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Wybcke Meier

© imago / Future Image

Tui Cruises-Chefin im Interview: Rechnen sich Kreuzfahrten mit Abstand, Frau Meier?

Wybcke Meier erklärt, wie Kreuzfahrten unter Corona-Bedingungen organisiert werden. Und was mit der Crew passierte, als alle Schiffe stillstanden.

Von Jonas Bickelmann

Wybcke Meier ist seit sechs Jahren Chefin der Tui-Kreuzfahrt-Tochter. Das Joint Venture mit Royal Caribbean betreibt die „Mein Schiff“-Flotte. Zur Frage Was macht Corona mit dem Kapitalismus? sprechen wir außerdem mit einer Transformationsforscherin, einem Marktliberalen und einem Marktkritiker.

Wenn ich morgen eine Kreuzfahrt antreten wollte, was würden Sie mir raten?
Ich rate zu einer Reise ab Kiel oder Hamburg, da können Sie  freitags oder montags an Bord gehen. Sehr schöne Panoramafahrten auf Nord- und Ostsee. Das Konzept unserer Schiffe haben wir an Pandemiebedingungen angepasst. Wir fahren mit maximal 60 Prozent Auslastung, alle sind in Balkonkabinen oder Suiten untergebracht. Wenn Sie es ein bisschen wärmer haben wollen, können Sie auch eine Woche ab Heraklion durchs Mittelmeer fahren.

Immer mit genug Abstand, auch an Bord also?
„AHA“, das geht auch an Bord. Wir haben ohnehin viel Platz pro Passagier, mit geringerer Auslastung noch mehr. Zudem organisieren wir Covid-19 Tests vor Abreise. Die Schutzkonzepte wurden in Abstimmung mit Virologen und medizinischen Experten überarbeitet.

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Nach den ersten Reisen können wir sagen: Es funktioniert sehr gut. Wo es eng wird, tragen die Gäste diszipliniert ihre Masken. Und selbstverständlich sind wir auf den Fall von Covid-19 Infektion vorbereitet, so sind zur Isolation eigene Bereiche und bestimmte Kabinen geschaffen worden und die schnelle Ausschiffung durch medizinische Partner ist garantiert.

Sind die Preise auch höher, weil sie weniger Passagiere aufnehmen?
Nein, die Preise haben wir auf dem gewohnten Niveau gelassen. Wir haben sehr viele Stammkunden, die schnell wieder nach Fahrten gefragt haben. Denen wollten wir zeigen, dass auch in diesen Zeiten eine Kreuzfahrt möglich ist.

Rechnet sich das dann noch?
Im Moment geht es nicht darum, die alte Profitabilität zu erreichen. Wir wollen zeigen, dass wir weiter Reisen anbieten können. Ein Schiff nicht zu fahren ist anders als ein Auto in der Garage stehen zu lassen. In der Abwägung ist es besser, mit weniger Auslastung zu fahren als nicht zu fahren.

Gibt es genug Nachfrage, nachdem Kreuzfahrten auch stark in der Kritik standen?
Ja, die Nachfrage war konstant da, besonders von Stammkunden und Kreuzfahrtfans. Wir kamen von 100 Prozent Auslastung, sind dann im Lockdown gar nicht gefahren und wollen für dieses Jahr im letzten Quartal etwa 25 Prozent unserer Kapazitäten auslasten.

Die Leute wollen reisen, wir spüren aber auch eine Verunsicherung über die genaue Bedeutung der vielen Reisewarnungen und Reisehinweise. Da leisten wir viel Informationsarbeit. Für nächstes Jahr haben wir aktuell den identischen Auslastungsstand wie letztes Jahr um diese Zeit.

Wie sehr haben Sie von staatlichen Hilfen profitiert?
Wir nutzen seit März die Kurzarbeit für die Kollegen in Hamburg und Berlin.  Das war hervorragend organisiert und hilft, denn bei Rückkehr zu mehr Nachfrage und Buchungen brauchen wir die Arbeitskräfte schnell wieder.

Werden trotz der Krise neue Schiffe gebaut?
An unseren Plänen ändert sich nichts. Seit 2014 haben wir jedes Jahr ein Schiff in Dienst gestellt. Wir haben für 2023, 24 und 26 Neubauorders platziert, daran halten wir fest. Wir glauben nicht an eine Abkehr von der Kreuzfahrt. Im Gegenteil, vielleicht machen die Leute in Zukunft weniger Kurzreisen und stattdessen ein, zwei längere.

Keine Anzeichen für einen Einbruch?
Nein, das glaube ich nicht. Wir kommen in der Touristik aus einer Zeit mit hohen Zuwachsraten, das wird sicherlich nicht in jedem Segment so weitergehen. Die Urlaubsreise an sich wird aber weiterhin große Bedeutung haben. Wenn man die Zahl der Kreuzfahrtgäste im Vergleich zu den Pauschalurlaubern sieht, machte die Kreuzfahrt selbst 2019 nur 4% aus. Wir denken, dass hier immer noch viel Luft nach oben ist.

Und was macht Corona mit dem Wirtschaftssystem?
Wir werden alle einen bewussteren Umgang mit jeglicher Art von Konsum erleben. Das ist eine Chance für die Tourismusbranche, Faktoren eine neue Bedeutung zu geben, die bisher nicht im Mittelpunkt standen. Planbare, organisierte Reisen könnten davon profitieren.

Was fehlte Ihnen im Lockdown am meisten an Ihrer Arbeit?
Mir fehlten die Dienstreisen auf unsere Schiffe und der Kontakt zur Besatzung. Blicke in den Horizont, Wind um die Nase, das habe ich schon vermisst.

War die Crew auf den Schiffen auch in Kurzarbeit?
Nein, der Großteil der bei TUI Cruises an Bord direkt angestellten Offiziere ist auch auf den derzeit nicht operativ eingesetzten Schiffen nautisch-technisch erforderlich.  Eine unserer größten Herausforderungen während des Stillstands unserer Schiffe war übrigens,  die Besatzung wieder nach Hause zu bringen. Von April bis Juli 2020 haben unser Geschäftspartner Sea Chefs und wir mehr als 3.000 Besatzungsmitglieder ab Deutschland nach Hause geflogen und gefahren. Dabei haben wir mit Botschaften und Konsulaten zusammengearbeitet, um allen Nationalitäten bei weltweiter Reisewarnung die Heimreise zu ermöglichen.

Wie werden sich Arbeitsmodelle durch Corona verändern?
Bei der Schiffsbesatzung ist alles genauso wie vorher, mit zusätzlichen Funktionen wie dem „Infection Control Officer“. An Land machen auch wir die Erfahrung, dass mobiles Arbeiten schnell funktioniert hat. Ein Teil davon wird bleiben. Aber das persönliche Zusammenkommen ist nicht komplett ersetzbar.

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