zum Hauptinhalt
„Sicherheit im Wandel“ will IG-Metall-Chef Jörg Hofmann für die Beschäftigten erreichen .

© picture alliance / dpa

Tarifrunde 2020: IG Metall strebt Abschluss bis Ostern an

Für Gewerkschaftschef Jörg Hofmann steht diesmal die Sicherung von Arbeitsplätzen im Vordergrund.

Das Virus kommt den Arbeitgebern gar nicht so ungelegen. Ende vergangener Woche informierte der bayerische Metallverband über Arbeitsplatzverluste. Die Rezession in der Industrie wirke sich „dauerhaft und negativ auf die Beschäftigtenzahlen aus“, und das Coronavirus zerstöre „internationale Wertschöpfungs- und Zulieferketten“. Schlussfolgerung der Arbeitgeber und Appell an die IG Metall: ein Tarifabschluss, der nichts kostet. „Nur so können die notwendigen Investitionen getätigt werden, um die Rezession zu bewältigen“, argumentieren die Arbeitgeber.

In diesen Tagen beginnen die Verhandlungen für die größte deutsche Branche, und die IG Metall ist mit einer ungewöhnlichen Strategie in die Tarifrunde gegangen: Es gibt keine Prozente-Forderung, sondern den Wunsch nach Beschäftigungssicherheit, Investitionen und Perspektive in der aktuellen Umbruchphase, in der sich vor allem die Autoindustrie befindet. „Wir wollen das Thema Sicherheit im Wandel tarifpolitisch bearbeiten“, erläutert der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann dem Tagesspiegel. „Wir werden sehen, ob die Arbeitgeber zu einer fairen Lösung bereit sind.“

Virus belastet Lieferketten

„Betrieblicher Frieden und eine möglichst lange und verlässliche Planungssicherheit während der Laufzeit eines Vertrages“ sind für Arndt Kirchhoff, Arbeitgeberpräsident in Nordrhein-Westfalen, die „Assets“ im Flächentarif. Kirchhoff, ein moderater Modernisierer, der auch in der IG Metall geschätzt wird, soll bis Ostern den Pilotabschluss für die gesamte Metallindustrie mit ihren vier Millionen Beschäftigten hinkriegen. „Jeder vernünftige Mensch macht in dieser Situation einen Tarifvertrag mit kurzer Laufzeit“, sagt IG-Metall-Chef Hofmann und weist auf die extrem labile Konjunktur und das Virus hin. Bis Ende März werde man wissen, ob Lieferketten reißen. Und wie die Regierung in Peking auf den schwachen Autoabsatz reagiere. „Wenn das Thema Fertigung vor Ort und Bevorzugung chinesischer Hersteller von der Regierung forciert wird, könnte das größeren Schaden anrichten.“

"Wir wollen die Strategie kennen"

Was das Virus auch noch an Schaden verursachen mag – die IG Metall wird keinen Tarifvertrag ohne mehr Geld unterschreiben. Doch in diesem Jahr soll ein Inflationsausgleich von knapp zwei Prozent reichen. Wichtiger, jedoch viel komplizierter zu regeln ist das Thema Sicherheit und Zukunft. „Wir wollen nicht am Schluss den Kehraus machen, sondern frühzeitig über die Strategie reden“, sagt Hofmann. Zwei Megatrends beträfen alle Firmen: Digitalisierung und Dekarbonisierung. „Was passiert in der Produktentwicklung, mit Investitionen, Personalplanung und Beschäftigung? Das wollen wir zu einem Zeitpunkt wissen, wenn es noch Alternativen gibt“, sagt Hofmann.

Die mit 2,3 Millionen Mitgliedern größte Gewerkschaft hatte im Frühjahr 2019 auf Basis einer Betriebsrätebefragung in 2000 Unternehmen einen Transformationsatlas erstellt. Das Ergebnis war ein Schock, denn der überwiegende Teil des Mittelstands hat bisher keine Strategie für die Transformation. Auch deshalb landet das Thema in der Tarifrunde 2020. Hofmann betont ferner einen „Beteiligungs- und Demokratieaspekt: Die Transformation wird nicht gelingen, wenn die Beschäftigten nicht mit Engagement dabei sind.“ Die komplette deutsche Industrielandschaft werde umgebaut. „Das allein dem Kapital zu überlassen, wäre unverantwortlich“, sagt der Vorsitzende der IG Metall und spannt einen weiten Bogen. „Vielleicht ist die Situation so ähnlich wie zu Beginn der Bundesrepublik, als Betriebsräte und Gewerkschaften auch eine besondere Rolle gespielt haben beim Aufbau.“

Fairer Wandel gegen Rechtsradikale

Die Wahlerfolge der AfD und die Terroranschläge von Rechtsextremisten treiben auch Hofmann um. „Unser wirksamster Beitrag gegen Rechtsradikale ist es, die Transformation sozial zu gestalten und gleichzeitig Beschäftigten Sicherheit zu geben.“ Gewerkschaften hätten „eine die Demokratie stabilisierende Funktion“. Das gilt auch im Osten des Landes, wo die IG Metall in den vergangenen zwei Jahren vergeblich versucht hatte, einen Fahrplan Richtung 35-Stunden-Woche zu vereinbaren. Die Metaller im Osten arbeiten 38 Wochenstunden. „Die IG Metall wird nicht aus der Tarifrunde rausgehen ohne eine Lösung in dieser Frage“, sagt Hofmann. Die Arbeitgeber hatten die Einführung der 35-Stunden-Woche zum 1.1.2031 für alle ostdeutschen Metallbetriebe abgelehnt. „Gibt es keinen Lösung im Flächentarifvertrag, werden wir Abschlüsse in einzelnen Unternehmen erzwingen“, kündigt Hofmann an.

Zur Startseite