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In Hülle und Fülle. Die Märkte sind bewusst unübersichtlich gestaltet. Der Kunde soll mehr kaufen, als er vorhatte.

© Ina Fassbender/dpa

Tedi, Mäc Geiz und Co.: Billigläden erobern die Innenstädte

Discount-Ketten wie Tedi und Mäc Geiz wollen noch mehr Filialen eröffnen - vor allem in guten Innenstadtlagen. Das freut nicht alle.

Von Carla Neuhaus

Von der Wasserpistole bis zur WC-Bürste, von der Popcorn-Maschine bis zum aufblasbaren Einhorn. In Discountläden wie Tedi, Mäc Geiz, Euroshop oder Action gibt es alles, was man braucht und noch viel mehr, was man nicht braucht – und zwar billig. Ein Paradies also für Schnäppchenjäger. Und ein Riesen-Geschäft. Denn die Branche boomt. Fast alle Anbieter wollen deutlich wachsen, sind bundesweit auf der Suche nach Ladenflächen. Marktführer Tedi eröffnet nach eigenen Angaben schon jetzt jede Woche im Schnitt drei neue Geschäfte. Konkurrent Action plant in diesem Jahr deutlich mehr als 60 neue Läden. Und beim schwedischen Newcomer Rusta, der gerade erst seine erste deutsche Filiale in Lübeck eröffnet hat, träumt man bereits von 500 neuen Ablegern.

Die Deutschen lieben Discounter

Während andere Einzelhändler über sinkende Kundenzahlen klagen oder gar aufgeben, sind die Billigketten auf Erfolgskurs. Auch in Berlin findet man sie längst nicht mehr nur in Neukölln und Wedding sondern auch in den Einkaufsstraßen von Zehlendorf und Charlottenburg. Nur warum? Wirtschaftlich geht es Deutschland gut, es haben so viele Menschen einen Job wie nie. Und doch ist Geiz noch immer geil. Markus Hepp, Handelsexperte bei der Unternehmensberatung Boston Consulting, erklärt das so: „Der deutsche Verbraucher ist sehr stark an Discounter gewöhnt – im Lebensmittelhandel, aber auch bei Textilien oder Möbeln“, sagt er. Im Kühlschrank liegen Butter, Wurst und Käse von Aldi oder Lidl, im Schrank hängt Kleidung von H&M und Primark, im Wohnzimmer steht das Bücherregal von Ikea.

Fehlen nur noch Schreibwaren, Kosmetik, Dekoartikel und Haushaltsgeräte. „In diese Lücken stoßen Anbieter wie Tedi oder Action“, sagt Hepp. Der schwedische Anbieter Rusta erklärt seine Expansion nach Deutschland so auch damit, dass die Kunden hier „ein großes Preisbewusstsein“ hätten. Daher sei die Bundesrepublik ein „ein sehr wichtiger Markt“.

Kunden sollen animiert werden, viel zu kaufen

Dass der Kunde beim Betreten dieser Läden erstmal erschlagen wird, oft lange suchen muss, wenn er etwas Bestimmtes braucht, ist dabei gewollt. Wer Produkte für wenige Euro verkauft, setzt darauf, dass die Kunden das Geschäft nicht nur mit ein, zwei sondern gleich mit fünf, sechs Artikeln verlassen. Sind sie in den Laden gegangen, um einen neuen Wäscheständer zu kaufen, sollen sie dabei zufällig auch noch Lampions und Strohhalme für die nächste Gartenparty entdecken oder noch ein paar Flummis für den Enkel mitnehmen. „Das Suchen und Finden, überhaupt der Überraschungsmoment, ist Teil des Erfolgsprinzips und sorgt für Kaufimpulse“, sagt Hepp. „Ziel ist, dass der Kunde am Ende mehr kauft, als er ursprünglich geplant hat.“

Dabei sehen die Anbieter sich nicht als Ramschverkäufer – sondern bezeichnen sich selbstbewusst als Nahversorger. Tedi-Geschäftsführer Silvan Wohlfahrt sagt: „Wir haben davon profitiert, dass in den vergangenen Jahren viele kleine Läden schließen mussten. Das stärkt unsere Rolle als Nahversorger. Der Kunde ist froh, wenn er bei uns Bastelartikel, Schreibwaren oder Deko-Sachen findet.“

Die Anbieter zieht es vor allem in gute Lagen

Sind die Billigläden also unsere Rettung? Experten wie Wolfgang Fritz glauben daran nicht. Der Marketingprofessor von der TU Braunschweig warnt bereits seit Jahren vor der „Discountisierung“ der Gesellschaft und den Folgen für die Innenstädte. Juweliere, Optiker oder Modeboutiquen dürften sich schließlich nicht gerade freuen, wenn nebenan ein Billigladen mit seinen Wühltischen und Kitsch-Ständern einzieht. Zumal Tedi und Co. ganz bewusst nach Geschäften in belebten Einkaufsstraßen suchen. So beschreibt Mäc Geiz auf seiner Internetseite sehr genau, wo die Firma Läden eröffnen will – nämlich ausschließlich in der Innenstadt und dort nur in „A- und guten B-Lage mit hoher Kundenfrequenz“. Voraussetzung ist außerdem, dass die Stadt mindestens 15 000 Einwohner hat.

Dabei ist die „Discountisierung“ der Einkaufszone nur ein Problem, das der Trend zu Billigläden mit sich bringt. Ein anderes könnte der Umgang mit Mitarbeitern sein. So machen sich auf Internetplattformen Angestellte Luft. „Hier gibt es nur Druck und Drohungen“, schreibt einer. Ein anderer klagt, man sei oft alleine im Laden, „auch schonmal über Stunden“. Man müsse „immer abrufbereit sein“. Urlaubs- und Weihnachtsgeld seien gestrichen beziehungsweise übers Jahr verteilt worden. Nachprüfen ließen sich die Anschuldigungen am Donnerstag nicht, sie werfen aber auch nicht gerade das beste Licht auf die Branche.

Dabei haben Experten ohnehin Zweifel daran, wie nachhaltig der Trend zu Billigläden ist. Unternehmensberater Hepp sagt: „Der deutsche Kunde möchte seine Einkäufe eigentlich möglichst alle auf einmal erledigen. Aber bei Tedi, Action und Co. geht das nicht. Es könnte sein, dass das den Verbrauchern irgendwann zu kompliziert wird.“ mit dpa

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