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Disko. In den umgewandelten goldenen Telefonhäuschen erschallt Musik.

© dpa

Teledisko: Das zweite Leben der Telefonzelle

Die Telekom hat viele Telefonzellen ausrangiert. Man kann sie kaufen - für 600 bis 800 Euro. Voraussetzung: Man holt sie selber ab.

Ein gelber Klotz, abgerundete Ecken und verglaste Seitenwände: Die Telefonzelle war früher in verschiedenen Situationen Lebensretter und fester Bestandteil des Straßenbildes. Das Häuschen hat aber durch die massive Verbreitung tragbarer Fernsprecher den Anschluss verloren: Wo vor zehn Jahren in Deutschland noch 110 000 standen, gibt es jetzt nur noch rund 30 000 Telefonhäuschen im Land.

In einer Außenstelle der Telekom in Michendorf stehen rund 3000 ausrangierte Telefonzellen. Sortiert sind sie auf dem etwa 1,5 Hektar großen Waldgrundstück nach ihren Farben. „Die Zellen werden zur weiteren Verwendung dort gelagert und aus defekten Telefonzellen werden neue zusammengebaut und wieder zum Einsatz bereitgestellt“, sagt Telekom-Sprecher Georg von Wagner. Die ausrangierten Häuschen können allerdings „wegen erhöhter Nachfrage“ auch von Privatinteressierten aufgekauft werden. Magentafarbene Telefonzellen, die „TelH90“, gibt es bereits ab 600 Euro, die etwas älteren, klassisch gelben Modelle, „TelH78“, kosten jeweils rund 800 Euro. Einzige Bedingung: Der Käufer muss die bis zu 350 Kilogramm schweren Telefonhäuser selbst abholen.

Öffentliche Bibliothek, Minidisko, Dusche

Das Angebot, das bereits seit 2013 besteht, wird laut von Wagner von den Privatkunden sehr gut angenommen. „In den vergangenen Jahren sind die verrücktesten Weiterverarbeitungsideen entstanden“, sagt er. So sei der Umbau in eine öffentliche Bibliothek der beliebteste Neuzweck einer Telefonzelle. „Es gab aber auch schon Tüftler, die aus den ausrangierten Häuschen eine Dusche, ein Gewächshaus oder eine Sauna gebaut haben und diese dann in den Vorgarten stellen.“

Die Berliner Firma Teledisko hat hingegen ihre Idee öffentlich zugänglich gemacht: Mehrere Telefonhäuschen wurden als Minidiskotheken umgebaut und sind damit laut Hersteller „die kleinsten Clubs der Welt“. „Rund ein bis drei Monate basteln wir an den Telefonzellen, bevor sie stabil genug sind, um von allen möglichen Menschen betanzt zu werden“, sagt der Teledisko-Inhaber und selbst ernannte Diskokönig Benjamin Uphues, „für mich war schon immer klar, dass ich aus Telefonzellen Diskos bauen werde“. Die gelben Häuschen seien statisch ausgetüftelt und könnten jedem Wetter standhalten. „Genau die richtigen Grundvoraussetzungen für ein langes Leben der Teledisko.“ Hinzu kommt bei Uphues aber auch das nostalgische Gefühl und der Reiz der Upcycling-Idee, Telefonzellen „einen neuen Sinn zu geben“.

Sightseeing in Berlin

Die umfunktionierten Telefonhäuschen sind in Berlin aufgebaut: Die Disco „Pink“ steht an der Holzmarktstraße 25 nahe der S-Bahn-Station Jannowitzbrücke, eine silberfarbene Minidisko ist mobil in ganz Deutschland unterwegs und die Teledisco „Gold“ befindet sich in der Revaler Straße 99 auf dem RAW-Gelände in Friedrichshain.

Der Betreiber erklärt auf seiner Internetseite, wie es funktioniert: „Per Münzwurf gibt es das Lieblingslied, danach wird ein Foto direkt ausgedruckt und ein Video gibt es per Downloadlink.“ Das Musikgenre reicht von Klassikern über Charthits bis hin zu Techno. Ab zwei Euro kann im recycelten Telefonhäuschen auf einem Quadratmeter getanzt werden, inklusive Diskokugel, Partylicht und Nebelmaschine. Bis zu vier kleine Personen passen in die farbig angesprühten Häuschen.

„Eine tolle Umbauaktion, die Spaß macht und sehr ausgefallen ist“, sagt Minidiskobesucher Fabian Zeidler. Der 24-Jährige hat von Freunden über die kleinste Disko der Welt erfahren und wollte unbedingt herausfinden, wie es sich anfühlt, in einer Telefonzellendisko zu tanzen. „Mit dieser Idee lebt die Telefonzelle ein Stück weiter“, sagt er.

Lisa Splanemann

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