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Urlaub in Corona-Zeiten: Nach einer kurzen Erholung im Sommer sind Urlaubsreisen inzwischen wieder weitgehend passé.

© imago images/photo2000

Tourismusbeauftragter der Bundesregierung: „Wir müssen einen kompletten Lockdown der Reisebranche vermeiden“

Thomas Bareiß über das Reisechaos in Deutschland und Europa, einen Insolvenzschutz für Urlauber und Skiurlaub in diesem Winter

Bundeskanzlerin Angela Merkel warnt vor Reisen, Dänemark lässt deutsche Urlauber nicht mehr ins Land, überall in Europa steigen die Infektionszahlen. Schwere Zeiten für die Tourismusindustrie und den Mann, der in der Bundesregierung für Tourismus verantwortlich ist. Thomas Bareiß (45) ist Tourismusbeauftragter und Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Wir haben den CDU-Politiker gefragt: Was wird aus dem Urlaub?

Herr Bareiß, den Menschen wird eingeschärft, nicht zu reisen, um die Corona-Infektionszahlen nicht noch weiter in die Höhe zu treiben. Sind Touristen denn wirklich so gefährlich?
Die aktuelle Entwicklung macht uns natürlich große Sorgen. Trotzdem darf man nicht die ganze Tourismusbranche stigmatisieren. Wir haben die letzten Monate viel dazu gelernt und wissen, mit pauschalen Maßnahmen kommen wir nicht weiter. Wir wollen bewusst differenziert und faktenbasiert vorgehen, damit auch sicheres Reisen weiter möglich ist. Fest steht, dass man Urlaube in Risikoregionen vermeiden muss.

Allerdings führt die Differenzierung dazu, dass kaum noch jemand durchblickt. Zudem ändert sich die Lage oft rasend schnell. Für die Bürger wären pauschale Reisewarnungen vielleicht doch bequemer, oder nicht?
Eine pauschale Reisewarnung schafft kein Vertrauen bei den Menschen. Die Maßnahmen und die Reisewarnungen müssen nachvollziehbar bleiben. Deshalb halte ich nichts davon, alles über einen Kamm zu scheren.

Wir sollten daran arbeiten, einen kompletten Lockdown der Reisebranche zu vermeiden. Dafür brauchen wir glaubwürdige, vertrauensbildende und nachvollziehbare Maßnahmen. Nur so erhalten wir die Akzeptanz.

Die Beherbergungsverbote zählen wohl nicht dazu.
Nein, das war ein Fehler. Die Beherbergungsverbote haben nichts gebracht. Im Gegenteil: Sie haben Schaden angerichtet. Die Landesregierungen haben das verordnet, ohne mit denen zu sprechen, die das unmittelbar betrifft – den Hoteliers. Die Hotels haben in den vergangenen Monaten unglaublich viel in Hygienekonzepte investiert und dann wurden ihnen die Gäste genommen.

Sorgt sich um die Zukunft von Hotels, Restaurants und Reiseveranstaltern: Thomas Bareiß, Tourismusbeauftragter der Bundesregierung.
Sorgt sich um die Zukunft von Hotels, Restaurants und Reiseveranstaltern: Thomas Bareiß, Tourismusbeauftragter der Bundesregierung.

© picture alliance / AA

Obwohl die Beherbergungsverbote fast flächendeckend abgeschafft sind, gibt es Hotels, die jetzt aus eigenem Antrieb von ihren Gästen negative Coronatests verlangen. Warum das denn?
Das spricht meiner Meinung nach für ein hohes Verantwortungsgefühl vor Ort. Die Unternehmen wollen Sicherheit schaffen und sicher gehen, dass sie keine Infektionsfälle haben. Das ist verständlich.

Wir können im Bund und in den Ländern einen Rahmen setzen, aber ich finde, in der Pandemie muss man den Unternehmern vor Ort die letzte Entscheidung überlassen, damit sie kurzfristig auf aktuelle Entwicklungen reagieren können.

Urlauber müssen draußen bleiben: Dänemark will derzeit keine deutschen Touristen.
Urlauber müssen draußen bleiben: Dänemark will derzeit keine deutschen Touristen.

© dpa

Dänemark hat quasi über Nacht deutsche Urlauber ausgesperrt. Wie sollen die Menschen bei solchen Aktionen überhaupt noch ihren Urlaub planen?
Ja, eine solche Aktion macht mir auch Sorge. Wir haben innerhalb der EU beschlossen, dass wir Grenzschließungen möglichst vermeiden wollen. Wir hatten das zu Beginn der Pandemie, das sollte aber ein einmaliges Ereignis bleiben. In der Europäischen Union sind Freizügigkeit und Reisefreiheit große Errungenschaften.

Fast alle europäischen Länder sind Corona-Risikogebiete, das gilt auch für Deutschland. Müssen wir auf unabsehbare Zeit auf Reisen verzichten?
Man weiß ja nicht, wie sich die Pandemie entwickelt. Wir gehen Schritt für Schritt. Es war klar, dass die Fallzahlen im Herbst und Winter anziehen würden. So ist es ja auch gekommen. Wir versuchen jetzt, die Zahlen so niedrig wie möglich zu halten, damit das Gesundheitssystem nicht überstrapaziert wird. Das Virus verschwindet nicht von heute auf morgen. Wir brauchen Medikamente und eine Impfung, daran arbeiten wir mit Hochdruck. Ich hoffe, dass wir Anfang nächsten Jahres oder im nächsten Frühling Licht am Ende des Tunnels sehen. Aber klar ist: Die Branche ist hart getroffen. Und Politik und Gesellschaft stehen länger in der Verantwortung zu helfen.

