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Unter Strom. Die E-Mobilität wird im Jahr 2020 einen enormen Aufschwung nehmen.

© Sebastian Kahnert/dpa

Trends der Mobilität: Wohin der Verkehr 2020 steuert

Zu Lande, zu Wasser und in der Luft: Was im Nah- und Fernverkehr in diesem Jahr wichtig wird – ein Überblick.

Wie bleiben wir in Zukunft in Bewegung, ohne den Planeten zu ruinieren? Wie verändern sich Unternehmen, Branchen, Wertschöpfungsketten und Arbeitsplätze? Wie und wo greift der Staat ein? Diese Fragen stellen sich auch im Jahr 2020.

ELEKTROMOBILITÄT

2020 zählt es: Elektroautos werden erstmals in die Berechnung der CO2-Bilanz aller Neuwagenflotten in der EU einbezogen. Neu zugelassene E-Fahrzeuge werden dabei doppelt gewertet. Unter dem Strich müssen alle Autohersteller den Grenzwert von 95 Gramm CO2 pro Kilometer erreichen. Dies entspricht einem durchschnittlichen Verbrauch von 3,6 Liter Diesel beziehungsweise 4,1 Liter Benzin. In den Jahren 2021 bis 2023 schmilzt der Anrechnungsfaktor auf eins. Bis 2030 sinkt auch der EU-Grenzwert noch einmal um 37,5 Prozent (im Vergleich zu 2021). Die Hersteller müssen sich also ranhalten.

Der Verkauf von Elektroautos wird in den kommenden Monaten angekurbelt. Die deutschen Autobauer wollen Dutzende rein elektrischer Modelle und Plug-in-Hybride auf den Markt bringen. Mit einem „Masterplan“ zum schnelleren Aufbau der Ladestationen flankiert der Bund die Transformation. Die höhere Kaufprämie soll Neuwagenkäufer anlocken, denen nun auch günstigere E-Modelle angeboten werden. Mit der „Gigafactory 4“, die Tesla in Brandenburg bauen will, wird der Wettbewerb Fahrt aufnehmen. Volkswagen startet die Batteriezellfabrik in Salzgitter – weitere Konsortien werden, gefördert von der EU, folgen.

WASSERSTOFF

Eigentlich sollte sie noch im Dezember beschlossen werden, nun wird es doch 2020: Die Bundesregierung hat den Kabinettsbeschluss zu ihrer Nationalen Wasserstoffstrategie wegen eines internen Streits verschoben. Denn während die Union die Ansicht vertritt, dass möglichst viel Wasserstoff und daraus produzierte synthetische Kraftstoffe wie E-Fuels für die Energie- und Verkehrswende nötig sind, will das SPD-geführte Umweltministerium ihren Einsatz auf den Schiffs- und Flugverkehr beschränken, wo Elektro-Antriebe als Alternative zum Verbrennungsmotor ungeeignet sind. In der Union wird Druck gemacht, die EU-Richtlinie zur Förderung erneuerbarer Energien (RED II) in deutsches Recht umzusetzen. So soll die Zielquote für regenerative Kraftstoffe von 14 auf 20 Prozent angehoben und eine Unterquote für grünen Wasserstoff und strombasierte Kraftstoffe eingeführt werden. Da hierzulande nicht genug grüner Strom zur Großproduktion von Wasserstoff verfügbar ist, arbeitet die Bundesregierung zudem an einer Importstrategie für E-Fuels, etwa aus Marokko.

E-TRETROLLER UND MIKROMOBILITÄT

Wohin rollt die Tretroller-Welle? Skeptiker prognostizieren, dass die elektrischen Scooter in diesem Jahr genauso schnell wieder verschwinden könnten wie sie gekommen sind. Tatsächlich kämpfen einige Anbieter mit finanziellen Schwierigkeiten, erste Fusionen und Pleiten kündigen sich an. Andere wollen ihr Geschäftsmodell überdenken. So planen die Anbieter Tier und Uber, ihre Fahrzeuge gegen Modelle mit Wechsel-Akku auszutauschen. Das soll die Kosten drücken, weil für das Aufladen der Fahrzeuge weniger Personal benötigt wird.

Unterm Strich dürfte das Geschäft mit geteilten Mobilitätsangeboten für die Kurz- und Mittelstrecke 2020 weiter eine große Rolle spielen. Dabei geht es auch um E-Mopeds. Zwar hat der Automobilzulieferer Bosch seinem E-Scooter-Sharing-Anbieter Coup gerade den Stecker gezogen. Doch es stehen neue Anbieter in den Startlöchern, die in die entstandene Lücke stoßen wollen. Die E-Moped-Hersteller Unu aus Berlin und Kumpan Electric aus Remagen bei Bonn wollen den Sharing-Markt erobern.

LUFTTAXIS

Erst belächelt, inzwischen in der Luft: Das weltweite Rennen um die ersten serienreifen Elektro-Lufttaxis nimmt 2020 an Fahrt auf. Nicht nur amerikanische und chinesische Tech-Startups rangeln um die Pole Position auf dem Zukunftsmarkt – mit Volocopter und Lilium mischen auch zwei deutsche Vorreiter mit. Und Konzerne wie Airbus, Boeing, Daimler und Toyota investieren im großen Stil.

