knapp 57 Prozent seines Energiebedarfs deckt es daraus. Doch durch die hohen Kohlepreise werden die Energieunternehmen in China belastet. Laut Beijixing News meldeten vier der zehn börsennotierten Kohlestromunternehmen im ersten Halbjahr Verluste, fünf weitere mussten einen Gewinneinbruch hinnehmen. Die Inlandspreise für Kraftwerkskohle sind seit Januar dieses Jahres um 30 Prozent gestiegen, nach Schätzungen von TransitionZero ist der Anteil der rentablen Anlagen von 67 Prozent im Jahr 2020 auf 29 Prozent im zweiten Quartal 2021 gesunken. Gründe sind die stark gestiegene Nachfrage durch den Konjunkturaufschwung, ein Embargo auf australische Kohle, aber auch gestiegene Umweltauflagen in chinesischen Kraftwerken.

Florence Schulz

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