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Die Handelsriesen Edeka und Rewe haben sich über die Zukunft der Supermarktkette Kaiser's Tengelmann geeinigt.

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Update

Übernahme von Kaiser's Tengelmann: Edeka und Rewe besiegeln Einigung

Der Kaufvertrag sichert 15.000 Jobs bei der angeschlagenen Supermarktkette. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel ist erleichtert.

Vorzeitige Bescherung für die rund 15.000 Beschäftigten von Kaiser's Tengelmann. Die Handelskonzerne Edeka und Rewe haben sich nach langen, zähen Verhandlungen über die Zukunft der angeschlagenen Supermarktkette und die Verteilung der bundesweit noch rund 400 Filialen geeinigt. Der zwischen den beiden größten Lebensmittelhändlern Deutschlands geschlossene Kaufvertrag werde noch am Freitag an das Bundeswirtschaftsministerium weitergeleitet, teilten Rewe und Edeka in einer gemeinsamen Mitteilung mit. Auch die notwendigen Tarifverträge mit den Gewerkschaften Verdi und NGG seien bereits abgeschlossen. Wenn Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zustimmt und das Bundeskartellamt Rewe keine Steine in den Weg legt, ist der Deal unter Dach und Fach. Rewe und Edeka wollen den Vertrag in der kommenden Woche unterschreiben.

Rewe bekommt in Berlin 62 Filialen

Nach Tagesspiegel-Informationen übernimmt Rewe von den rund 120 Filialen in Berlin 60 bereits bestehende Standorte, zwei weitere Märkte werden neu gebaut. Damit käme der Branchenzweite an der Spree auf 62 Märkte und würde so seine Marktstellung deutlich ausbauen. Ein Ziel, das Rewe-Chef Alain Caparros von Anfang an angestrebt hatte. Dafür nimmt Caparros auch Verlustbringer in Kauf, etwa das Birkenhof-Fleischwerk Perwenitz und die Kaiser's-Regionalverwaltung. An der Spree arbeiten derzeit rund 5600 Menschen für Kaiser's Tengelmann.

Auch in Nordrhein-Westfalen und in Bayern wechseln jeweils zwei Märkte in das Rewe-Reich. Ansonsten bekommt Marktführer Edeka sämtliche Filialen in diesen Bundesländern. Während zahlreiche Märkte in Nordrhein-Westfalen rote Zahlen schreiben, sind viele der Filialen in München und Oberbayern attraktiv. Edeka-Chef Markus Mosa dürfte daher mit dieser Lösung gut leben können. Eigentlich hatte er Kaiser's Tengelmann komplett übernehmen wollen, doch das Bundeskartellamt hatte das Geschäft mit Blick auf die Marktmacht Edekas untersagt. Bundeswirtschaftsminister Gabriel hatte aber die Bedenken der Wettbewerbshüter zur Seite gewischt und mit seiner Ministererlaubnis den Weg für die Übernahme frei gemacht. Der SPD-Vorsitzende hatte Edeka jedoch als Bedingung vorgeschrieben, dass die 15.000 Jobs bei Kaiser's Tengelmann fünf Jahre lang erhalten bleiben müssen und dass in dieser Zeit Kaiser's Tengelmann-Filialen nur mit Zustimmung der Gewerkschaften weiter veräußert werden dürfen. Gabriel hatte seine Erlaubnis mit dem Schutz der Arbeitsplätze bei Kaiser's Tengelmann begründet.

Sigmar Gabriel ist erleichtert

Der Minister dürfte den Vereinbarungen zwischen Edeka und Rewe zustimmen. "Der erfolgreiche Abschluss der Verhandlungen zwischen Edeka und Rewe sowie den Gewerkschaften Verdi und NGG ist eine sehr gute Nachricht für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Berlin", sagte Gabriel am Freitag in Berlin. "Ich bin zuversichtlich, dass in der nächsten Woche die Ministererlaubnis vollzogen werden kann". Die Beschäftigten müssten nach einer langen Zeit der Unsicherheit "jetzt nicht länger um ihren Arbeitsplatz bangen."