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Der Bund hat ja bereits 50 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Von dem Geld ist noch einiges übrig. Wie kommt das? Ist die Not doch nicht so groß oder taugt das Programm nichts?
Es ist doch gut, wenn noch Reserven da sind. Aber es gibt Branchen, die früh von der Pandemie getroffen worden sind und die noch länger unter der Pandemie zu leiden haben werden. Wir arbeiten deshalb an einer Verlängerung der Hilfen und hoffen auf Unterstützung der anderen Ministerien.

Wir wollen grundsätzlich an einer branchenunabhängigen Förderung festhalten. Aber wir brauchen darüber hinaus Spezialprogramme, um einem Gastronomen, einem Hotelier, einem Veranstalter oder einem Schausteller zu helfen und seine Kosten abzudecken. Wir haben uns bereits entschlossen, ganz konkret die Außengastronomie zu unterstützen. Die Restaurants dürfen mehr Plätze draußen anbieten als früher. Das Virus verbreitet sich an der frischen Luft ja nicht so stark.

Urlaub in Deutschland: Viele Menschen haben das in diesem Sommer getan. Doch dann kamen die Beherbergungsverbote.
Urlaub in Deutschland: Viele Menschen haben das in diesem Sommer getan. Doch dann kamen die Beherbergungsverbote.

© imago images/Christian Ohde

Sie wollen auch Heizpilze bezahlen. Muss der Klimaschutz in Corona-Zeiten zurücktreten?
Na ja, selbst das Umweltbundesamt kann sich ja mit den Heizpilzen anfreunden. Und auch die Umweltverbände haben mehrheitlich keine Einwände. Wir müssen jetzt alles tun, Existenzen und Arbeitsplätze zu sichern und gleichzeitig das Ansteckungsrisiko zu minimieren.

Seit langem warnen der Reiseverband und der Hotel- und Gaststättenverband vor einer Pleitewelle. Bisher gibt es die aber nicht. Kommt die noch?
Es gibt Unternehmen, die seit Monaten keinen Umsatz machen. Deshalb ist es gut, wenn die Politik ein klares Bekenntnis zur Branche abgibt. Wir möchten verhindern, dass Strukturen, die bislang erfolgreich waren, durch die Corona-Krise zerstört werden. Wir helfen, Unternehmen, die vor Corona gesund waren, mit Zuschüssen. Das soll so bleiben, auch wenn die Summen steigen. Die Unternehmen brauchen jetzt Liquidität und Hilfe, damit sie nach der Krise durchstarten können.

Der Staat hat sich an der Lufthansa beteiligt. Was ist mit der Tui?
Wir helfen, Kleinen wie Großen. Die Branche muss leistungsfähig bleiben. Das gilt für die Tui, aber auch für andere große Reiseunternehmen. Die Tui hat ja bereits Kredite bekommen. Ob sich der Staat darüber hinaus engagieren soll, muss die Tui entscheiden. Wenn sie einen entsprechenden Antrag stellt, wird das geprüft.

Urlauber sollen künftig besser vor einer Insolvenz des Reiseveranstalters geschützt werden. Wann tritt das neue Gesetz in Kraft?
Wir arbeiten mit Hochdruck daran, auch mit den anderen Ressorts. Wir sind uns einig, dass wir eine neue Grundlage für die Insolvenzabsicherung brauchen. Wir sind aber noch in Abstimmungen.

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Welche Probleme gibt es?
Für mich ist wichtig, eine ausgewogene Regelung zu finden, die einen hohen Verbraucherschutz gewährleistet aber zugleich Pauschalreisen nicht unverhältnismäßig verteuert. Die Kunden wollen weiterhin auch preislich attraktive Angebote. Außerdem muss die Reform berücksichtigen, dass es unterschiedliche Formen und Größen von Veranstaltern gibt. Da gibt es derzeit noch Diskussionsbedarf.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn möchte im Infektionsschutzgesetz verankern, dass Reiserückkehrer aus ausländischen Risikogebieten keine Lohnfortzahlung bekommen, wenn sie in Quarantäne müssen. Finden Sie das richtig?
Wenn jemand eine vermeidbare Reise in ein ausgewiesenes Risikogebiet unternimmt, halte ich es für richtig, dass er die Verantwortung für die Konsequenzen übernimmt. Der Staat kann nicht alles absichern. Ich habe große Sympathie für diesen Vorschlag.

Wo alles begann: Vom Wintersportort Ischgl aus startete das Corona-Virus seine Reise durch Europa.
Wo alles begann: Vom Wintersportort Ischgl aus startete das Corona-Virus seine Reise durch Europa.

© REUTERS

Ischgl war Anfang des Jahres der Auslöser für den Ausbruch von Corona in Europa. Wie sieht es angesichts dessen mit dem Skiurlaub in diesem Winter aus?
Ich habe schon vor einigen Wochen mit den Kollegen aus der Schweiz, Österreich und Norditalien intensiv darüber diskutiert, wie ein Skiurlaub aussehen könnte. Die Spielregeln sind bekannt: Abstand halten, Hygienemaßnahmen beachten, Masken tragen. Vieles hängt aber davon ab, wie das vor Ort umgesetzt wird. Wie läuft das mit der Warteschlange am Lift, wie viele Menschen dürfen in eine Gondel? Jeder Ort muss ein Eigeninteresse daran haben, dass er nicht mit Corona assoziiert wird und dass Menschen gesund dorthin kommen und gesund wieder abreisen.

Sind Sie Skifahrer?
Ja, ich fahre gern Ski. Ich hoffe, dass trotz der steigenden Infektionszahlen auch in diesem Winter Urlaub möglich sein wird. Aber klar ist, Sicherheit geht vor. Jetzt müssen wir zuerst einmal die steigenden Zahlen wieder unter Kontrolle bekommen.

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