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Oliver Lackmann (50) ist Geschäftsführer der TUI Fly. Darin wird der Flugbetrieb aller fünf TUI Fluglinien gebündelt. Er ist für 150 Maschinen zuständig.

© Tui

TUI-fly-Chef Oliver Lackmann: „Niemand muss sich schämen, den Flieger zu nehmen“

Früher galt Fliegen als chic, jetzt stehen Airlines am Pranger. Oliver Lackmann, Chef der TUI-Fluglinien, über das Reisen in Zeiten des Klimawandels.

Herr Lackmann, müssen sich Vielflieger schämen, weil sie Klimasünder sind?

Nein. Sie müssen sich nicht schämen. Vielflieger haben meist einen guten Grund, warum sie das Flugzeug nutzen. Das Flugzeug verbindet Städte auf sehr kurzem Weg miteinander. Vielflieger brauchen das. Das Verkehrsmittel Flugzeug ist Teil unserer Zivilisation, auch aus dem Wirtschaftsleben ist es nicht mehr wegzudenken. Wir als Branche müssen uns aber bemühen, die ökologischen Folgen so gering wie möglich zu halten. Der Kunde aber hat keinen Grund, ein schlechtes Gewissen zu haben.

Früher galt Fliegen als chic, jetzt stehen Airlines am Pranger, wie geht Ihr Unternehmen damit um?

Wir stellen uns der Diskussion. Man darf nicht alle Fluggesellschaften über einen Kamm scheren. Einige Mitbewerber haben sicherlich Bedarfe geweckt, die angreifbar sind: Muss ich wirklich für einen Kaffee nach Mailand jetten? Die Frage kann man durchaus stellen. Das ist aber nicht unser Konzept: Unsere Kunden sind Urlauber, die das Flugzeug benutzen, um meist für mehrere Wochen an ein Ziel zu fliegen. Die Alternative wäre, dass sich Urlauber wieder ins Auto setzen und tagelang fahren, bevor sie in Spanien, Griechenland und der Türkei ankommen. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Gast auch in Zukunft die kurze Anreise schätzt, um vor Ort seinen Urlaub genießen zu können. Die meisten Deutschen machen eine große Reise im Jahr. Und da ist es legitim, diese per Flugzeug zu unternehmen.

Bei der TUI sind zuletzt die Gewinne aus dem Fliegen massiv eingebrochen. Ist das auch ein Ergebnis eines veränderten Bewusstseins der Touristen?

Nein, bei Tui sind Sondereffekte dafür verantwortlich, dass die Gewinne nicht mehr so deutlich ausfielen. Vor allem die Entscheidung der Behörden, das Flugzeug Boeing 737 Max vorerst nicht fliegen zu lassen, belastet das Ergebnis. In Europa gibt es zudem Überkapazitäten. Schauen Sie sich an, wie viele Airlines in Europa in letzter Zeit pleitegegangen sind. Unser Geschäft sieht aber völlig anders aus: Wir sitzen mit den Reiseveranstaltern in einem Boot: Unsere Maschinen fliegen die Ziele der Veranstalter an und haben dabei Auslastungen, die sich durchaus sehen lassen können: Sie liegen jenseits der 90 Prozent.

Was macht TUI für den Klimaschutz?

TUI engagiert sich in der gesamten Produktpalette zum Thema Nachhaltigkeit. Hotels stellen um und lassen sich die Nachhaltigkeit zertifizieren. Da sind die Kreuzfahrtschiffe, die nicht mehr mit Schweröl fahren, sondern mit Marinediesel und demnächst mit Flüssiggas. Auch beim Fliegen setzen wir auf spritsparende Technologien. Wir bemühen hocheffiziente Software, um Flugdurchführung sowie Routenführung zu optimieren.

Dennoch wird der Konzern die selbst gesteckten Ziele beim CO2-Ausstoß der Flugzeuge 2020 nicht erreichen. Woran liegt das?

Das liegt teils an den bekannten Problemen mit der 737 Max. Wir waren davon ausgegangen, dass wir das spritsparende Modell bereits längst hätten nutzen können. Wir hoffen, dass die Maschine nächstes Jahr dann zur Verfügung steht und den Spritverbrauch senkt. Sie dürfen zudem nicht vergessen: die TUI Airlines zählen bereits heute zu den klimaeffizientesten Linien der Welt. Wir liegen bei Atmosfair auf Platz eins und vier.

