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Von Kohlekraftwerken will sich Deutschland nach und nach verabschieden.

© dpa

Trotz Entschädigungen: Kohlekraftwerke machen Minus

Die Steinkohle-Kraftwerke, die bei der ersten Stilllegungsrunde zum Zuge gekommen sind, haben in den vergangenen zwei Jahren 200 Millionen Euro Verlust gemacht.

Von Jakob Schlandt

Die bei der Ausschreibung von Stilllegungsprämien zum Zuge gekommenen deutschen Steinkohlekraftwerke haben in den vergangenen Jahren erhebliche Verluste eingefahren und sind nur sehr gering ausgelastet. Der Fahrplan für den Steinkohle-Ausstieg sei deshalb überholt und weitere öffentliche Gelder sollten nicht eingesetzt werden. Zu diesem Schluss kommt eine Analyse der NGO Ember (ehemals Sandbag), die heute veröffentlicht werden soll und von Tagesspiegel Background bereits vorab eingesehen werden konnte.

Den Berechnungen zufolge hätten die in der ersten Ausschreibungsrunde erfolgreichen größeren Kraftwerke (ab 350 Megawatt Leistung) allein in den vergangenen zwei Jahren zusammen mehr als 200 Millionen Euro Verluste erlitten. Für alle Steinkohlekraftwerke summierten sich die Verluste demnach auf über eine Milliarde Euro. 93 Prozent der Steinkohlekraftwerke in Deutschland waren den Berechnungen zufolge in dieser Zeit insgesamt in den roten Zahlen.

Moderne Kraftwerksblöcke, die zum Zuge kamen und kommendes Jahr stillgelegt werden – Moorburg A und B von Vattenfall sowie Westfalen E von RWE – seien 2018 im Gegensatz zu älteren Anlagen zwar noch im Plus gewesen. 2019 hätten aber auch sie Verluste verzeichnen müssen, die sich durch die Coronapandemie noch deutlich ausgeweitet hätten. Durch den Verbrauchsrückgang waren die Strompreise und die Rohstoffkosten der konkurrierenden Gaskraftwerke stark gefallen.

Die Betriebszeiten der Steinkohlekraftwerke gehen allerdings schon länger deutlich zurück. Die Auslastung lag 2018 bei 40 Prozent, 2019 bei rund 29 Prozent und 2020 (bis einschließlich Oktober) nur noch bei 20 Prozent. „Stromerzeugung aus Steinkohle ist ökonomisch nicht mehr tragfähig“, lautet das Urteil des auf Datenanalyse und Kohlekraftwerke spezialisierten Ember-Teams mit Sitz in London. Auch der November 2020 liegt klar unter den Vorjahresmonaten, die Steinkohle erlebte laut Energy-Charts allerdings den ökonomisch besten Monat des Jahres 2020 mit fünf Terawattstunden Stromerzeugung.

"Die Ausschreibung zeigt die schlechte Wirtschaftlichkeit"

Für ihre Berechnungen verwendeten die Ember-Spezialisten auf der einen Seite öffentliche Quellen wie die von Entso-E veröffentlichte blockscharfe Stromerzeugung sowie Börsenstrompreise zur Erlöskalkulation. Auf der Kostenseite wurden ebenfalls öffentliche Daten (Kohle- und CO2-Preis) sowie eigens recherchierte branchentypische Durchschnittsannahmen verwendet, erläuterte Sarah Brown, Senior Analystin bei Ember.

Hier zeigt sich, dass die Untersuchung eher als Beschreibung der Gesamtlage zu verstehen ist. Denn vor allem die Kosten der Kraftwerke können je nach Situation und Verträgen voneinander abweichen. So können Anlagen an der Küste oder mit gut zugänglichem Binnenhafen günstiger mit Kohle beliefert werden. Auch die Erträge aus dem Wärmegeschäft sind bei Anlagen in Kraft-Wärme-Kopplung nicht berücksichtigt worden. Ob zum Beispiel der Strom im Voraus verkauft und CO2-Zertifikate auf Vorrat gehalten werden, sollte hingegen keine Rolle spielen beim Kraftwerkseinsatz und der Bewertung der Profitabilität. Denn für Strom und CO2 – ebenso wie für Importkohle – gibt es liquide Märkte. Dort kann zum Großhandelspreis jederzeit ein- und verkauft werden.

Ember zieht aus dem Ergebnis die politische Schlussfolgerung, dass ein marktgetriebener Kohleausstieg bereits in vollem Gange sei, der Deutschlands Fahrplan für den Kohleausstieg „unambitioniert und überholt“ erscheinen lasse. Die Ausstiegsstrategie müsse dringend überprüft werden, um nicht Millionen Euro zu verschwenden. „Andere Länder sollten zur Kenntnis nehmen, dass das kein Model ist, dem sie folgen sollten.“

Patrick Graichen, Direktor des Think-tanks Agora Energiewende, sagte zu den Ergebnissen der Stilllegungs-Auktion und der Analyse: „Die Ausschreibung hat die schlechte Wirtschaftlichkeit von Kohlekraftwerken sichtbar gemacht. Sobald die CO2-Preise über 25 Euro pro Tonne liegen, sind sie nicht mehr wettbewerbsfähig.“ Da die CO2-Preise in den nächsten Jahren höchstwahrscheinlich steigen würden, „gibt es auf absehbare Zeit absolut keinen Business Case für Kohlekraftwerke mehr“.            

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