zum Hauptinhalt
Mehr als 50 Euro pro Quadratmeter sollten Verbraucher nicht ausgeben für eine Teppichwäsche.

© Kitty Kleist-Heinrich

Teppichreinigung: Nicht ganz sauber

„Schnell und preiswert“, locken Berliner Teppichwäscher in Zeitungsanzeigen. Doch Experten warnen: Mit Tricks sollen hohe Preise aufgeschwatzt werden.

Von Laurin Meyer

Ein türkischer Seidenteppich ist der ganze Stolz von Karin und Winfried Matzke. Zwei mal drei Meter groß und handgefertigt – rund 12 000 D-Mark hat das Berliner Ehepaar für den Teppich ausgegeben, damals, vor ungefähr 20 Jahren. Ein Schnäppchen. „Eigentlich sollte er 16 000 Mark kosten“, sagt Winfried Matzke. Seit mehr als vier Monaten liegt der Teppich mitsamt einem Brückenstück allerdings bei einem Teppichwäscher – und der gibt die wertvollen Lieblingsstücke nicht wieder her. Mit ihren Problemen scheinen die Matzkes kein Einzelfall zu sein.

Die Vorgeschichte: Im Mai plante das Ehepaar, ihre zwei Teppiche reinigen zu lassen. Sie stießen im Tagesspiegel auf eine Anzeige vom Teppichwaschcenter Nord. „Professionell, schnell und preiswert“, warb der Anbieter, inklusive kostenlosem Hol- und Bringservice. Die Matzkes riefen an, wenig später klingelten zwei Herren an der Haustür. Den Namen des einen Teppichfachmanns konnten sich die beiden merken: Herr Rose. Und der, sagt Karin Matzke, habe auf sie und ihren Mann eingeredet. Vom hohen Wert der Teppiche sei die Rede gewesen, von Spezialwäsche. „Wir waren wie hypnotisiert.“ Die Gesamtkosten sollten sich auf etwas mehr als 400 Euro für die Reinigung und 850 Euro für Reparaturen belaufen, sagte man den beiden im Gespräch. „Die vorgeschlagenen Preise erschienen uns sehr hoch“, sagt Matzke. Ihr Mann habe dennoch einen Vertrag unterschrieben – und war dabei nachlässig. Denn erst später bemerkten sie, dass hinter den Beträgen jeweils eine Null zu viel stand. Die Männer verschwanden mit den Teppichen und die Matzkes sollten plötzlich das Zehnfache der ursprünglichen Summe bezahlen.

Firmensitz im Wohngebiet

Der Weg zum Teppichwaschcenter Nord führt in die Ernststraße in Berlin-Reinickendorf. Eine große Waschhalle samt Ladengeschäft gibt es hier jedoch nicht, stattdessen alte Mehrfamilienhäuser, die sich dicht an dicht reihen. Im Wohngebäude mit der Nummer 29 hat die Firma DIV Deutsche Insolvenzverwertung GmbH ihren Sitz, die sich selbst DIV GmbH abkürzt. Sie ist es, die in Zeitungsanzeigen mit dem Namen Teppichwaschcenter Nord wirbt. Verzwickt: Nicht nur die DIV GmbH ist hier gemeldet, sondern auch eine Werbeagentur. Sie schaltet im Auftrag der DIV die Zeitungsanzeigen für das Teppichwaschcenter. Auffällig: Beide Firmen haben laut Handelsregister dieselbe Inhaberin.

