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Gut und günstig: Das Berliner Trinkwasser kostet wenig und hat eine gute Qualität.

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Trinkwasser: Warum Wasser in Berlin so billig ist

Nitrat und Dünger machen in Agrarregionen das Trinkwasser teuer. Nicht so in Berlin. Die Wasserbetriebe wollen die Preise bis 2021 stabil halten.

Wie sich die Zeiten ändern: Früher haben Berliner über hohe Wasserpreise geklagt, inzwischen kommen die Hauptstädter im bundesdeutschen Vergleich eher günstig davon. Das geht aus Zahlen des Statistischen Bundesamts hervor, die von der Grünen-Bundestagsfraktion ausgewertet worden sind. Danach sind die Kosten für Trinkwasser von 2005 bis 2016 deutschlandweit im Schnitt um mehr als 25 Prozent gestiegen. Bei einem durchschnittlichen Zwei-Personenhaushalt macht das im Jahr knapp 50 Euro aus. Besonders zwischen den Jahren 2014 und 2016 habe sich der Preisanstieg verschärft, kritisieren die Grünen.

Bayern zahlen viel mehr als früher, Berliner weniger

Allerdings ist die Entwicklung regional sehr unterschiedlich. Während Verbraucher in Bayern seit 2005 fast 60 Prozent mehr für ihr Wasser aus dem Hahn bezahlen müssen, sind die Preise in Thüringen und Berlin sogar gefallen. Kostete der Kubikmeter Trinkwasser (1000 Liter) in Berlin 2005 noch 2,07 Euro, so sind es heute 1,69 Euro. Die Grundpreise sind seit April 2010 unverändert, die Verbrauchspreise für Trinkwasser sinken seit Januar 2007, für Schmutzwasser seit Januar 2008, heißt es bei den Wasserbetrieben. Doch damit nicht genug: „Wir haben uns verpflichtet, die Preise für weitere drei Jahre nicht zu erhöhen“, sagte Stephan Natz, Sprecher der Wasserbetriebe, am Freitag dem Tagesspiegel.

Früher war das Trinkwasser in Berlin teuer

Dass Berliner qualitativ gutes Trinkwasser für kleines Geld bekommen, war nicht immer so. Hohe Investitionskosten nach der Wende, der sinkende Absatz durch das Wegbrechen der Wirtschaft nach der Wiedervereinigung und die teure Teilprivatisierung des Unternehmens hatten die Preise in die Höhe getrieben. 1999 hatten Veolia und RWE 49,9 Prozent der Anteile übernommen. Die privaten Investoren hatten sich zwar verpflichtet, bis zum Jahr 2003 die Preise stabil zu halten, schockierten die Berliner dann aber mit einer saftigen Preiserhöhung von mehr als 15 Prozent. Der Widerstand gegen das Privatisierungsmodell wuchs. 2014 übernahm das Land Berlin die Wasserbetriebe wieder. Nach der Rekommunalisierung verzichtete das Land auf einen Teil der Gewinne, was zu niedrigen Wasserpreisen führt. Zudem bekamen die Berliner aufgrund einer Intervention des Bundeskartellamts eine Rückerstattung wegen der früher überhöhten Wasserpreise.

Ein Landwirt fährt mit einer Dünger- und Pestizidspritze über ein Feld mit jungem Getreide nahe Neuranft im Oderbruch (Brandenburg). Die Intensivlandwirtschaft belastet das Grundwasser.
Ein Landwirt fährt mit einer Dünger- und Pestizidspritze über ein Feld mit jungem Getreide nahe Neuranft im Oderbruch (Brandenburg). Die Intensivlandwirtschaft belastet das Grundwasser.

© Patrick Pleul/picture alliance / dpa

Dass Wasser in Berlin billig ist, liegt aber nicht nur am Gewinnverzicht des Landes. Immer mehr Menschen leben in der Stadt und sorgen dafür, dass mehr Wasser verbraucht wird und die Anlagen besser ausgelastet sind. Günstig ist auch, dass es in Berlin keine Massentierhaltungsanlagen und keine Intensivlandwirtschaft gibt. Denn Gülle und Mineraldünger belasten das Grundwasser in Agrarregionen mit Stickstoff und Nitrat. „Die steigenden Trinkwasserpreise sind auch das Ergebnis der katastrophalen Agrarindustriepolitik der Bundesregierung“, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter.

Preise könnten um mehr als 60 Prozent steigen

Auch die Wasserwirtschaft warnt vor den Umweltbelastungen. In einigen Regionen könnte das Trinkwasser um bis zu 62 Prozent teurer werden, befürchtet der Hauptgeschäftsführer des Energie- und Wasserwirtschaftsverbands BDEW, Martin Weyand. Die zunehmende Verschmutzung des Grundwassers mache immer aufwändigere Säuberungen nötig. Für einen Dreierhaushalt könnte die Jahresrechnung für Trinkwasser von 217 Euro auf 352 Euro steigen, sagte Weyand am Freitag in Berlin. „Wenn sich die gängige Düngepraxis nicht ändert, könnten erhebliche Mehrkosten auf die Verbraucher zukommen“, prognostiziert Weyand. Nach einem Bericht der EU wird im Schnitt an 28 Prozent der Messstationen in Deutschland der Grenzwert für Nitrat von 50 Milligramm pro Liter überschritten.

Kritik an Preisberechnungen der Grünen

Wenngleich die Wasserwirtschaft mit den Grünen an einem Strang zieht, wenn es um die Belastung des Grundwassers durch Dünger und Kot geht, so widerspricht der BDEW aber der Preisanalyse der Oppositionspartei. BDEW und der Verband der kommunalen Unternehmen wiesen am Freitag darauf hin, dass das Statistische Bundesamt seit 2014 einen neuen Musterhaushalt mit höherem Wasserverbrauch verwendet: Bei gleicher Bemessungsgrundlage habe sich der Wasserpreis zwischen 2005 und 2016 nur um 17,2 Prozent und damit entlang der Inflationsrate erhöht.

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