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Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) stellt der Bahn viel Geld zur Verfügung.

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Update

Trotz Milliarden-Förderung für die Bahn: Jetzt helfen Scheuer auch keine Spitzentreffen mehr

Heute hat der Minister medienwirksam einen Vertrag über 86 Milliarden Euro für die Bahn unterzeichnet. Doch mit Geld allein ist es nicht getan.

Andreas Scheuer liebt den großen Auftritt. Am heutigen Dienstag hat der Verkehrsminister vor den Fernsehkameras einen 86 Milliarden Euro schweren Vertrag mit Bahnchef Richard Lutz und dessen Vize Ronald Pofalla unterschrieben. Die vom Bundestag beschlossene Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) soll der DB AG bis 2029 jedes Jahr eine Rekordsumme aus der Staatskasse für Erhalt und Sanierung des lange vernachlässigten Schienennetzes sichern – ein wichtiger Schritt hin zum „Wow“-Effekt einer besseren Bahn, den Scheuer verspricht.

Experten sind sich einig: Ohne Modernisierung und den Ausbau der überalterten und überlasteten Infrastruktur in großen Dimensionen bleiben alle Versprechen von mehr Qualität und Pünktlichkeit und einem besseren Angebot nur Wortgeklingel. Planung, Ersatz und Neubau von Strecken, Brücken, Tunneln und Stellwerken kosten viel Zeit und Geld. Schnelle Erfolge sind kaum zu erwarten, zumal Genehmigungsverfahren oft Jahre dauern und für die Umsetzung der Milliardenprogramme mehr Fachleute und Baufirmen gebraucht werden als bisher.

Da helfen auch keine politischen Spitzentreffen mit der Opposition und den Verbänden, die der Minister nun für das Frühjahr angekündigt hat. Mängel, Engpässe und Baustellen bei der Infrastruktur werden noch für viele Jahre allen Bahnkunden im Personen- und Güterverkehr Geduld und Zugeständnisse abverlangen. Zu lange wurden Sanierung und Ausbau versäumt und viel zu wenig Geld investiert.

Diskussion um Umbau des Bahn-Konzerns

Auch bei den Strukturen gibt es Nachholbedarf. Seit der Bahnreform 1994 sind wichtige Fragen immer drängender geworden: Welche Ziele soll der Aktienkonzern DB AG eigentlich verfolgen? Steht das Gewinnziel im Vordergrund? Oder das Interesse der Bürger an umweltschonender und preisgünstiger Mobilität auf der Schiene? Das Grundgesetz verpflichtet den Staat, im Interesse des Gemeinwohls dafür zu sorgen, dass die Verkehrsangebote auf der Schiene und die Infrastruktur dafür angemessen und ausreichend sind.

Zielkonflikte haben zu vielen Fehlentwicklungen geführt. Der Bundesrechnungshof und die Monopolkommission fordern als wichtige Berater der Regierung seit Jahren Strukturreformen. Doch die Koalition hat den Umbau der DB AG bisher immer abgelehnt. Besonders die SPD will den integrierten Konzern erhalten und hat sich gegen Vorschläge gestemmt, das staatliche, hoch subventionierte Schienennetz aus der DB auszugliedern und unabhängig vom Renditedruck der AG in einer eigenen, gemeinnützigen staatlichen DGesellschaft zu führen.

Zumindest in der Union scheint die Bereitschaft zu wachsen, über bessere Modelle nachzudenken. Zumal die DB AG immer tiefer in die Krise gerast ist. Hinzu kommt, dass sich der Zustand der Infrastruktur trotz wachsender Zuschüsse nicht verbessert, sondern verschlechtert hat. Eine Ursache dafür sehen nicht nur die Experten des Rechnungshofs in den bisherigen intransparenten Finanzkonstrukten im bisherigen System.

Minister Scheuer überraschte bei den Haushaltsverhandlungen Ende November im Bundestag mit der Ankündigung, man wolle mit der Opposition gemeinsame Gespräche zur Zukunft der DB AG führen. Dabei soll es „keine Denkverbote“ geben. Auftrag, Ziel, Struktur und Organisation des größten Staatskonzerns will der Minister zur Diskussion stellen.

Weniger Konzentration auf Gewinne

In der Branche ist man auf diese Spitzentreffen sehr gespannt. Zumal es in den letzten Jahren hinter den Kulissen heftigen Streit zwischen Union und SPD über die Entwicklung und Ausrichtung der DBAG gegeben hat, der bis hin zu Blockaden von Rotstiftkonzepten im Aufsichtsrat reichte. Aktuell sind sich die Koalitionspartner über die Neufassung der DB-Satzung uneins, wie zu hören ist.

Auch in der Satzung soll – wie bereits im Koalitionsvertrag – festgeschrieben werden, dass der Transportriese sich künftig mehr auf die Verlagerung von Verkehr auf die Schiene und weniger auf möglichst hohe Gewinne konzentrieren soll. In der Union stößt das wohl auf wenig Zustimmung, man fürchtet, dass der Staatskonzern endgültig zum Fass ohne Boden für die Steuerzahler werden könnte.

Der nächste Zielkonflikt wartet schon

Der Dachverband der Schienen-Lobby, die Allianz pro Schiene, hält eine Bahnreform 2.0. für „dringend nötig“. Wie die Reform aussehen könnte, darüber gehen die Vorstellungen auseinander. Die Trennung von Netz und Betrieb, also die Ausgliederung des staatlichen Schienennetzes aus dem Aktienkonzern, schließt der Koalitionsvertrag aus. Diese Reform könnte erst eine neue Regierung anpacken. Doch es gibt andere Möglichkeiten.

Vordringlich sei vor allem, die Infrastruktur vom bisherigen überzogenen Renditedruck zu befreien, heißt es beim Lobby-Verband. Die viel zu hohen Gewinnvorgaben seien „wesentlicher Grund, dass seit der Bahnreform 1994 das Schienennetz um über 6000 Kilometer geschrumpft ist“, sagt Geschäftsführer Dirk Flege. Man müsse bei Investitionen ins Gleisnetz weg von der rein betriebswirtschaftlichen Ausrichtung und den volkswirtschaftlichen Nutzen in den Blick nehmen: „Hier ist ein Umsteuern überfällig.“

Mit der neuen Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zum Erhalt des Schienennetzes schafft die Regierung erneut Zielkonflikte. Viele Milliarden für die Investitionen bis 2029 soll die DB AG selbst erwirtschaften. Das werde zwangsläufig dazu führen, dass der Konzern mehr Einnahmen generieren und höhere Nutzungsgebühren für Gleise und Bahnhöfe verlangen müsse, befürchten Kritiker. Das wiederum verteuere den Schienenverkehr und laufe so dem Ziel der Regierung zuwider, mehr Reisende und mehr Fracht auf die Bahn zu verlagern.

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