Auf den Anzeigen des Waschcenters findet sich eine Mobilfunknummer, über die auch die Matzkes ihre Reinigung beauftragt haben. Sie steht allerdings auch auf der Anzeige eines vermeintlichen Konkurrenzanbieters: dem Teppichwaschcenter Rose. Die Ähnlichkeiten der Anbieter sind verblüffend. Beide werben mit 70-jähriger Erfahrung, locken mit ähnlichen Angeboten. Die Mobilfunknummer führt zu einem Mitarbeiter der DIV GmbH, der dort nach eigenen Angaben freiberuflich arbeitet. Einen Zusammenhang zwischen beiden Waschcentern gebe es nicht, versichert er. Beide würden lediglich über dieselbe Werbeagentur inserieren. Den Fall der Matzkes kenne er dennoch gut. Herr Rose sei ein Kollege, der ebenfalls kurzzeitig für das Unternehmen tätig gewesen sei. Ein direkter Kontakt zu Rose ist nicht möglich. Für die hohen Preise gebe es eine Erklärung: Sein Kollege habe sich lediglich an den Preisen der DIV orientiert. Diese wiederum arbeite bei der Teppichreinigung mit Subunternehmern zusammen. Die Teppiche der Matzkes seien bei einer Wäscherei gelandet, die nicht ganz günstig sei. Sie setze auf andere Reinigungsverfahren, auf Geheimrezepte, die nicht der Norm entsprächen, sagt der Mitarbeiter. Doch er räumt ein: Sein Kollege Rose habe „Sachen falsch gesehen“. Die Missverständnisse täten ihm leid. Nun seien die Teppiche jedoch fertig gewaschen und repariert. Sie sollen den Matzkes schnell zurückgebracht werden. Gegenüber dem Ehepaar werde man sich kulant zeigen. Sie sollten zahlen, was sie für richtig hielten, sagt der Mitarbeiter.

Kein Einzelfall

Auf die nachträgliche Kulanz der Teppichwäscher dürften die Matzkes allerdings gar nicht angewiesen sein. Sie hätten wenige Stunden nach Vertragsunterzeichnung ihr 14-tägiges Widerrufsrecht genutzt; das gelte auch bei Haustürgeschäften, sagt ihr Rechtsanwalt Marcus Gülpen. „Beginnt der Anbieter schon vorher mit der Dienstleistung, kann das Recht zwar vorzeitig erlöschen“, sagt Gülpen, „allerdings nur, wenn der Anbieter seine Kunden ausdrücklich schriftlich darüber informiert.“ Im Fall seiner Mandanten sei das nicht passiert, deshalb sei mit dem Widerruf auch kein rechtsgültiger Vertrag zustande gekommen. Auch wenn das Waschcenter schon erste Leistungen erbracht habe: Zahlen müssten die Matzkes dafür also nicht. Mit den Sorgen um die Lieblingsstücke ist das Ehepaar nicht allein. Gülpen vertritt noch einen weiteren Mandanten gegen die Teppichwäscher. Und vermutlich gebe es noch viele weitere Geschädigte, sagt der Rechtsanwalt. Der Verdacht steht im Raum, dass die Teppichwäscher ein Netz von Firmen betreiben. „Es scheint, als werde hier auf breiter Ebene abgezockt.“ Ob bei den Methoden Betrug vorliege, sei aber nicht endgültig geklärt. Der Tatbestand könne etwa dann erfüllt sein, wenn der Wert einer Dienstleistung in einem großen Missverhältnis zum verlangten Preis steht.

Dass die Preise der Teppichwäscher alles andere als marktüblich sind, weiß Daniel Dalkowski vom Deutschen Textilreinigungs-Verband. Seidenteppiche zu waschen, sei zwar sehr aufwendig. Mehr als 50 Euro pro Quadratmeter sollten Kunden dafür aber nicht ausgeben. Die Tricks mancher Anbieter sind auch Dalkowski bekannt. „Wir erhalten fünf bis sechs Anrufe pro Woche von Betroffenen.“ Häufig werde den Kunden immer wieder eingeredet, dass ihr Teppich besonders wertvoll sei. Damit versuchten die Anbieter, mehr Geld für die Reinigung herauszuschlagen – überwiegend bei älteren Kunden.

Auch andere Branchen im Fokus

Auch Dorothea Kesberger von der Verbraucherzentrale Berlin kennt das Phänomen. Sie mahnt zur Vorsicht bei derartigen Zeitungsanzeigen. „Das gilt besonders für Haustürgeschäfte.“ Umzugsunternehmen und Schlüsseldienste seien ebenfalls gute Beispiele. „Hier steht der Kunde in der Regel unter Druck und ist auf die Dienstleistung angewiesen“, sagt Kesberger. Verbraucher könnten sich aber schützen. Sie sollten sich vorher im Internet darüber informieren, ob die Firma eine eigene Seite oder eine vernünftige Adresse hat. Zudem rät Kesberger, in Internetforen nach Erfahrungen anderer Kunden mit der Firma zu suchen.

Die Matzkes warten vier Monate nach dem Besuch der Teppichwäscher immer noch auf ihre Teppiche. Über ihren Anwalt haben sie Strafanzeige gestellt.

Zur Startseite