Die EU strebt für 2050 Klimaneutralität an, wie steht es mit der Fluglinie?

Es hängt davon ab, wie schnell beim Fliegen regenerative und synthetische Kraftstoffe marktreif sind. Da muss die Politik kräftig unterstützen, bis es so weit ist. Bislang gibt es da nämlich noch gar nichts. Die Industrie investiert aber bereits viel Geld in effizientere Flugzeuge. In den nächsten Jahren werden es mehr als 100 Milliarden Euro allein in Europa sein. TUI ist hier an vorderster Stelle dabei. Die 737 Max etwa verbraucht 16 Prozent weniger als die Vorgängerversion.

Wird TUI klimabewussten Kunden anbieten, direkt über das Unternehmen den Fußabdruck eines Fluges zu kompensieren?

Wir wollen da etwas Eigenes entwickeln und werden es im nächsten Jahr im Rahmen unserer neuen Nachhaltigkeitsstrategie 2020-2030 vorstellen. Wir hatten vor fünf Jahren schon einmal eine Kompensationsmöglichkeit, die wurde aber vom Kunden nicht angenommen.

TUI baut das Kreuzfahrtgeschäft, in dem hohe Mengen Klimagase entstehen, massiv aus. Macht sich TUI da nicht angreifbar?

TUI investiert im Bereich Kreuzfahrten seit jeher in den Umwelt- und Klimaschutz. Dabei gibt es nicht den einen Weg, um besser zu werden: Wir betreiben unter anderem Schiffe mit Abgasnachbehandlung oder stellen auf Marinediesel um, nutzen Landstrom und bauen Schiffe, die mit LNG betrieben werden. Dass der Mensch reisen will, um andere Kulturen kennen zu lernen, wird nie aufhören. Es geht darum, es möglichst im Einklang mit der Natur zu machen.

Die EU-Kommission will den Klimaschutz kräftig verbessern. Im Gespräch sind strengere Regeln beim Emissionshandel und Werbeverbote. Was fordert die Branche von der EU?

Wir brauchen mehr Unterstützung bei der Förderung und Entwicklung von alternativen Antrieben. Außerdem brauchen wir endlich eine einheitliche europäische Flugsicherung. Weil wir da seit Jahren nicht vorankommen, müssen die Flugzeuge vielfach zick-zack fliegen, wodurch der Spritverbrauch höher ist.

Ab 2020 erhebt Deutschland auf Flugtickets eine höhere Luftverkehrsabgabe, wird das zu Einbrüchen bei den Buchungen führen?

Davon gehen wir nicht aus. Im Gegenteil: Wir haben für 2020 insgesamt 500 000 zusätzliche Urlaubsreisen in den Markt gestellt. Wir rechnen also damit, dass wir 2020 mehr fliegen werden. Das ist auch eine Folge der Thomas-Cook-Insolvenz, dort sind die Urlaube ja weggefallen. Dass wir die höhere Luftverkehrsabgabe vollständig an die Passagiere weiterreichen können, ist eher unwahrscheinlich.

Boeing hat beschlossen, den Bau der 737 Max auszusetzen. Was heißt das für TUI?

Boeing hat die Produktion lediglich vorläufig ausgesetzt, weil das Unternehmen an Kapazitätsgrenzen beim Parken der fabrikneuen Maschinen gerät, bis die Behörden wieder grünes Licht für den Betrieb geben. Das bedeutet aber nicht, dass Boeing am Erfolg der Maschine zweifelt. TUI Deutschland verfügt noch nicht über Max-Maschinen, anders als unsere Schwestergesellschaften in den Niederlanden, Belgien, Großbritannien und Schweden. Dort wurden die Maschinen bereits benutzt, derzeit sind sie aber nicht im Einsatz. Sicher ist: Wenn die Max wieder zugelassen ist, wird es kaum ein Modell geben, das besser von den Behörden geprüft worden ist. Dafür werden sowohl die Behörden in den USA wie auch in Europa sorgen. Jeder Fluggast wird dann mit einem guten Gefühl einsteigen können.

Und was hat der Fall Max für Folgen für die TUI-Passagiere?

Für unsere Passagiere hat das keine Auswirkungen. Die Fluggesellschaft trägt die Verantwortung, wenn Fluggerät verspätet ausgeliefert wird. Wir sorgen dafür, dass die Kunden – wie gebucht – ihren Urlaub antreten können.

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