Statt im Stau zu stehen, könnten die Einwohner der Megacitys bald emissionsfrei von Wolkenkratzer zu Wolkenkratzer fliegen, so die Vision. In Dubai und Singapur, wo Volocopter schon abhebt, gibt es Pläne für die Einbindung der fliegenden Autos in den Nahverkehr. Und Mitte Dezember hat die EU-Behörde für Luftsicherheit EASA dem süddeutschen Unternehmen den Weg zur kommerziellen Zulassung geebnet. Volocopter-Chef Florian Reuter ist überzeugt: „Flugtaxis als Ergänzung zur aktuellen Mobilität sind damit zum Greifen nah.“

Auch für Lilium aus München wird 2020 ein Schlüsseljahr. „Wir haben gerade die nächste Phase unserer Flugtests eingeläutet. In den nächsten Monaten fliegen wir den Lilium Jet auf immer längeren Strecken und mit immer höheren Geschwindigkeiten“, sagte Lilium-Manager Oliver Walker-Jones dem Tagesspiegel. Das Ziel: Der Flugshuttle-Dienst soll 2025 starten.

SCHIENENVERKEHR

Kommt die Deutsche Bahn (DB) 2020 pünktlich? Im vergangenen Jahr war jeder vierte Fernzug zu spät. Das soll sich ändern. Die im Klimapaket beschlossene Mehrwertsteuersenkung macht Bahntickets billiger. Mit dem Programm „Starke Schiene“ will die Bahn besser werden – nicht nur bei der Pünktlichkeit. Zusammen mit dem Bund investieren der Staatskonzern und der Bahnsektor in den kommenden zehn Jahren 86 Milliarden Euro in die Infrastruktur. Neue ICEs sind bestellt, die Digitalisierung der Schiene beginnt, im defizitären Güterverkehr soll eine neue Führung neue Ideen umsetzen. Doch das Geld wird nicht reichen, um alle maroden Gleise, Bahnhöfe und Signalanlagen zu sanieren.

Auch im Regional- und Nahverkehr ist die Infrastruktur vielerorts in die Jahre gekommen. Hier steigen die Ticketpreise, weil die Verkehrsunternehmen dringend auf die Einnahmen angewiesen sind. Zwar haben Bund und Länder die Mittel für Investitionen 2019 deutlich aufgestockt. Doch über Nacht lassen sich Gleise, Busflotten und Bahnen nicht ausbauen. Mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene bringen – dieses seit Jahren propagierte Ziel dürfte auch 2020 verfehlt werden.

SCHIFFFAHRT

Am 1. Januar ist der Welthandel mit einem Schlag sauberer geworden. Containerschiffe, die neun von zehn Gütern transportieren, und alle anderen Frachter dürfen ab 2020 weltweit kein Schweröl mehr einsetzen. Das ist besonders gesundheitsgefährdend – und nun Geschichte. Stattdessen tanken Reedereien zukünftig schwefelarmen Schiffsdiesel oder bauen Reinigungssysteme in ihre Frachter ein, die den Schwefel filtern.

Die maritime Revolution macht die Luft sauberer und den internationalen Handel teurer. Schweröl ist ein vergleichsweise billiges Abfallprodukt, Schiffsdiesel muss extra produziert werden. Auf 60 Milliarden Dollar pro Jahr schätzt die Schifffahrt den Preisaufschlag für den neuen Kraftstoff. Aber auf jedes Schiff, jeden Container und das einzelne Produkt heruntergerechnet, geht es am Ende um Cents. Kreuzfahrten allerdings könnten spürbar teurer werden.

TAXI UND MIETWAGEN

Taxi vs. Uber: Diese Schlacht dürfte 2020 weiter ausgefochten werden. Angesichts der immer größer werdenden Konkurrenz auf dem Fahrdienstmarkt fürchtet die Taxibranche um ihr Geschäft. Bereits mehrmals hat der Taxiverband gegen den US-Fahrdienst Uber geklagt – mit mäßigem Erfolg. Mit medial wirksamen Protestaktionen verliehen die Taxifahrer regelmäßig ihrem Unmut über die von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) geplante Reform des Personenbeförderungsgesetzes Ausdruck. Die sieht eine Lockerung der Regelungen für neue Anbieter wie Uber, Volkswagens Fahrdienst Moia, Clevershuttle und den Berlkönig von der BVG vor. So könnte unter anderem das Pooling, bei dem sich mehrere Menschen mit dem gleichen Weg ein Fahrzeug teilen, künftig erlaubt sein. Derzeit ist das nur mit einer Ausnahmegenehmigung möglich. Auch die Rückkehrpflicht, die aktuell nur für Mietwagen gilt, steht zur Diskussion. Zuletzt waren die Verhandlungen über die Neufassung des Gesetzes ins Stocken geraten.

RAD- UND AUTOVERKEHR

Neue Regeln und Verkehrszeichen, höhere Bußgelder: Die Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) soll insbesondere Radfahrer besser schützen. Weil es zahlreiche Änderungsanträge der Bundesländer gab, setzte der Verkehrsausschuss des Bundesrats einen Unterausschuss ein. Die höheren Bußgelder sollen insbesondere für Falschparker gelten oder jene, die keine Rettungsgasse bilden. Neue Verkehrszeichen gibt es sowohl für Lastenrad- oder Carsharing-Parkplätze als auch für mehrfachbesetzte Autos, die dann auf Busspuren fahren dürfen. Die StVO-Novelle könnte am 14. Februar vom Bundesrat verabschiedet werden und dann theoretisch im Frühjahr in Kraft treten.

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