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Erwin Böttinger leitet das Berliner Institut für Gesundheitsforschung.

© promo

Translationsforschung: Forschung gepaart mit Gründergeist

Berlins Wissenschaft ist spitze, doch die Umsetzung der Forscherideen stockt. Erwin Böttinger will das mit dem Berlin Institute of Health ändern.

Ideen aus der medizinischen und biologischen Grundlagenforschung in Therapien zu übersetzen – das ist Aufgabe von Translationsforschung. Zu diesem Zweck wurde 2011 auf Initiative der damaligen Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) und des damaligen Berliner Wissenschaftssenators Jürgen Zöllner (SPD) das Berliner Institut für Gesundheitsforschung (BIH) angeschoben. Dazu wurden die Forschung der Charité mit dem Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin-Buch vereinigt, die das Konzept seit 2014 umsetzen. Seit November 2015 leitet Erwin Böttinger das Institut, in das bis 2018 rund 312 Millionen Euro geflossen sein werden, von denen der Bund 90 Prozent trägt.

Herr Böttinger, Berlin, das der ehemalige Bürgermeister Wowereit einst „arm aber sexy“ nannte, steuert zum BIH nur 10 Prozent bei. Aber ist die Stadt dem Zitat gemäß tatsächlich attraktiv genug für hochkarätige Wissenschaftler und die Gesundheitswirtschaft?

Berlin hat ein starkes Forschungsumfeld. Das ist eine überzeugende Voraussetzung für die Wissenschaft und die Gesundheitswirtschaft, um sich mit den besten Partnern zu vernetzen, sei es aus den Universitäten, den außeruniversitären Einrichtungen und auch mit der Industrie. Gleichzeitig ist der Wissenschaftsstandort Berlin sehr attraktiv für talentierte Köpfe.

Gibt es eine (oder mehrere) Besonderheiten oder Spezialisierung, die Berlin gegenüber anderen Regionen in der EU auszeichnet und besonders attraktiv macht für Life- Science-Forscher und Firmengründer?

Ja, durchaus. Zum einen ist die Dichte der wissenschaftlichen Einrichtungen ein Plus, mit dem Berlin punktet. Hinzu kommt eine echte Gründerszene, die besonders für den Bereich Digitale Gesundheit attraktiv ist. Nennenswert ist der Standort natürlich auch mit Blick auf die Krankenversorgung. Die Charité – Universitätsmedizin mit ihren drei Standorten und einem Fokus auf Hochleistungsmedizin für eine große Zahl von Patientinnen und Patienten mit schweren oder komplizierten Krankheiten ist für die Wissenschaft ebenfalls höchst interessant.

Die Greater Boston Area gilt als das perfekte Ökosystem für Forschung und Gesundheitswirtschaft. Und bekanntlich reicht das Fehlen einer Spezies, damit ein Ökosystem nicht funktioniert. Welche Komponenten fehlen in Berlin und wie will das BIH dazu beitragen, das zu ändern?
Die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen in Boston und USA allgemein sind ganz anders als in Berlin oder Deutschland: Wesentlich weniger Regulation und wesentlich mehr unternehmerische Eigenverantwortung ergeben Möglichkeiten zur strategischen Entwicklung und Wettbewerb, von denen universitäre und außeruniversitäre Einrichtungen in Deutschland und auch in Berlin nur träumen können. Diese deregulierte Ausgangsbasis gepaart mit dem Unternehmergeist und der außergewöhnlichen Konzentration von Talent und Kapital zeichnen Boston besonders aus. Geld und Kapital sind wichtig. Aber um irgendwann in der Zukunft mit Standorten in den USA konkurrieren zu können, erachte ich es als noch viel wesentlicher, dass die Politik verbesserte Rahmenbedingungen schafft – zum Beispiel die Entwicklung von Stiftungsvermögen durch Institutionen, die Ermächtigung zu eigenständigem, strategisch motiviertem Wirtschaften und Planen oder die Reform der Datenschutzvorgaben. Dafür setze ich mich ein.

Welche Rolle spielt das am Montag eröffnete Einstein Center Digital Future, wo sie die Funktion des Vorstands für „Digitale Gesundheit“ übernommen haben, in Ihrem Konzept für eine bessere Translation von Forschungsergebnissen in Therapien?
Personalisierung ist eines der wichtigsten Themen der Medizin. Dazu gehört sowohl die Vorhersage von Krankheiten als auch eine maßgeschneiderte Behandlung. Beide Ansätze sind nicht neu, doch die Digitalisierung verändert die Forschung und die Gesundheitsversorgung grundlegend. Durch mehr individuelles Wissen über biologische Merkmale, über Krankheitsgeschichten oder Lebensumstände der Einzelpersonen, digitale Informationen und Arbeitsprozesse in Labor und Klinik sowie die Vernetzung von Daten vieler Forschungsgebiete eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten – für klinisch Tätige, für Forschende und schließlich auch für Patientinnen und Patienten.

Ist es richtig, dass Sie für das Berlin Institute of Health einen Life-Science-Inkubator planen, in dem Ideen aus der Forschung in Start-up-Firmen übertragen und weiterentwickelt werden sollen?

Ein Life-Science-Inkubator ist zweifellos ein wichtiges Instrument, um Start-ups auf den Weg zu bringen. Wir loten derzeit noch genau aus, wie wir das am besten tun.

Aufgrund des Brexit müssen Forscher in Großbritannien auf Forschungsmittel aus der Europäischen Union womöglich bald verzichten, in den USA will Präsident Trump 20 Prozent des Budgets der National Institutes of Health streichen – Forscher werden es dort also in den nächsten Jahren schwer(er) haben. Kann Berlin davon profitieren?

Was uns antreibt ist, die besten Talente für die translationale Forschung zu gewinnen, zu fördern und zu halten. Darum geht es uns. Und daher suchen wir weitere Forscherpersönlichkeiten mit exzellenter Laufbahn, die auf höchstem wissenschaftlichen Niveau forschen und international anerkannt sind – von überall auf der Welt.

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