Wechselbad der Gefühle

Auch Verdi gab sich optimistisch. "Wir gehen davon aus, dass der Prozess jetzt sehr bald zu einem guten Ende für die Beschäftigten kommt", betonte eine Sprecherin. Alle Tarifverträge seien fertig verhandelt, auch die Tarifkommissionen hätten bereits zugestimmt. Der Berliner Betriebsratschef von Kaiser's, Volker Bohne, ist aber noch nicht in Feierstimmung. "Solange wir das nicht schriftlich haben, feiern wir nicht", meint Bohne.

Tatsächlich haben die Mitarbeiter in den vergangenen zwei Jahren ein Wechselbad der Gefühle hinter sich. Im Oktober 2014 hatte Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub mitgeteilt, dass er seine Supermarktkette an Edeka verkaufen will. Kaiser's Tengelmann sei zu klein, um wirtschaftlich zu arbeiten, hatte Haub zur Begründung angeführt. Seit der Jahrtausendwende habe die Kette über 500 Millionen Euro Verlust gemacht, Haub will sich auf seine Obi-Baumärkte, den Textildiscounter Kik und seine Start-up-Beteiligungen konzentrieren.

Wäre das Geschäft so wie von Haub geplant über die Bühne gegangen, hätten wahrscheinlich rund 8000 Kaiser's-Mitarbeiter ihre Arbeitsplätze verloren. Mit dem Abbau dieser Stellen hatte Haub wiederholt für den Fall gedroht, dass er seine Läden nicht an einen einzelnen Erwerber geben darf, sondern der Konzern zerschlagen und in Einzelteilen verkauft wird. Die Ministererlaubnis Gabriels und der damit verbundene Schutz aller Stellen hatten in der Belegschaft Jubel ausgelöst - doch nur für kurze Zeit. Im Juli hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf auf eine Beschwerde von Rewe, Norma und Markant hin die Ministererlaubnis aufgehoben, Gabriel Befangenheit vorgeworfen und dem Minister damit eine erhebliche Ohrfeige verpasst.

Monatelange Verhandlungen

Seitdem wird verhandelt. Zunächst unter der Regie von Verdi-Chef Frank Bsirke, dann mit Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder als Schlichter. Markant und Norma zogen ihre Beschwerden gegen die Ministererlaubnis zurück, gegen finanzielle Kompensationen. An denen war Rewe aber niemals interessiert. Die Kölner wollten Märkte, um weiter zu wachsen. Die Gespräche standen mehrfach vor dem Scheitern, dass Rewe und Edeka nun eine Einigung erzielt haben, ist ein Erfolg für Caparros, Mosa, Bsirske und Gabriel.

Das Bundeskartellamt will die geplante Aufteilung der Filialen zügig prüfen. Rewe und Edeka wissen aus dem Verfahren gegen Edeka, welche Kriterien die Wettbewerbsbehörde anlegt. Bei der Verteilung der Berliner Märkte haben die Lebensmittelhändler nach Tagesspiegel-Informationen darauf geachtet, dass keiner von ihnen in den jeweiligen Kiezen zu stark wird. Erleichternd kommt hinzu, dass Rewe die Märkte juristisch gesehen nicht von Kaiser's Tengelmann, sondern von Edeka übernimmt. Wenn der Branchenzweite zulasten des Branchenersten wächst, macht das den Kartellwächtern die Zustimmung leichter. Diskussionen gibt es aber noch über das Verfahren. Das Bundeskartellamt besteht darauf, dass zunächst Rewe seine Beschwerde gegen die Ministererlaubnis zurückzieht, bevor das Amt prüft. Rewe möchte aber zunächst das grüne Licht aus Bonn, bevor man seine Waffe gegen die Ministererlaubnis aus der Hand gibt.

Nach Insider-Angaben dürfte in diesem Jahr noch alles beim alten bleiben. Mit der Umrüstung der Märkte soll im nächsten Jahr begonnen werden. "Auch dann werden nicht alle 62 Filialen in Berlin auf einen Rutsch umgebaut", hieß es am Freitag.

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