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Die IG Metall kann das Ergebnis als Erfolg verbuchen.

© Daniel Reinhardt/dpa

Tarifvertrag in der Metallindustrie: Der Streit hat sich gelohnt

4,3 Prozent mehr sind eine ganze Menge. Genauso wichtig aber ist die wegweisende neue Arbeitszeitregelung. Ein Kommentar.

Aua, dieser Tarifabschluss tut richtig weh. Der Schmerzensschrei der Maschinenbauer ließ nicht lange auf sich warten. Der größte deutsche Industriebereich mit seinen mittelständischen Unternehmen leidet immer unter Tariferhöhungen. Und ist trotzdem auf den Weltmärkten mindestens so erfolgreich wie die deutsche Autoindustrie. Oder gerade deshalb: Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie verdankt sich vor allem den qualifizierten, gut bezahlten und produktiven Fachkräften. Und dort, wo diese Arbeitnehmer am teuersten sind, in Baden-Württemberg, sind die Firmen am erfolgreichsten.

Der jüngste Tarifkompromiss wird daran nichts ändern. 4,3 Prozent sind eine Menge, so viel wird es in keiner anderen Branche in diesem Jahr geben. Aber die 4,3 Prozent sind auch der Preis für eine lange Friedensphase: Den nächsten Tarifkonflikt gibt es erst im Frühling 2020. Und die Hochkonjunktur bringt den meisten Firmen ordentliche Erträge, an denen die Arbeitnehmer nun beteiligt werden. Alles in allem wurde der Verteilungskonflikt ums Geld – und es geht um einige Milliarden – vernünftig gelöst. Bei der Arbeitszeit war das viel schwieriger.

Die 35-Stunden-Woche konnte die IG Metall vor drei Jahrzehnten nur durchsetzen, weil ihre Mitglieder dafür in den Arbeitskampf zogen und weil die Firmen als Gegenleistung für die kollektive Arbeitszeitverkürzung mehr Flexibilität beim Einsatz der Arbeitskräfte bekamen. Heute gehört die Flexibilität zu den Erfolgsfaktoren der deutschen Industrie, in der dann gearbeitet wird, wenn der Auftrag vorliegt. Der IG Metall ging es nun in der Tarifauseinandersetzung um Flexibilität für ihre Leute, um mehr Selbstbestimmung der Arbeitnehmer bei der Arbeitszeit. Und um Erleichterungen für bestimmte Beschäftigte, die im Betrieb (als Schichtarbeiter) oder im Privaten (als Eltern oder Pflegende) besonderen Belastungen ausgesetzt sind.

Arbeitgeber können sich kaum wehren

Wenn die IG Metall etwas will und dazu die Power von 2,3 Millionen Mitgliedern auf die Straße bringt, können sich die Arbeitgeber kaum wehren. Diesmal war das anders, weil die Arbeitgeber keinesfalls eine „Stilllegungsprämie“ für Arbeitnehmer zahlen wollten: Wer die Arbeitszeit verkürzt, bekommt einen Teillohnausgleich, damit er sich die Arbeitszeitverkürzung für die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen überhaupt leisten kann. Das war nicht durchsetzbar, erkannte die IG Metall, und kam dann auf die Idee mit dem zusätzlichen Urlaubsgeld, das die bestimmten Beschäftigtengruppen in freie Tage umwandeln können, um dann mehr Zeit für die Familie zu haben oder um sich von der Schicht zu erholen. Ob acht zusätzliche freie Tage im Jahr nun bedeutsam sind für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, muss jeder selbst beantworten. Immerhin gibt es jetzt die Wahl zwischen Geld oder Zeit. Und zwar für alle.

Künftig kann jeder Metaller die Arbeitszeit auf bis zu 28 Wochenstunden reduzieren und dann wieder auf Vollzeit gehen. Gleichzeitig dürfen mehr Arbeitnehmer im Betrieb länger arbeiten, sodass sich das Arbeitsvolumen insgesamt nicht verändert. Das ist wichtig für die Arbeitgeber, denen der Fachkräftemangel zu schaffen macht. Im Ergebnis gibt es künftig einen Arbeitszeitkorridor, der allen Beteiligten Spielräume gibt, indem er Flexibilität auf beiden Seiten ermöglicht und die Vielfalt der individuellen Bedürfnisse in den Rahmen eines kollektiven Tarifvertrags fasst.

Ein Erfolg für die IG Metall, über den die Kollegen im Osten indes kaum jubeln werden. Zwar gehört zum Stuttgarter Abschluss ein Appell der Gewerkschaft und des Arbeitgeberdachverbandes an die regionalen Tarifparteien im Osten, Gespräche über die Angleichung der Arbeitszeit zu führen. Aber es ist eben nur ein Appell. Absehbar werden die ostdeutschen Metaller mit 38 Wochenstunden drei Stunden länger arbeiten als im Westen. Zu wenig Betriebe gehören hier zu den Tarifverbänden und zu wenige Beschäftigte zur IG Metall. Anders als in Baden-Württemberg.

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